OGH 14Os80/23f

OGH14Os80/23f3.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. August 2023 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen * S* und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 4 HR 26/22w des Landegerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde der Dr. * D* gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 5. Juli 2023, AZ 9 Bs 216/23t, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00080.23F.0803.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Dr. * D* wurde im Grundrecht auf Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Oberlandesgericht Graz die vom Landesgericht für Strafsachen Graz über Dr. * D* am 16. Juni 2023 verhängte (ON 101) Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Verdunkelungs‑ und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 und 3 lit b StPO fort (ON 112.3).

[2] Dabei ging es vom dringenden Verdacht aus, Dr. D* habe in Dr*, R* und an anderen Orten

I. zumindest ab dem 24. November 2021 bis „laufend“ die Mitbeschuldigte * S* als Inhaberin des Einzelunternehmens „*“, indem sie dieser im Rahmen anwaltlicher Vertretung im Insolvenzverfahren AZ * des Landesgerichts * wiederholt mitteilte, dass die Beschlüsse auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 5. Februar 2021 sowie auf Bestellung des Mag. * W* zum Insolvenzverwalter vom 10. Februar 2021 rechtswidrig und nichtig seien, sie daher in der Handkasse oder sonst in ihrem Eigentum befindliches Bargeld von zumindest 475 Euro nicht herausgeben müsse, dazu bestimmt, als Schuldnerin mehrerer Gläubiger (zu ergänzen:) vorsätzlich (BS 6 [vgl 13 Os 43/21d]) Bestandteile ihres Vermögens dem Insolvenzverwalter vorzuenthalten, solcherart zu verheimlichen und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger in einem derzeit noch unbekannten Ausmaß zu (gemeint:) vereiteln oder schmälern,

II. andere dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie diese einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigte, wobei sie wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigungen falsch waren, und zwar

A. am 23. Dezember 2021 durch Übermittlung einer Sachverhaltsdarstellung an die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption Dr. * Sc*, Mag. * W*, Dr. * Se* und Mag. * P* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB in unterschiedlichen Täterschaftsformen, indem sie sinngemäß behauptete, „dass der zunächst bestellte Masseverwalter Dr. Sc* im kollusiven Zusammenwirken mit der zuständigen Richterin Dr. Se* aus Gewinnabsicht die 'inszenierte Insolvenz' der S* von langer Hand geplant und am 5. Februar 2021 trotz fehlender Zahlungsunfähigkeit durch einen Beschluss auf Insolvenzeröffnung umgesetzt habe, woraufhin der am 10. Februar 2021 ersatzweise bestellte Masseverwalter Mag. W* zunächst mit Dr. Se* und sodann mit der im weiteren Verfahren zuständigen Richterin Mag. P* die mutwillige und rechtswidrige Führung des Insolvenzverfahrens gegen S* fortgesetzt habe“, wobei die fälschlich angelasteten Handlungen mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind (ON 85),

B. am 5. April 2022 durch Übermittlung einer Strafanzeige an die Polizeiinspektion Graz-Schmiedgasse Mag. W* des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, indem sie behauptete, dieser habe am 1. April 2022 als unbefugt tätiger Insolvenzverwalter vorsätzlich die Kennzeichentafeln * der S* „gestohlen“ (ON 34.4),

C. am 14. April 2022 durch Übermittlung einer Disziplinaranzeige an die * Rechtsanwaltskammer Mag. W* des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, indem sie behauptete, dieser habe auch die Autoschlüssel der S* von deren Pkw abgezogen und gestohlen (ON 35.2),

D. am 15. Juni 2022 durch Übermittlung eines Schreibens an die Staatsanwaltschaft Graz Mag. W* der Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, indem sie behauptete, dass dieser ohne Rechtsgrundlage Gelder von den Konten der * S* abhebe und Bausparverträge auflöse sowie überdies „Sparbücher verschwinden“ würden (ON 41.2),

E. am 8. Jänner 2023 durch Übermittlung eines Schreibens an die Oberstaatsanwaltschaft Wien den Präsidenten des Landesgerichts * Dr. * De* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB, indem sie behauptete, dass dieser nach Auskunft eines Whistleblowers aufgrund ihres Schreibens (gemeint: vom 3. September 2021, wonach die Richterin Dr. Se* befangen sei) „auf einen Zettel geschrieben habe, dass D* zu eliminieren sei“, woraufhin sie im Sprengel kein einziges Verfahren mehr gewonnen habe, wobei die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist (ON 66),

F. am 13. Jänner 2023 durch Übermittlung eines Schreibens an das Bezirksgericht * die Richterin des Bezirksgerichts * Mag. Sc* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, indem sie behauptete, dass diese im Verfahren AZ * zur Durchsetzung des „betrügerischen Konkurses“ sämtlichen Anträgen des Mag. W* auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne jegliche Prüfung oder Kontrolle stattgebe, wobei die fälschlich angelasteten Handlungen mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind (ON 71.30),

G. am 18. (richtig: 23.) Jänner 2023 durch Übermittlung eines E‑Mails an die Polizeiinspektion Halbenrain die Richterin des Bezirksgerichts * Mag. Sc* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, indem sie behauptete, dass diese im Exekutionsverfahren AZ * gegen S* ohne Rechtsgrundlage die Schätzung einer Liegenschaft genehmigt und in diesem Zusammenhang bewusst Sachverständige ohne die erforderliche Sachkenntnis bestellt habe, um eine Umstrukturierung des Betriebs zu verhindern, wobei die fälschlich angelasteten Handlungen mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind (ON 71.13),

III. im Zeitraum vom 13. Dezember 2022 bis „laufend“ gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, die Nachangeführten durch die Vorgabe, dass die am 7. Dezember 2022 durch die * Rechtsanwaltskammer über sie verhängte einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft rechtsunwirksam sei (oder unter Verschweigung dieser Maßnahme), und (erkennbar gemeint:) zur Vornahme wirksamer Prozesshandlungen berechtigt zu sein (BS 9), somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Zahlung anwaltlicher Honorare teils verleitet, teils zu verleiten versucht, wodurch diese in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden oder werden sollten, und zwar

G./ am 10. März 2023 die A* SE im Betrag von 40 Euro,

H./ am 10. März 2023 die H* im Betrag von 70 Euro,

I./ am 14. März 2023 die Al* im Betrag von 60 Euro,

L./ 16 im Beschluss namentlich angeführte Mandanten in einem unbekannten Betrag.

[3] Das Beschwerdegericht subsumierte diese Handlungeneinem Verbrechen der betrügerischen Krida nach §§ 12 zweiter Fall, 156 Abs 1 StGB (I.), mehreren Verbrechen der Verleumdung nach §§ 15, 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (II.A., II.E. bis II.G.), mehreren Vergehen der Verleumdung nach §§ 15, 297 Abs 1 erster Fall StGB (II.B. bis II.D.) und einem Vergehen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, §§ 148 erster Fall, 15 StGB (III.).

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerecht eingebrachte (nominell auch eine Verletzung der Art 3, 6 und 18 MRK behauptende [vgl aber § 1 Abs 1 und § 2 Abs 1 GRBG]) Grundrechtsbeschwerde der Dr. D*, die sich gegen die Annahme dringenden Tatverdachts, der Haftgründe und der Verhältnismäßigkeit richtet.

[5] Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Entscheidung des Oberlandesgerichts über eine Haftbeschwerde – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (RIS‑Justiz RS0121605 [T3]). Dabei kann die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts (nur) nach Maßgabe der Kriterien des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO angefochten werden (RIS‑Justiz RS0110146; vgl auch Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 26 ff).

[6] Indem die Beschwerde zu I. die Vereitelung oder Schmälerung der Gläubigerbefriedigung bestreitet, bezieht sie sich – mit Blick auf den vom Beschwerdegericht angenommenen, darauf gerichteten Vorsatz der Beschuldigten (BS 5) – bloß auf die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung und solcherart nicht auf eine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0122137). Im Übrigen setzt betrügerische Krida weder Überschuldung noch Zahlungsunfähigkeit voraus (RIS‑Justiz RS0094831).

[7] Soweit sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf einen hier erstmals vorgelegten Kaufvertrag über eine Liegenschaft des Einzelunternehmens der S* stützt, verstößt sie gegen das im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltende Neuerungsverbot (RIS‑Justiz RS0106584; Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 12).

[8] Das zu II. erstattete Vorbringen, die Beschuldigte habe (bereits in objektiver Hinsicht) keine falschen Anschuldigungen erhoben, weil (zusammengefasst) die Voraussetzungen für die Insolvenzeröffnung nicht vorgelegen seien und die Annahme von Masseunzulänglichkeit einer Grundlage entbehrt habe, lässt einen Bezug zu den im Einzelnen von der Beschuldigten nach der Verdachtslage erhobenen Vorwürfen nicht erkennen. Denn nach deren (vom Beschwerdegericht angenommenen) Bedeutungsgehalt (BS 2 ff) behauptete die Beschuldigte nicht bloß das Fehlen der Voraussetzungen für die Insolvenzeröffnung oder das Nichtvorhandensein von Masseunzulänglichkeit, sondern ein kollusives Zusammenwirken in Gewinnabsicht (BS 7: „Insolvenzbetrugsnetzwerk“), mutwillige Verfahrensführung (II.A.), Bestimmung zu (erkennbar gemeint) vorsätzlich rechtswidrigen Entscheidungen nicht im Insolvenzverfahren über das Einzelunternehmen der S*, sondern in anderen Verfahren, in denen Dr. D* als Rechtsanwältin aufgetreten ist (II.E.), Durchsetzung des „betrügerischen Konkurses“ (II.F.) und gezielte Bestellung von Sachverständigen ohne nötige Sachkenntnis (II.G.) sowie darüber hinaus Diebstahl (II.C.), Untreue und Urkundenunterdrückung (II.D. und II.B.). In diesem Umfang entzieht sich die Beschwerde daher einer inhaltlichen Erwiderung (vgl RIS‑Justiz RS0099563 [T2]).

[9] Selbiges gilt für die pauschale Kritik, die „Argumentation“ der Beschuldigten sei ignoriert worden und es wäre auf ein nicht näher dargestelltes Vorbringen in der Haftbeschwerde einzugehen gewesen (vgl aber RIS‑Justiz RS0118316 [T5, T12 und T19]).

[10] Mit dem Einwand, dass der Vorsatz der Beschuldigten „auszuschließen“ sei, weil sie keine eigenen Interessen wahrgenommen habe, zieht die Beschwerde bloß die Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts (BS 5 und 7 f) in Zweifel, ohne Begründungsmängel (im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO) aufzuzeigen oder Aktenbestandteile zu benennen, die beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken an den dem dringenden Tatverdacht zugrunde liegenden Tatsachen wecken sollen.

[11] Die Kritik am Unterbleiben einer „Ermittlungstätigkeit des Gerichts in Richtung des Tatbestandsmerkmals wissentliche Falschbezichtigung“ übersieht, dass die analoge Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO im Sinn einer Aufklärungsrüge im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0122321 [insbesondere T3]).

[12] Soweit die Beschwerde zu III. „anmerk[t]“, dass sämtliche Mandanten über das Fehlen der „Vertretungsbefugnis“ informiert gewesen seien, benennt sie abermals keine Aktenbestandteile, aus denen sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Sachverhaltsannahmen zu den Täuschungshandlungen der Beschuldigten (BS 4) ergeben sollten. Im Übrigen verfehlt sie den Bezug zu den Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts, wonach die Beschuldigte – sofern sie ihren Mandanten die vorläufige Maßnahme der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft nicht verschwiegen – deren Unwirksamkeit vorgetäuscht habe (BS 4 und 9), und übersieht, dass die Beschuldigte zu III.G. bis III.I., (erkennbar) im (dringenden) Verdacht steht, Rechtsschutzversicherungen getäuscht zu haben.

[13] Den (dringenden) Verdacht, dass die Beschuldigte zu III.L. auch nach der Untersagung der Rechtsanwaltschaft erbrachte Leistungen in der Folge abrechnete und dadurch einen (noch nicht feststehenden) insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, leitete das Beschwerdegericht ersichtlich (BS 9 f: „in vernetzter Betrachtung mit den [offenkundig gemeint:] zuvor erörterten sonstigen Ermittlungsergebnissen“) aus „der Vielzahl der Eingaben“, der Erstellung von Kostenverzeichnissen „auf Basis der RATG“ und der Verantwortung der Angeklagten ab, sie müsse „auch von etwas leben“ (BS 9). Dass diese Begründung den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (vgl RIS‑Justiz RS0099413), vermag die Beschwerdedurch schlichtes Bestreiten einer nachvollziehbaren Begründung nicht darzulegen.

[14] Nach Maßgabe der durch § 1 Abs 1 GRBG verlangten nicht bloß formalen, sondern auch inhaltlichen Ausschöpfung des Instanzenzugs hat die im Verfahren über die Grundrechtsbeschwerde erstmals erhobene Kritik an der Annahme des Vorliegens der Haftgründe (BS 10 f) und der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft (BS 11) auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0114487 [T13, T18]).

[15] Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

[16] Bleibt für das weitere Verfahren zu III.L. der Vollständigkeit halber zu bemerken, dass es bei Austauschverhältnissen für die Beurteilung des Eintritts eines Schadens im Sinne des § 146 StGB auf die rechnerische Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung ankommt (RIS‑Justiz RS0094374); sind sie gleichwertig (äquivalent), tritt kein Schaden ein (Kienapfel/Schmoller, BT II² § 146 Rz 161, 169). Stellt sich jedoch das vom Opfer Erhaltene als wirtschaftlich wertlos dar, findet es bei der Schadensberechnung keine Berücksichtigung (vgl dazu und zur fehlenden Äquivalenz im Allgemeinen Kienapfel/Schmoller, BT II² § 146 Rz 165 und 170 ff).

[17] In die Bewertung der Gegenleistung sind auch opferbezogene Faktoren einzubeziehen, auf deren Grundlage zu prüfen ist, ob das Geleistete für das Opfer (individuell) brauchbar war (objektiv-individueller Maßstab [RIS-Justiz RS0094308 {T3}; Kirchbacher/Sadoghi in WK² § 146 Rz 80; Kert, SbgK § 146 Rz 247; Kienapfel/Schmoller, BT II² § 146 Rz 175 ff]). Dabei sind die persönlichen Vorstellungen des Opfers und seine Präferenzen („persönlicher Wirtschaftsplan“) einzubeziehen, wobei nur (aus wirtschaftlicher Sicht) willkürliche Individualinteressen außer Betracht zu bleiben haben (RIS‑Justiz RS0094237; Kert, SbgK § 146 Rz 222, 247 ff; Kienapfel/Schmoller, BT II² § 146 Rz 179, 184). Ist die Gegenleistung unter diesen opferbezogenen Gesichtspunkten wertlos, tritt der Schaden in voller Höhe der irrtumsbedingten Leistung des Getäuschten ein (RIS‑Justiz RS0094263 [T17, T18], RS0119371).

[18] Davon ausgehend ist zu berücksichtigen, dass das Fehlen der Befugnis zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft per se noch nicht zur Wertlosigkeit der von der Beschuldigten erbrachten Leistungen (wie etwa Rechtsberatungen) führt. Deshalb ist bei von ihr vorgenommenen Prozesshandlungen in die Bewertung einzubeziehen, ob diese in den jeweiligen Verfahren wirksam waren (vgl §§ 26 ff ZPO). Unter diesem Gesichtspunkt kann es daher insbesondere auf das Bestehen von(absolutem oder relativem) Anwaltszwang oder auf die Verweigerung der Zulassung als Bevollmächtigte ankommen.

[19] Im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Verleitens zur Zahlung von Versicherungsleistungen (III.G. bis III.I.) wird hingegen (anhand der Vertragsbedingungen) zu klären sein, ob Deckung durch die Rechtsschutzversicherung von der Befugnis der Beschuldigten zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft abhing, in welchem Fall nach der Suspendierung erbrachte Leistungen jedenfalls als wertlos zu betrachten sind.

[20] Weiters gilt für den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO, dass nicht bloß leichte Folgen bei Vermögensdelikten nur bei einem Vermögensschaden deutlich über der Bagatellgrenze (vgl § 141 StGB) aus einer Tat (nicht durch Zusammenrechnung) vorliegen (14 Os 127/20p).

[21] Überdies vermag ein Haftgrund die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft nur dann zu rechtfertigen, wenn diese geeignet ist, den Zweck der Anhaltung zu erfüllen (Kirchbacher/Rami, WK‑StPO Vor §§ 170–189 Rz 7/1). Dies wird hinsichtlich des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorwurf wiederholter Verleumdung (Punkt II.) zu prüfen sein.

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