European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00071.23K.0829.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Grundrechte
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. September 2011, GZ 13 Hv 75/10g‑129, wurde * L* des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/136 schuldig erkannt, weil er – zusammengefasst – * K* am bzw vor dem 23. Dezember 2008 zu einer für die V* GmbH (nun: M* GmbH, M*) nachteiligen Überweisung in der Höhe von 4 Mio Euro bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB) hat.
[2] Die gegen dieses Urteil unter anderem von * L* erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. Jänner 2012, AZ 15 Os 154/11b, zurückgewiesen.
[3] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. März 2021, GZ 122 Hv 1/20s‑921, wurde * L* der Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB (A), der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1, Abs 2 (teils iVm § 161 Abs 1) StGB (B) und des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, § 15 StGB (C) schuldig erkannt.
[4] Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des * L* wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 27. Juli 2022, AZ 15 Os 10/22t, zurückgewiesen.
[5] Soweit hier relevant war Gegenstand des Schuldspruchs, dass * L* von Anfang 2009 bis Ende 2012 Gelder des Unternehmens M* in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung von Gläubigern vereitelt oder geschmälert hat (B I).
[6] Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. September 2022, GZ 13 Hv 75/10g‑236, wurde ein Antrag des * L* vom 21. März 2022 (ON 231) auf Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 13 Hv 75/10g des Landesgerichts für Strafsachen Wien abgewiesen.
[7] Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 31. Jänner 2023, AZ 20 Bs 282/22z, wurde einer dagegen gerichteten Beschwerde des Genannten nicht Folge gegeben (ON 241).
Rechtliche Beurteilung
[8] Dagegen richtet sich der (fristgerecht eingebrachte – Art 35 Abs 1 EMRK) – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützte – Antrag des * L* auf Erneuerung des Verfahrens. Darin wird eine Verletzung des sich aus Art 4 des 7. ZP EMRK ableitbaren Rechts, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt zu werden (ne bis in idem), mit dem Vorbringen behauptet, dass sich das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. September 2011, GZ 13 Hv 75/10g‑129, auf denselben Sachverhalt beziehe wie das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. März 2021, GZ 122 Hv 1/20s‑921.
[9] Für einen Erneuerungsantrag, der sich nicht auf ein Urteil des EGMR stützt (RIS‑Justiz RS0122228), gelten die gegenüber diesem normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen (Art 34 und 35 MRK) sinngemäß (RIS‑Justiz RS0122737, RS0128394). Demnach kann der Oberste Gerichtshof erst nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs angerufen werden (Art 35 Abs 1 MRK). Diesem Erfordernis wird entsprochen, wenn nicht nur von allen zugänglichen (effektiven) Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung), sondern darüber hinaus die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; vgl RIS‑Justiz RS0122737 [T13]), um dem Staat auch materiell Gelegenheit zu geben, die behauptete Rechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 28 ff, 36 ff; Rebisant, WK-StPO § 363a Rz 88 ff; Peters in Mayer‑Ladewig/Nettesheim/von Raumer EMRK5 Art 35 Rz 11 ff).
[10] Schon daran scheitert der Antrag, weil der Neuerungswerber die nun im Antrag vorgetragene Argumentation bislang nicht, und zwar auch nicht in der dem Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 31. Jänner 2023, AZ 20 Bs 282/22z, zugrunde liegenden Beschwerde, geltend gemacht und damit den Rechtsweg horizontal nicht ausgeschöpft hat (RIS‑Justiz RS0127714).
[11] Die Behauptung einer Verletzung des Verbots wiederholter Strafverfolgung (§ 17 StPO) scheidet im Übrigen als Grund einer hier in Bezug auf das frühere der beiden oben genannten Strafverfahren angestrebten Wiederaufnahme nach § 353 StPO aus. Deshalb kommt die geltend gemachte Verletzung des korrespondierenden Grundrechts (Art 4 des 7. ZPMRK) auch nicht als Prüfungsmaßstab (vgl Rebisant, WK‑StPO § 363a bis 363c Rz 40 ff) eines Antrags auf Erneuerung des Wiederaufnahmeverfahrens in Betracht.
[12] Ein allfälliger Verstoß gegen das prozessuale Verfolgungshindernis des ne bis in idem (vgl Birklbauer,WK-StPO§ 17 Rz 1 ff; Grabenwarter/Pabel EMRK7 § 24 Rz 163 ff;Harrendorf/König/Voigt in Mayer‑Ladewig/Nettesheim/von Raumer EMRK5 Art 4 ne bis in idem Rz 1 ff [Rz 3]) hätte (prozessual zulässig) lediglich im Rahmen einer gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. März 2021, GZ 122 Hv 1/20s‑921, gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden können (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 638). Ein – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützter – Antrag auf Erneuerung des Verfahrens scheidet damit aus (RIS‑Justiz RS0122737 [T11 und T12]).
[13] Zurückweisung des Antrags nach § 363b Abs 2 StPO ist die Folge (Rebisant, WK‑StPO §§ 363a bis 363c Rz 101).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)