OGH 3Ob106/23v

OGH3Ob106/23v21.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Hawel-Eypeltauer-Gigleitner-Huber & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. R* GmbH & Co KG, und 2. R* GmbH, *, beide vertreten durch Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz, sowie deren Nebenintervenientin Ro*, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 66.543,69 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. April 2023, GZ 1 R 43/23h‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00106.23V.0621.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Rechtsstreits sind Schadenersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagten wegen steuerlicher Fehlberatung im Zusammenhang mit einer Umwandlung seines Unternehmens im Jahr 2010.

[2] Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO fest, dass das Klagebegehren nicht verjährt sei.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[4] Den beiden Beklagten gelingt es nicht, in ihrer außerordentlichen Revision dagegen eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.

[5] 1.1 Vergleichsgespräche führen nach ständiger Rechtsprechung zu einer Ablaufshemmung der Verjährung (RS0034518). Verhindert wird daher das „Zuendegehen“ der Verjährungsfrist (RS0034518 [T11]; RS0034450 [T3]; RS0034501 [T3, T10]). Für die Annahme von Vergleichsverhandlungen reicht es aus, dass der Gläubiger seine Ansprüche anmeldet und der Schuldner eine Stellungnahme abgibt, in der er den Anspruch nicht vollständig ablehnt (RS0034518 [T1, T5]; RS0034450 [T13]; vgl auch RS0066481; dazu auch Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 Vor §§ 1494–1496 ABGB Rz 7 mwN). Wesensmerkmal von Vergleichsverhandlungen ist die typische Bereitschaft des Schuldners zur einvernehmlichen außergerichtlichen Lösung der strittigen Fragen (RS0034565 [T2]).

[6] 1.2 Die Passivlegitimation der Beklagten steht außer Streit. Die damalige Steuerberaterin des Klägers (nun Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten und Rechtsvorgängerin der Erstbeklagten) teilte schon anlässlich einer Mitteilung des Finanzamts über nicht akzeptierte Verlustvorträge nach der gesellschaftsrechtlichen Umwandlung dem Kläger mit, dass er sich keine Sorgen machen müsse, weil sie haftpflichtversichert sei. Sie wies ihn nach den negativen erstinstanzlichen Bescheiden auf ihre Grundhaftpflichtversicherung und auch darauf hin, dass über die Versicherungssumme hinaus eine Exzendentenversicherung bestehe. Sie informierte den Kläger, dass sie den Schaden beiden Versicherungen gemeldet habe, dass sie aber den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens abwarten wolle. Nachdem (erst) im August 2021 die steuerrechtliche Entscheidung über nicht akzeptierte Verlustvorträge bestätigt worden war, zahlte die Haftpflichtversicherung die Versicherungssumme und der Kläger wendete sich mit seinen darüber hinausgehenden Ansprüchen aus der Fehlberatung im Oktober 2021 an die zweite Versicherung. Diese teilte seinem Vertreter schließlich (erst) am 11. April 2022 mit, dass die Forderung bereits verjährt sei. Das Berufungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger am 21. Juni 2022 gerichtlich geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht verjährt seien, weil bis zur Mitteilung der (zweiten) Versicherung vom 11. April 2022 die Schadenersatzansprüche des Klägers nie abgelehnt worden seien, sondern die Beteiligten eine einvernehmliche, außergerichtliche Einigung angestrebt hätten.

[7] 1.3 Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist keine „grobe Fehlbeurteilung“ darin zu erkennen, dass das Berufungsgericht angesichts der näher festgestellten Korrespondenz der Vertragsparteien und mit den beiden Versicherungen jeweils von Vergleichsgesprächen ausging und aus diesen eine Ablaufshemmung ableitete. Eine erhebliche Rechtsfrage in diesem Zusammenhang wird nicht aufgezeigt.

[8] 2. In der – von den Revisionswerbern mehrfach zitierten – Entscheidung 7 Ob 150/10z war die Frage zu klären, ob ein Verjährungsverzicht des Versicherers den Versicherungsnehmer bindet; Vergleichsgespräche mit dem Versicherer oder dem Schädiger selbst waren hingegen kein Thema. Aus der Entscheidung lässt sich daher für den Rechtsstandpunkt der Beklagten nichts gewinnen. Entgegen ihrer Ansicht stellt sich die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage des Umfangs einer Regulierungsvollmacht der (Haftpflicht-)Versicherung hier nicht, weil die maßgebliche Begründung nicht auf einen von der Haftpflichtversicherung abgegebenen Verjährungsverzicht, sondern insbesondere auf die dem Kläger gegenüber abgegebenen Erklärungen seiner Steuerberaterin gestützt ist. Die Beurteilung, dass dadurch eine Ablaufshemmung bewirkt wurde, ist jedenfalls vertretbar.

[9] 3.1 Eine Verjährungseinrede verstößt gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist. Dazu zählt nicht nur ein aktives Vorgehen des Schuldners, das den Gläubiger geradezu abhält, der Verjährung durch fristgerechte Einklagung vorzubeugen, sondern auch ein Verhalten des Schuldners, aufgrund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnte, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodass er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen hat (RS0014838 [T5, T7, T11]; RS0034537 [T1, T4, T8, T9]). Ob die Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben verstößt, ist im Einzelfall zu beurteilen und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0014838 [T15]).

[10] 3.2 Die Revisionswerber argumentieren, dem Kläger sei bewusst gewesen, „dass die Haftpflichtversicherungen über eine etwaige Entschädigung entscheiden“, weshalb kein Vertrauenstatbestand auf das Unterlassen einer Verjährungseinrede in Betracht komme. Damit übergehen sie allerdings die Feststellungen zu der vom Kläger mit der Steuerberaterin sowie mit den Versicherungen geführten Korrespondenz, die – wie erwähnt – jedenfalls vertretbar als Vergleichsgespräche qualifiziert werden kann.

[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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