European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00092.23Z.0704.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, die unter anderem aus dem Grundstück * besteht. Im A2‑Blatt dieser Liegenschaft ist ein „Superädifikat“ auf diesem Grundstück eingetragen. In der Liegenschafts- und Bauwerkskartei der betreffenden Katastralgemeinde ist unter UH‑Einlagezahl 3 im A1‑Blatt das Superädifikat „*“ auf diesem Grundstück der Antragstellerin ersichtlich gemacht.
[2] Mit ihrem Antrag vom 26. 2. 2021 begehrte die Antragstellerin die Einreihung der Bestätigung vom 23. 11. 2020 und des notariellen Protokolls vom 29. 5. 2020 zum Zwecke „der Feststellung des zu keiner Zeit Bestehens von Superädifikaten * [einer bestimmten Art] auf dem nunmehrigen GSt * EZ * KG *“.
[3] Diesen Antrag hat das Erstgericht mit Beschluss vom 30. 4. 2021 abgewiesen, weil die vorgelegten Urkunden nicht dokumentierten, dass das Superädifikat auf keinem Grundstück bestehe; es könne daher nicht ersatzlos gelöscht werden. Dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Ihren außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 31/22b zurück.
[4] Mit ihrem nunmehrigen Begehren strebt die Antragstellerin – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – die Bewilligung der Einreihung der Bestätigung vom 23. 11. 2020 und des notariellen Protokolls vom 29. 5. 2020, denen zufolge sich auf dem Grundstück * keine * [die bestimmten Superädifikate] befänden, an.
[5] Diesen Antrag wies das Erstgericht zurück. Im Grundbuchsverfahren sei die materielle Rechtskraft auf die Einmaligkeitswirkung beschränkt. Bei unveränderter Sachlage sei ein neuerlicher Antrag, der nur neue Rechtsausführungen enthalte, daher zurückzuweisen.
[6] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und ließ den Revisionsrekurs zu. Grundbuchsbeschlüsse seien nach ständiger Rechtsprechung der materiellen Rechtskraft fähig, die im Ergebnis auf die Einmaligkeitswirkung beschränkt sei. Auch im Urkundenhinterlegungsverfahren sei die materielle Rechtskraft in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen. Zufolge der Bestimmung des § 1 Abs 3 UHG gelte für die Einreihung nichts anderes. Das nunmehrige Begehren ziele seinem Wortlaut nach darauf ab, dass sich jetzt keine Superädifikate einer bestimmten Art auf dem Grundstück der Antragstellerin befänden und werde auf dieselben Urkunden gestützt. Es sei gegenüber dem Antrag vom 26. 2. 2021 als Minus zu werten. Darüber sei bereits rechtskräftig abgesprochen worden, sodass das Erstgericht das nunmehrige Gesuch zu Recht zurückgewiesen habe.
[7] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Kriterien der Prüfung der materiellen Rechtskraft im Urkundenhinterlegungs‑(Einreihungs‑)verfahren fehle, die mit Blick auf § 20 UHG nicht zwingend dem materiellen Publizitätsprinzip folgen müssten.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen:
[9] 1. Ein Beschluss, mit dem ein Antrag abgewiesen wird, erwächst auch im Grundbuchsverfahren in materielle Rechtskraft (RIS‑Justiz RS0079245). Im Grundbuchsverfahren ist die materielle Rechtskraft praktisch regelmäßig auf die Einmaligkeitswirkung beschränkt (5 Ob 43/01m mwN). Ein solcher Antrag kann daher nur bei geänderter Sachlage neuerlich eingebracht werden. Zur maßgeblichen Sachlage gehören auch Art und Umfang der vorgelegten Urkunden (RS0041511 [T7]).
[10] 2. Die Antragstellerin zieht die auf die Entscheidung zu 5 Ob 278/07d gestützte Rechtsansicht der zweiten Instanz, wonach – zusammengefasst – auch in einem Verfahren wegen Urkundenhinterlegung zum Erwerb des Eigentumsrechts an Superädifikaten die materielle Rechtskraft einer Entscheidung (im Hinblick auf res iudicata) in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen ist, und diese Grundsätze zufolge der Bestimmung des § 1 Abs 3 UHG auch für die Einreihung von Urkunden gelten, nicht in Zweifel. Da der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretisch zu einer Rechtsfrage, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird, Stellung zu nehmen, muss auf diese Frage schon deshalb nicht weiter eingegangen werden (RS0102059 [T8]). Dieser Grundsatz gilt auch im außerstreitigen Verfahren (RS0102059 [T15]).
[11] 3. Auch darüber hinaus spricht die Antragstellerin die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht an und zeigtauch sonst keine erheblichen Rechtsfragen auf (dazu RS0080388 [T1]).
[12] 3.1. Wie bereits in ihrem Rekurs steht die Revisionsrekurswerberin auf dem Standpunkt, im Grundbuchsantrag vom 26. 2. 2021 sei es um die Einreihung zum Zweck der Feststellung, dass zu keiner Zeit ein Superädifikat auf ihrem Grundstück bestanden habe, gegangen; hingegen verfolge der nunmehrige Antrag die Bewilligung der Einreihung der Urkunden zum Zweck, dass sich darauf keine solchen Superädifikate befinden. Schon aus der unterschiedlichen Textierung ergebe sich, dass es sich beim nunmehr vorliegenden Antrag um ein materielles aliud handle.
[13] 3.2. Der Verfahrensgegenstand (der Rechtsgrund) wird durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung erforderlichen, vorgebrachten Tatsachen (Sachverhalt; hier: Urkunden) bestimmt (RS0039255; RS0039347). Die Frage, wie ein bestimmtes (Antrags-)Begehren bzw das dazu erstattete Vorbringen zu verstehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0042828; RS0113563) und vermag somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu begründen, wenn dem Rekursgericht keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Diese Grundsätze gelten auch für das Grundbuchsverfahren (5 Ob 111/18m).
[14] 3.3. Die Einreihung von Urkunden zum Zweck, dass zu keiner Zeit bestimmte Superädifikate auf ihrem Grundstück bestanden hätten, so der Inhalt des Begehrens der Antragstellerin vom 26. 2. 2021, umfasst begrifflich auch den Umstand, dass im Zeitpunkt der Antragstellung keine solchen Objekte auf demselben Grundstück errichtet sind. Damit ist es aber nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht ihren nunmehrigen Antrag als Minus gegenüber dem bereits rechtskräftig abgewiesenen Begehren wertete und, weil auch die zur Begründung dieses Begehrens vorgelegten Urkunden gegenüber den mit dem ursprünglichen Antrag eingereichten Unterlagen ident sind, von einem Verstoß gegen die materielle Rechtskraft ausging.
[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)