OGH 10Ob62/22y

OGH10Ob62/22y22.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber sowie die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, Slowakische Republik, als Masseverwalter im Konkurs der E* a.s., vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Y* GmbH *, vertreten durch die Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 408.200,80 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2022, GZ 2 R 94/22s‑24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 19. April 2022, GZ 21 Cg 54/21h‑19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0100OB00062.22Y.0822.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die E* a.s. ist ein Unternehmen mit dem Geschäftssitz in Banská Bystrica, Slowakische Republik (künftig: Slowakei). Die Beklagte ist eine Handelsgesellschaft mit Sitz in Wien.

[2] Mit Beschluss des Bezirksgerichts Banská Bystrica vom 7. Februar 2014 wurde über das Vermögen der E* a.s. das Konkursverfahren eröffnet. Zur Insolvenzverwalterin wurde die Klägerin bestellt.

[3] Die E* a.s. (künftig: Schuldnerin) und die Beklagte standen seit dem Jahr 2010 in geschäftlicher Beziehung. Am 27. April 2012 schlossen die Schuldnerin als Käuferin und die Beklagte als Verkäuferin drei (schriftliche) Kaufverträge über Solarmodule um einen Preis von insgesamt 4.082.008 EUR. In den Kaufverträgen wurde die Anwendbarkeit des UN‑Kaufrechts sowie der einschlägigen Bestimmungen des Rechts der Slowakei vereinbart (Beilagen ./D bis ./F). So wie bei den bisherigen Verträgen mit der Beklagten unterzeichnete nur der Vorstandsvorsitzende die Kaufverträge für die Schuldnerin. Im (slowakischen) Handelsregister war zu diesem Zeitpunkt folgende Handlungsbefugnis der Organe der Schuldnerin eingetragen: „Im Namen der Gesellschaft handelt immer der Vorstandsvorsitzende zusammen mit einem Vorstand, und zwar so, dass sie zur gedruckten oder geschriebenen Firma der Gesellschaft ihre eigenhändige Unterschrift anfügen“.

[4] In der Folge lieferte die Beklagte die Solarmodule wie mit der Schuldnerin vereinbart im Mai und Juni 2012 (zu Gesellschaften) nach Bulgarien, wo sie auch übernommen wurden. Die Rechnungen über die Lieferungen, die von 14. Mai 2012 bis 12. Juni 2012 datieren, waren jeweils an die Schuldnerin gerichtet und enthielten die Produktbezeichnung und Anzahl der gelieferten Solarmodule sowie den Stückpreis (Beilagen ./8 bis ./14). Die Schuldnerin leistete bis Mitte Juni 2012 ihrerseits vertragsgemäß, dh entsprechend dem Inhalt der drei Kaufverträge vom 27. April 2012, Vorauszahlungen auf die Kaufpreise von insgesamt 408.200,80 EUR (je 10 % der Kauf‑ bzw Rechnungssumme) an die Beklagte. In einer – vom Vorstandsvorsitzenden und einem weiteren Vorstandsmitglied unterfertigten – eidesstattlichen Erklärung vom 26. Juli 2012 verpflichtete sich die Schuldnerin überdies, der Beklagten den restlichen Kaufpreis von 3.673.807 EUR bis zum 17. September 2012 zu zahlen.

[5] Mit Klage vom 11. Juni 2014 machte die Beklagte die noch offene Kaufpreisforderung aus den drei Kaufverträgen vor dem zuständigen Bezirksgericht Banská Bystrica geltend. Die Schuldnerin erhob ihrerseits eine Widerklage, mit der sie die Rückzahlung der Vorauszahlungen begehrte. Das Bezirksgericht Banská Bystrica wies die Klage als unbegründet zurück und gab der Widerklage statt, weil die Kaufverträge vom 27. April 2012, die die Beklagte als Rechtsgrund für ihre im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin angemeldeten Forderungen angegeben hatte, lediglich vom Vorstandsvorsitzenden allein unterfertigt worden und deshalb wegen Formmängel ungültig (unwirksam) seien. Das Landesgericht Banská Bystrica (als zweitinstanzliches Gericht) bestätigte diese Rechtsansicht, hob jedoch die Entscheidung über die Widerklage zur Klärung der (internationalen) Zuständigkeit auf und verwies die Sache insoweit an die erste Instanz zurück. Das Verfahren über die Widerklage wurde schließlich mangels Zuständigkeit der slowakischen Gerichte eingestellt, was der Zurückweisung der Klage nach österreichischem Verfahrensrecht gleichkommt.

[6] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin 408.200,80 EUR sA. Aufgrund der Entscheidungen der slowakischen Gerichte stehe für die österreichischen Gerichte bindend fest, dass die drei Kaufverträge vom 27. April 2012 aufgrund der Unterfertigung bloß durch den Vorstandsvorsitzenden der Schuldnerin nichtig (unwirksam) seien. Nur weil die Ware an Dritte geliefert und Vorauszahlungen geleistet worden seien, könne auch nicht von konkludent zustande gekommenen Kaufverträgen ausgegangen werden. Die Schuldnerin habe die geleisteten Vorauszahlungen somit rechtsgrundlos erbracht und gegen die insoweit bereicherte Beklagte einen Anspruch auf Rückersatz. Dieser sei nach slowakischem Recht zu beurteilen, dessen Anwendung trotz Unwirksamkeit (Ungültigkeit) der Kaufverträge zwischen der Schuldnerin und der Beklagten wirksam vereinbart worden sei. Ihr auf Bereicherungsrecht gestützter Rückersatzanspruch sei zudem weder nach slowakischem noch nach österreichischem Recht verjährt.

[7] Die Beklagte hielt dem vor allem entgegen, dass für die begehrte Rückforderung der Vorauszahlungen keine Rechtsgrundlage bestehe. Einerseits seien die Kaufverträge wirksam zustande gekommen, weil sie berechtigterweise auf die Vertretungsbefugnis des Vorstandsvorsitzenden vertrauen habe dürfen. Da sich die Schuldnerin die Leistungen auch zugewendet habe, sei ein etwaiger Vollmachtsmangel jedenfalls saniert. Andererseits komme das UN‑Kaufrecht zur Anwendung, da sowohl Österreich als auch die Slowakei Vertragsstaaten des UN-Kaufrechtsübereinkommens (CISG) seien. Sollten die drei Kaufverträge vom 27. April 2012 daher tatsächlich unwirksam sein, seien trotzdem Kaufverträge mit der Schuldnerin zustande gekommen, weil das UN‑Kaufrecht keine Formvorschriften vorsehe und Kaufverträge nach dessen Art 18 auch konkludent abgeschlossen werden könnten. Es bestehe daher in jeder denkbaren Konstellation ein Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Schuldnerin, womit der (ausschließlich) auf eine ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klageanspruch ausscheide. In Wahrheit sei ohnedies nicht sie, sondern die Schuldnerin bereichert, die nur einen Teil der Kaufpreise geleistet, aber die Waren vollständig erhalten habe. Zudem sei der Klageanspruch sowohl nach slowakischem als auch nach österreichischem Recht bereits verjährt.

[8] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

[9] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren dagegen ab. Zwar würden in einem anderen Mitgliedstaat gefällte Entscheidungen in Österreich jene Wirkungen zukommen, die sie auch dort haben. Dass die Wirkungen von (slowakischen) Urteilen in der Slowakei weder in erster Instanz erörtert noch festgestellt worden seien, schade aber nicht, weil die drei Kaufverträge nach dem gemäß § 49 IPRG für die Beurteilung der Vertretungsbefugnis der Organe einer Gesellschaft maßgeblichen slowakischen Recht mangels Unterfertigung durch zwei Vorstandsmitglieder auf jeden Fall nicht wirksam zustande gekommen seien. Da die Unwirksamkeit der Kaufverträge auch die darin getroffene Rechtswahl erfasse und eine (nachträgliche) konkludente Rechtswahl nicht erfolgt sei, sei nach Art 4 Abs 1 lit a Rom‑I‑VO österreichisches materielles Recht anwendbar. Das UN‑Kaufrecht ändere daran nichts, weil es weder für die Gültigkeit von Verträgen noch die Verjährung von Rückforderungsansprüchen aus ungültigen Kaufverträgen Regelungen enthalte. Nach den anwendbaren österreichischen Bestimmungen sei der Klageanspruch gemäß § 1431 ABGB zwar grundsätzlich berechtigt. Er sei aber bereits verjährt, weil auf ihn die kurze Frist des § 1486 Z 1 ABGB (analog) anzuwenden sei.

[10] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, welche Verjährungsfrist für Ansprüche auf Rückforderung von Anzahlungen bei nichtigen (unwirksamen) Kaufverträgen gelte.

[11] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Abänderung im Sinn einer Klagestattgebung, hilfsweise eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen anstrebt.

[12] Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, eventualiter ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

[14] In ihrer Revision vertritt die Klägern weiterhin den Standpunkt, dass mit den Entscheidungen des Bezirksgerichts und des Landesgerichts Banská Bystrica bindend entschieden worden sei, dass die drei Kaufverträge vom 27. April 2012 ungültig (unwirksam) seien und daher kein ihre Zahlungen rechtfertigendes Rechtsverhältnis bestehe. Abgesehen davon, dass die in den Kaufverträgen erfolgte Rechtswahl trotzdem wirksam sei, hätten sich beide Parteien vor den slowakischen Gerichten auf slowakisches Recht berufen und dessen Anwendung daher zumindest nachträglich vereinbart. Nach den einschlägigen slowakischen Bestimmungen sei ihr Rückforderungsanspruch noch nicht verjährt. Selbst wenn die Verjährung nach den inländischen Regelungen zu beurteilen wäre, würde das zum selben Ergebnis führen, weil eine analoge Anwendung des § 1486 Z 1 ABGB mangels planwidriger Lücke ausscheide.

[15] 1. Die von der Klägerin angesprochenen Fragen stellen sich zumindest derzeit zum Großteil ebenso wenig wie die vom Berufungsgericht formulierte Zulassungsfrage. Denn der auf eine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten gestützte Anspruch der Klägerin setzt zunächst einmal voraus, dass die Zahlungen der Schuldnerin tatsächlich rechtsgrundlos erfolgten. Erst wenn das feststeht, ist zu klären, nach welchem Recht der Klageanspruch zu beurteilen ist und wann er verjährt. In der Revisionsbeantwortung wendet die Beklagte dazu – wie schon in ihrer Berufung – ein, dass die Vorinstanzen ihr Vorbringen zum schlüssigen Vertragsabschluss iSd Art 18 UN‑Kaufrecht missverstanden und damit die vorweg zu prüfende Frage des Bestehens eines die Zahlungen rechtfertigenden Vertragsverhältnisses rechtlich unrichtig gelöst hätten.

[16] 2. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass das UN-Kaufrecht in Bezug auf den Vertragsabschluss nur den äußeren Konsens (Art 14 ff UN-Kaufrecht), nicht aber darüber hinausgehende Fragen wie insbesondere jene der Stellvertretung und der Verjährung regelt (RIS‑Justiz RS0115754; RS0090863; Ferrari in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN‑Kaufrecht7 Art 4 Rz 15 und 34 f; Mankowski in MüKo BGB8 Art 4 CISG Rz 17 und 19 ua). Mit ihrem Hinweis auf Art 11, 18 UN‑Kaufrecht hat sich die Beklagte aber nicht darauf berufen, die Kaufverträge vom 27. April 2012 seien deshalb wirksam, weil das UN‑Kaufrecht den Abschluss von Kaufverträgen an keine Formvorschriften binde. Vielmehr hat sie vorgebracht, dass sich ein Mangel der Vertretungsbefugnis des Vorstandsvorsitzenden der Schuldnerin letztlich gar nicht auswirke, weil durch die Koordinierung der Lieferung, die Annahme der Ware sowie das Leisten der Vorauszahlungen durch die Schuldnerin – unabhängig von der Vertretungsbefugnis laut Handelsregister – nachträglich konkludente Verträge (neu) zustande gekommen seien. Damit ist sie auch im Recht.

[17] 2.1. Unstrittig sind Österreich und die Slowakei Vertragsstaaten des UN‑Kaufrechtsübereinkommens (CISG), sodass dieses kraft autonomer Anknüpfung anzuwenden ist (Art 1 Abs 1 lit a UN‑Kaufrecht). Zutreffend haben die Parteien und das Berufungsgericht auch den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht in Frage gestellt, weil Gegenstand der hier zu beurteilenden Verträge die Lieferung von Waren ist.

[18] 2.2. Das UN‑Kaufrecht schafft selbst materielles Recht (RS0112333). Da es das nationale Recht verdrängt, wenn es für eine bestimmte Sachfrage Regelungen enthält, ist auf die einschlägigen Normen des kollisionsrechtlich berufenen nationalen Rechts nur dann und soweit zurückzugreifen, als das UN‑Kaufrecht keine entsprechende Regelung enthält (RS0090863 [T2]). Daraus folgt, dass das UN‑Kaufrecht im vorliegenden Fall unabhängig von seiner (ausdrücklichen) Vereinbarung in drei Kaufverträgen vom 27. April 2012 oder einer etwaigen nachträglichen (auch konkludenten) Rechtswahl zur Anwendung gelangt, weil es nie ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen wurde (Art 6 UN‑Kaufrecht; vgl RS0115967; RS0113574 [T2]; Posch/Terlitza in Schwimann/Kodek ABGB5 Art 6 CISG Rz 3 und 7).

[19] 2.3. Aus Art 18 UN‑Kaufrecht lassen sich drei mögliche Annahmeformen ableiten: 1. ausdrücklich erklärte und zugangsbedürftige Annahme, 2. konkludent erklärte und zugangsbedürftige Annahme und 3. konkludent erklärte und nicht zugangsbedürftige, das heißt mit dem konkludenten Verhalten wirksame Annahme (RS0128585; Schroeter in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, UN-Kaufrecht7 Art 18 Rz 8). Zur hier interessierenden dritten Alternative hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, dass ein derartiges, die Zustimmung zu einem Angebot ausdrückendes Verhalten des Empfängers in der Vor‑ oder Nichtvornahme einer bestimmten Handlung besteht, die das Einverständnis und den Bindungswillen des Annehmenden ernsthaft und zweifelsfrei zum Ausdruck bringt. Für die Beurteilung, ob eine Handlung ein solches Verhalten darstellt, ist nach Art 8 UN‑Kaufrecht der Erkenntnishorizont eines objektiven Dritten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls maßgeblich (1 Ob 215/12t; RS0128586; Dornis in Honsell, Kommentar zum UN‑Kaufrecht2 Art 18 Rz 21; Schroeter in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter,UN‑Kaufrecht7 Art 18 Rz 30; Mankowski in Ferrari ua Internationales Vertragsrecht3 Art 18 CISG Rz 6; Ferrari in MüKo BGB8 Art 18 CISG Rz 6 ua). Ein annahmegleiches Verhalten liegt insbesondere in der Versendung und Annahme der Ware, im Übersenden einer Rechnung und deren Abzeichnung durch den Käufer oder im Leisten einer Teil‑ oder Anzahlung (vgl OLG Jena 2 U 672/06, NJW 2009, 689) auf den Kaufpreis (Schroeter in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter,UN‑Kaufrecht7 Art 18 Rz 33; Mankowski in Ferrari ua Internationales Vertragsrecht3 Art 18 CISG Rz 7; Ferrari in MüKo BGB8 Art 18 CISG Rz 6; Dornis in Honsell,UN‑Kaufrecht2 Art 18 Rz 22; Posch/Terlitza in Schwimann/Kodek, ABGB5 Art 18 CISG Rz 2 ua).

[20] 2.4. Nach Art 18 Abs 2 UN‑Kaufrecht wird die Annahme eines Angebots zwar erst dann wirksam, wenn sie dem Anbietenden zugeht. Auf das Erfordernis des Zugangs wird aber bei einer Handlung des Annehmenden verzichtet, die sich zum Beispiel auf die Absendung der Ware oder die Zahlung des Preises bezieht, ohne dass der Anbietende davon unterrichtet wird. Die Annahme ist in diesem Fall zum Zeitpunkt der Handlung wirksam, sofern sie innerhalb der Frist des Art 18 Abs 2 UN‑Kaufrecht vorgenommen wird (Art 18 Abs 3 UN‑Kaufrecht). Grundlage dafür kann vor allem das Angebot selbst sein. Erfüllt die Äußerung des Annehmenden die an die Ordnungsmäßigkeit und Rechtzeitigkeit einer Annahme gestellten Anforderungen, kommt der Vertrag nach Art 23 UN‑Kaufrecht zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Äußerung zustande (1 Ob 215/12t; Mankowski in Ferrari ua Internationales Vertragsrecht3 Art 18 CISG Rz 16; Magnus in Staudinger, BGB [2018] Art 18 CISG Rz 25 und 28; Ferrari in MüKo BGB8 Art 18 CISG Rz 19 ua). Verhaltensweisen, die eine Zustimmung zum Ausdruck bringen und unmittelbar als Annahme wirken, sind vor allem Handlungen, bei denen ein Zugang regelmäßig nicht für erforderlich gehalten wird, wie das etwa bei den in Art 18 Abs 3 UN‑Kaufrecht ausdrücklich genannten Fällen des Absendens der Ware oder der Bezahlung des Kaufpreises der Fall ist (Schroeter in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter,UN‑Kaufrecht7Art 18 Rz 70; Dornis in Honsell, UN‑Kaufrecht2 Art 18 Rz 40; Posch/Terlitza in Schwimann/Kodek, ABGB5 Art 18 CISG Rz 8 ua).

[21] 2.5. Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin die Lieferung der Waren nach Bulgarien veranlasst, wo sie auch übernommen wurden, und überdies die in den ihr zugegangen Rechnungen ausgewiesenen Voraus‑ bzw Teilzahlungen von 10 % des jeweiligen Kaufpreises geleistet. Das ist nach dem Verständnishorizont eines objektiven Dritten – unabhängig vom Registereintrag – als wirksame Annahme des Angebots (das ist die Lieferung zu den in den Rechnungen aufgeschlüsselten Beträgen) bzw als Zustimmung zum Abschluss von Kaufverträgen zu werten, die spätestens mit Leistung der Voraus‑ bzw Teilzahlungen zustande kamen (so auch 1 Ob 215/12t).

[22] 2.6. Ein Verspätungseinwand iSd Art 18 Abs 2 UN-Kaufrecht wurde hier nicht erhoben. Die Verfristung der schlüssigen Annahme ist mit Blick auf die Zeiträume der Warenlieferungen (ab Mitte Mai 2012) und der Zahlungen (bis spätestens Mitte Juni 2012) auch nicht anzunehmen.

[23] 3. Als vorläufiges Zwischenergebnis ist daher von schlüssig zustande gekommenen Kaufverträgen über die von der Beklagten gelieferten Waren auszugehen. Da dieses Ergebnis in materieller Hinsicht nicht davon abhängt, ob die Kaufverträge vom 27. April 2012 wirksam (ungültig) sind oder nicht, würde eine Rückabwicklung rechtsgrundlos erbrachter Leistungen der Schuldnerin von vornherein ausscheiden und sich die Frage der Verjährung eines darauf gestützten Anspruchs gar nicht stellen.

[24] Dennoch ist die Sache nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht auf Basis seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Ansicht die Frage der (Reichweite der) Bindungswirkung der Entscheidungen der slowakischen Gerichte als nicht relevant erachtet hat.

[25] 3.1. Im Verfahren ist nicht strittig, dass auch Entscheidungen ausländischer Gerichte materielle Rechtskraft äußern können, wenn sie im Inland anzuerkennen sind (RS0110172 [T3]), was hier nach dem zeitlich noch anzuwendenden Art 33 Abs 1 EuGVVO 2002 (vgl Art 66 Abs 2 EuGVVO 2012) der Fall ist. Die Anerkennung nach der EuGVVO 2002 führt zur Wirkungserstreckung, was bedeutet, dass der ausländischen Entscheidung im Inland dieselben rechtlichen Wirkungen wie im Urteilsstaat zukommen (EuGH C‑456/11 Gothaer Allgemeine Versicherung [Rn 34]; RS0117940 [T1]; Rassi in Fasching/Konecny 3 Art 36 EuGVVO 2012 Rz 17 ua). Die Wirkungen des ausländischen Urteils im Inland bestimmen sich danach, welche Wirkungen dem Urteil im Bereich der Ursprungsjurisdiktion zukommen (EuGH C‑420/07 Meletis [Rn 66]; RS0110172 [T4]; Hess in Schlosser/Hess EuZPR5 Art 36 EuGVVO Rz 3; Leible in Rauscher EuZPR/EuIPR5 Art 36 Brüssel Ia‑VO Rz 5).

[26] Aufgrund der rechtskräftigen slowakischen Urteile steht jedenfalls fest, dass der Beklagten aus den Kaufverträgen vom 27. April 2012 kein Anspruch auf die restlichen Kaufpreise zusteht. Strittig ist dagegen, ob die Bindungswirkungen nicht weiter reichen, dh ob sie auch die Frage erfassen, ob die drei Kaufverträge vom 27. April 2012 unwirksam (ungültig) sind– was der Annahme von in der Folge neu abgeschlossener Kaufverträge prima vista nicht entgegenstehen würde – oder zwischen Schuldnerin und Beklagter insgesamt kein Rechtsverhältnis besteht, das die (Warenlieferungen der Beklagten und die) Zahlungen der Schuldnerin rechtfertigt.

[27] 3.2. Dazu ist zwar richtig, dass in Österreich die in einer Entscheidung enthaltene Beurteilung von Vorfragen keine Bindungswirkung für Folgeprozesse entfaltet. In Verfahren über Leistungsansprüche aus einem Vertrag trifft das etwa auf die Beurteilung der Frage zu, ob der Vertrag rechtswirksam zustande gekommen und aufrecht ist (RS0041188). Nach diesen Grundätzen würde die Beurteilung der slowakischen Gerichte, die Kaufverträge vom 27. April 2012 seien unwirksam (ungültig), im vorliegenden Verfahren daher keinerlei Bindungswirkung entfalten.

[28] Die in Österreich anzuerkennenden Rechtswirkungen der Entscheidungen slowakischer Gerichte sind allerdings an den Wirkungen zu messen, die die Entscheidungen in der Slowakei entfalten. Dort wird – soweit überblickbar – im Vergleich zu Österreich eine erheblich weitere Bindung an eine Vorfragenbeurteilung in Vorprozessen angenommen. So steht etwa ein rechtskräftiges Urteil über eine Leistungsklage der Entscheidung über eine spätere Klage entgegen, mit der festgestellt werden soll, ob ein Recht oder ein Rechtsverhältnis besteht, das auf demselben Sachverhalt beruht (vgl slowakisches Oberstes Gericht AZ 3 Cdo 100/01). Ob diese Rechtsprechung auf den Anlassfall zu übertragen ist und wie sie sich hier auswirkt, lässt sich derzeit aber nicht sicher beantworten. Ungeklärt ist auch, ob die slowakischen Entscheidungen allenfalls auch Präklusionswirkungen zeitigen und daher die Geltendmachung von (neuen) Rechtsgründen ausschließen, die im Vorprozess trotz Möglichkeit nicht releviert wurden (vgl Leible in Rauscher EuZPR/EuIPR5 Art 36 Brüssel Ia‑VO Rz 9). Träfe das zu, könnte sich die Beklagte unter Umständen nicht mehr darauf berufen, es seien unabhängig von den Kaufverträgen vom 27. April 2012 später jedenfalls neue Kaufverträge konkludent geschlossen worden. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Entscheidungen der slowakischen Gerichte offensichtlich – wie die Klägerin in der Revision bestätigt – in einem (nach österreichischem Verständnis) Prüfungsprozess ergingen, in dem das Klagebegehren nur auf den in der Anmeldung (und Prüfungstagsatzung) angegeben Grund gestützt werden kann.

[29] 3.3. Ob die Annahme (nachträglich) konkludent geschlossener Kaufverträge gegen die Bindungswirkung der Urteile der slowakischen Gerichte verstößt bzw damit in Widerspruch stehen würde, lässt sich mangels Erhebungen zur Rechtslage in der Slowakei derzeit nicht beantworten. Dies stellt einen Verfahrensmangel besonderer Art dar, der die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur amtswegigen Ermittlung des ausländischen Rechts bedingt (RS0040045).

[30] 4. Im fortgesetzten Verfahren wird daher zu klären sein, welche Wirkungen den in Österreich anzuerkennenden Entscheidungen slowakischer Gerichte in der Slowakei in Bezug auf die Beurteilung von Vorfragen zukommen. Sofern sich dabei ergeben sollte, dass die Bindungswirkung der slowakischen Vorentscheidungen der Annahme konkludent geschlossener Kaufverträge nicht entgegensteht, wird das Klagebegehren abzuweisen sein. Mit der Frage, ob und nach welchem anzuwenden Recht der auf Bereicherung gestützte Anspruch der Klägerin besteht und wann er verjährt, werden sich die Vorinstanzen hingegen erst zu befassen haben, wenn (aufgrund der Rechtswirkungen der slowakischen Entscheidungen) feststeht, dass die Leistungen der Klägerin tatsächlich rechtsgrundlos erbracht wurden.

[31] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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