OGH 13Os43/21d

OGH13Os43/21d7.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pauritsch in der Strafsache gegen Susanne P***** und einen Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 12 dritter Fall, 15, 156 Abs 1 und 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Christoph U***** sowie über die Berufung der Privatbeteiligten Dr. G***** als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der F***** GmbH gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 24. November 2020, GZ 15 Hv 28/16b ‑ 215, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00043.21D.0607.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte Christoph U***** und die Privatbeteiligte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden Susanne P***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach (richtig) §§ 12 dritter Fall, 15, 156 Abs 1 und 2 StGB (1) und Christoph U***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach (richtig) §§ 12 dritter Fall, 15, 156 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

[2] Danach haben zu den Handlungen des Franz U***** beigetragen, der vom April 2007 bis zum November 2013 als Geschäftsführer der F***** GmbH, mithin als leitender Angestellter, Bestandteile deren Vermögens beiseite schaffte, indem er Teile des Entgelts für Leistungen der F***** GmbH im Ausmaß von 868.840 Euro „in bar kassierte bzw. von Mitarbeitern kassieren ließ, die Nichterfassung dieser Gelder im Rechenwerk der Gesellschaft veranlasste“ und sich die Beträge zueignete sowie private Aufwendungen für sich und seine Angehörigen in der Höhe von jedenfalls 300.000 Euro „als Unternehmensaufwand verbuchen und ausweisen ließ“ und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen zu vereiteln oder schmälern versuchte, und zwar

(1) Susanne P***** vom April 2007 bis zum November 2013 als Sekretärin und Buchhalterin der F***** GmbH, indem sie „teils Schwarzanteile der Entgelte für die von der F***** GmbH erbrachten Leistungen kassierte, diese teils dem Franz U***** bar auszahlte, teils auf seine Sparkonten überwies, die eingenommenen Gelder im reduzierten Ausmaß in den Geschäftsbüchern erfasste und korrespondierende Rechnungen erstellte und die Verbuchung von Privataufwendungen des Franz U***** und seiner Angehörigen als Betriebsausgaben veranlasste und die entsprechenden Zahlungsanweisungen erteilte“, sowie

(2) Christoph U***** vom Jahresende 2010 bis zum November 2013 als Angestellter der F***** GmbH, indem er „Schwarzanteile von Entgelten in einer nicht exakt feststellbaren, den Betrag von EUR 300.000,- nicht übersteigenden Höhe für von der F***** GmbH erbrachten Leistungen bei Kunden kassierte und an seinen Großvater Franz U***** oder die Buchhalterin Susanne P***** weiterleitete“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch 2 richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Christoph U*****.

[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt – ein nicht geltend gemachter, zum Nachteil der Angeklagten Susanne P***** und Christoph U***** wirkender Rechtsfehler (Z 9 lit a) anhaftet, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[5] § 156 Abs 1 StGB ist ein unrechtsgeprägtes Sonderdelikt im Sinn des § 14 Abs 1 StGB. Der Tatbestand verlangt eine Person als Täter, die selbst Schuldner mehrerer Gläubiger oder nach Maßgabe des § 161 Abs 1 StGB dessen leitender Angestellter ist (vgl RIS‑Justiz RS0089726 [T5]). Andere Personen, bei denen diese besondere Subjektqualität nicht vorliegt, können sich nach Maßgabe der §§ 12, 14 Abs 1 StGB an der strafbaren Handlung des Intraneus beteiligen (vgl Kirchbacher   in WK² StGB § 156 Rz 3; Leukauf/Steiniger/Flora, StGB 4 § 156 Rz 2). Da ein Großteil der Begehungsformen der Vermögensverringerung („verheimlicht“, „beiseite schafft“, „vorschützt“, „zum Schein verringert“) – unabhängig vom allgemeinen Vorsatzerfordernis – sowohl sprachlich als auch nach seinem materiellen Gehalt ein vorsätzliches Handeln erfordert, müssen zur Strafbarkeit des extranen Beitragstäters (§ 12 dritter Fall StGB) auch die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StGB erfüllt sein. Der Tatbestand des § 156 StGB kann von diesem nur bei vorsätzlicher Mitwirkung des Intraneus an der Vermögensverringerung verwirklicht werden (vgl RIS‑Justiz RS0129627, Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 3; Leukauf/Steiniger/Flora, StGB 4 § 156 Rz 17).

[6] Zum Vorsatz des Intraneus, das Vermögen des von ihm geleiteten Unternehmens im Sinn des § 156 Abs 1 StGB wirklich oder scheinbar zu verringern ( Kirchbacher in WK² StGB Rz 21; Leukauf/Steiniger/Flora, StGB 4 § 156 Rz 15), enthält das Urteil keine Feststellungen.

[7] Der aufgezeigte Rechtsfehler bewirkt Nichtigkeit des Schuldspruchs (Z 9 lit a) und erfordert die Aufhebung des Urteils sowie die Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[8] Mit ihren Rechtsmitteln waren der Angeklagte Christoph U***** und die Privatbeteiligte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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