OGH 15Os154/11b

OGH15Os154/11b25.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter K***** und Otto L***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter sowie die Berufungen des Angeklagten Otto L***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. September 2011, GZ 13 Hv 75/10g-129, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Peter K***** und Otto L***** jeweils des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, Otto L***** nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben in Wien

A./ Peter K***** am 23. Dezember 2008 die ihm in seiner Eigenschaft als Prokurist der V***** GmbH (nunmehr m***** GmbH - FN ***** des HG Wien) durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und diesem Unternehmen einen Vermögensnachteil in der Höhe von 4 Millionen Euro, mithin einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden zugefügt, dass er einen zum Gesellschaftsvermögen der V***** GmbH gehörenden Betrag von 4 Millionen Euro der S***** GmbH ohne entsprechende Sicherheiten zum Zweck der Erlangung eines Finanzierungskredits der B***** auf ein Subkonto überwies und solcherart zur Verfügung stellte, wobei der Finanzierungskredit dem Erwerb der 100%igen Muttergesellschaft der V***** GmbH, nämlich der V***** Holding GmbH, durch die S***** GmbH diente;

B./ Otto L***** zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt vor dem 23. Dezember 2008 Peter K***** zu der unter A./ beschriebenen Tat dadurch bestimmt, dass er diesen zur Durchführung der dort genannten Überweisung aufforderte, wobei er überdies entgegen der mit Peter K***** getroffenen Vereinbarung den zum Gesellschaftsvermögen der V***** GmbH gehörenden Betrag in der Höhe von 4 Millionen Euro nicht mehr rückführte, sondern vielmehr einen Betrag in der Höhe von 2.300.000 Euro zur dauerhaften Besicherung des Finanzierungskredits der B***** auf einem Subkonto der S***** GmbH beließ und einen Betrag von 1.700.000 Euro auf ein weiteres Geschäftskonto der S***** GmbH transferierte.

Diese Schuldsprüche bekämpfen die Angeklagten Peter K***** und Otto L***** jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerde, Peter K***** stützt sein Rechtsmittel auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und lit b StPO, Otto L***** seines auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO. Berechtigung kommt beiden Nichtigkeitsbeschwerden nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter K*****:

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine Unvollständigkeit und Undeutlichkeit der Begründung für den festgestellten, auf die Zufügung eines Vermögensnachteils gerichteten Vorsatz dieses Angeklagten. Indem sie aber nur eine Passage aus der auch diesbezüglich umfassenden Beweiswürdigung des Erstgerichts herausgreift, nämlich dass sich der Beschwerdeführer - unbeschadet der von ihm dem Angeklagten L***** zugeschriebenen Stellung als „faktischer Chef“ - ausbedungen habe, der Betrag von 4 Millionen Euro solle zur Verfügung der V***** GmbH (in der Folge m***** [m*****]) belassen werden (US 13, 14), und urteilsfremd behauptet, das Erstgericht wäre „ohne weitere Begründung zu dem Ergebnis gelangt, der Angeklagte K***** habe den Vermögensnachteil vorsätzlich herbeigeführt“, beschränkt sie sich auf eine schlichte, im schöffengerichtlichen Verfahren in dieser Form jedoch unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider mussten sich die Tatrichter im Zusammenhang mit den Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten K***** nicht auch damit auseinandersetzen, ob dieser die - ihm vom Angeklagten L***** zugesicherte (US 7) - spätere Rückführung des Überweisungsbetrags ausdrücklich verlangt habe und zu welchem Zeitpunkt diese erfolgen hätte sollen. Dieser Umstand betrifft nämlich keine entscheidende Tatsache, weil der Tatbestand der Untreue nach § 153 StGB auch dann erfüllt ist, wenn der dem Machtgeber, hier der V***** GmbH, zugefügte Vermögensnachteil nicht auf Dauer bestehen bleiben soll.

Das Erstgericht hat - der gegenteiligen Beschwerdebehauptung zuwider - auch empirisch einwandfrei dargelegt, weshalb es entgegen der leugnenden Verantwortung des Angeklagten K***** dessen Wissen um seinen Befugnismissbrauch konstatierte (US 12 - 15). Der Einwand, es sei nicht auf die „festgestellte Anordnungsbefugnis“ des Angeklagten L***** eingegangen, scheitert schon daran, dass das Erstgericht eine solche gar nicht angenommen, sondern dem Angeklagten K***** im Rahmen der Beweiswürdigung bloß eingeräumt hat, den Angeklagten L***** subjektiv als „faktischen Chef“ angesehen zu haben (US 14).

Der Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, wenn unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, aber nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung (Z 10) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).

Indem der Beschwerdeführer unter Berufung auf die Z 9 lit a ohne Hinweis auf entsprechende Ergebnisse des Beweisverfahrens bloß vorbringt, das Erstgericht habe „keinerlei Feststellungen über jene Merkmale der Tätigkeiten des Zweitangeklagten nach dem 22. Dezember 2008 getroffen, um die Befugnisanordnung des Zweitangeklagten gegenüber dem Erstangeklagten … abschließend beurteilen zu können“, kommt er diesen Anforderungen schon im Ansatz nicht nach.

Gleiches gilt für die - unter diesem Nichtigkeitsgrund wiederholte - Forderung nach Konstatierungen zu einer vom Angeklagten K***** von vornherein begehrten fortdauernden Verfügungsmöglichkeit der V***** GmbH über den gegenständlichen Betrag von 4 Millionen Euro, und zwar auch nach dessen Überweisung auf ein Konto der S***** GmbH.

Dass der Angeklagte L***** dem Angeklagten K***** die spätere Rückführung dieses Betrags zugesichert hatte, hat das Erstgericht ohnehin angenommen (US 7). Der Einwand, das Erstgericht habe Feststellungen zu einer dementsprechenden vom Angeklagten K***** gestellten Bedingung unterlassen, geht daher ebenfalls ins Leere.

Die - mit Blick auf die den Vorsatz ausschließende irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts nach § 8 StGB vorgebrachte - Kritik am Fehlen von „Feststellungen zur Kenntnis des Angeklagten K***** von“ - zwischen Berechtigten der V***** und dem Angeklagten L***** als Geschäftsführer der S***** GmbH im Abtretungsvertrag - „vereinbarten aufschiebenden Bedingungen“ (Z 9 lit b) entbehrt ebenfalls schon eines Hinweises auf ein entsprechendes Beweissubstrat und verfehlt solcherart die Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Otto L*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht einen Feststellungsmangel betreffend die nach den Vorstellungen der Verkäuferin bereits vor Rechtswirksamkeit des Abtretungsvertrags faktisch bestehende Geschäftsführungskompetenz des Angeklagten L***** geltend. Der Beschwerdeführer legt aber weder dar, weshalb die diesbezügliche subjektive Einschätzung des Angeklagten K***** sowie der vom Angeklagten L***** bekundete Umstand einer bereits am 19. Dezember 2008 von ihm vorgenommenen Unterfertigung eines - nicht näher beschriebenen - Vertrags mit einer Großkundin ausreichende Indizien hiefür geboten hätten, noch vermag er aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb eine auf Anordnung eines „faktischen Geschäftsführers“ wirtschaftlich zum Nachteil der Gesellschaft erfolgte Entfremdung eines (hohen) Bankguthabens in subjektiver und objektiver Hinsicht nicht dem Tatbestand der Untreue unterfallen sollte.

Der Einwand, die V***** GmbH (später m*****) hätte keinen „Vermögensschaden“ erlitten, ist urteilsfremd, stellte das Erstgericht doch ausdrücklich fest, dass der Gesellschaft ohne adäquate Gegenleistung liquide Mittel von 4 Millionen Euro entzogen worden sind und solcherart ihr Vermögen verringert worden ist (US 8, 9, 17).

Aus Z 9 lit b reklamiert der Beschwerdeführer den Strafaufhebungsgrund tätiger Reue nach § 167 StGB für sich. Mit dem lapidaren Hinweis, es sei „eine vollständige Rücküberweisung des Betrags“ erfolgt, bleibt er eine Begründung für die Behauptung, die Voraussetzungen dieses Strafaufhebungsgrundes lägen vor, schuldig.

Er vermag auch nicht dogmatisch einwandfrei darzulegen, weshalb der rechtswirksame Erwerb (auch) des geschädigten, in der Rechtsform einer juristischen Person geführten Unternehmens durch jene Gesellschaft, die von der Untreue profitiert hat, dem Erfordernis freiwilliger, rechtzeitiger und vollständiger Schadensgutmachung (in Form einer Ersatzleistung) durch den Täter oder einen Dritten in seinem Namen genügen sollte.

Die von der Beschwerde behauptete „Billigung dieser Transaktion“ - also der Tat - „durch die geschädigte Schädigerin“ - gemeint wohl durch den Angeklagten L***** als Geschäftsführer der S***** GmbH - ist dem Urteilssachverhalt nicht zu entnehmen. Die Rüge scheitert also auch daran, dass sie die gebotene Orientierung an den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts vermissen lässt.

Im Übrigen wäre eine solche Erklärung des Angeklagten L***** als Geschäftsführer der S***** GmbH nur innerhalb des engen Rahmens des § 25 Abs 4 GmbHG zulässig (vgl Reich-Rohrwig in Straube [Hrsg] GmbHG § 25 Rz 159) und solcherart zur Schadensgutmachung tauglich gewesen (vgl Kirchbacher/Presslauer § 167 Rz 25). Im Fall einer Doppelvertretung (Vertretung zweier GmbH durch ein und denselben Geschäftsführer) ist nämlich schon aufgrund der abstrakten Gefahr, die mit dem Selbstkontrahieren des Geschäftsführers verbunden ist, ein Insichgeschäft in der Regel unzulässig, es sei denn, es brächte der - Ansprüche gegen den Geschäftsführer stellenden - Gesellschaft nur Vorteile. Ein diesbezügliches Vorbringen (in Form der Geltendmachung eines Feststellungsmangels) enthält die Beschwerde in Bezug auf die geschädigte V***** GmbH (später m*****) aber nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers des Zweitangeklagten - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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