OGH 8Ob114/22f

OGH8Ob114/22f27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei DI A* L*, vertreten durch Pflaum Karlberger Wiener Opetnik Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch Mag. Dr. Peter Döller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 237.085,43 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 128.868,28 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2022, GZ 4 R 109/21k‑196, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00114.22F.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Revision macht geltend, die mit insgesamt 30.240 EUR netto geltend gemachte Forderung für außervertragliche Zusatzleistungen der klagenden Partei sei entgegen der Auffassung der Vorinstanzen verjährt. Diese Leistungen hätten nach dem vereinbarten Terminplan bis längstens 14. 7. 2006 erbracht werden müssen. Eine Abrechnung hätte daher unverzüglich und nicht erst mit der im September 2009 gelegten Schlussrechnung erfolgen können. Das Berufungsgericht habe die ständige Rechtsprechung missachtet, dass durch eine verspätete Rechnungslegung der Verjährungsbeginn nicht beliebig hinausgezögert werden könne.

[2] Mit diesen Ausführungen zeigt die Revision keine über den Einzelfall hinaus erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[3] Wurde ein Werklohn nicht im Vorhinein fix vereinbart, so wird er nicht mit der Vollendung des Werkes, sondern erst mit der Rechnungszumittlung fällig, was allerdings innerhalb verkehrsüblicher Frist geschehen muss. Mit der Fälligkeit beginnt sodann der Lauf der Verjährungsfrist. Es lässt sich keine allgemein gültige Frist festlegen, nach deren Verstreichen die Verjährung jedenfalls beginnt (RIS‑Justiz RS0021887; RS0021821 [T15]). Ist der Werkvertrag noch nicht zur Gänze erfüllt, so ist als Beginn der verkehrsüblichen Rechnungslegungsfrist der Zeitpunkt anzunehmen, zu dem der Auftragnehmer aufgrund der Umstände des jeweiligen Falls erkennen konnte, dass der Auftraggeber das Werk bereits für vollendet hält oder die Vollendung offenbar nicht mehr will (6 Ob 236/15x; 4 Ob 166/18t).

[4] Die Streitteile haben im von der Revision zitierten Architektenvertrag insoweit keine Fristen für die (spätestens dann zu bewirkende) Rechnungslegung vereinbart.Die klagende Partei war nach Punkt 11.1 des Architektenvertrags berechtigt, aber nicht verpflichtet, Abschlagsrechnungen nach Leistungsfortschritt zu legen. Die Abrechnung aller bis dahin erbrachten und noch nicht durch Abschlag verrechneten Leistungen erfolgte durch Schlussrechnung innerhalb von drei Jahren nach dem Vertragsrücktritt der Beklagten. Innerhalb dieser Frist wurde auch die Klage eingebracht.

[5] Davon ausgehend steht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klagsforderung nicht verjährt ist, zur ständigen Rechtsprechung nicht in Widerspruch.

[6] 2. Ebenso wie neues Tatsachenvorbringen können auch neue Einreden rechtlicher Natur in der Revisionsinstanz nicht mehr vorgebracht werden, wenn die sie begründenden Tatsachen im Verfahren vor dem Erstgericht nicht erörtert wurden (RS0016446 [T6]; RS0016452; RS0016453).

[7] Das Neuerungsverbot erstreckt sich aber nicht auf Rechtsfragen, wenn die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden und keine ausdrückliche Vorschrift besteht, die es verbietet, ohne diesbezügliche Einwendung einer Partei auf diese Rechtsfrage einzugehen (RS0016473; vgl auch RS0041965 [T7]). Ob im Zweifel eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die als solche regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RS0042828).

[8] Das Berufungsgericht hat in seinem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang eine allfällige Sittenwidrigkeit des Punktes 16.6 des Architektenvertrags thematisiert. Daraufhin hat die klagende Partei im zweiten Rechtsgang unter Verweis auf die Aufhebungsentscheidung ergänzendesVorbringen erstattet, insbesondere dass die Beklagte die Zusammenarbeit mit dem Kläger geradezu boykottiert habe, weil sie die Ausführung des vereinbarten Projekts von Anfang an verhindern habe wollen. Wenn die Vorinstanzen dieses Vorbringen als (noch) ausreichende Grundlage für die rechtliche Prüfung dieser Vertragsbestimmung auf einen Verstoß gegen die guten Sitten behandelt haben, ist dies jedenfalls nicht unvertretbar.

[9] 3. Auch die weiteren Ausführungen der Revision zeigen keine über die Auslegung von Vertragsbestimmungen im Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS004298, § 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte