European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00021.23A.0531.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Medieninhaberin und Veranstalterin eines TV-Senders, der terrestrisch, über Kabel und via Satellit verbreitet wird. Weiters ist sie Medieninhaberin und Veranstalterin eines Mediendienstes auf Abruf und einer Website.
[2] Die Beklagte ist Medieninhaberin von Tageszeitungen, die in Form von Kaufausgaben und Gratisausgaben vertrieben werden.
[3] Die Klägerin strahlte am 17. 11. 2021 eine Sendung mit dem titelgebenden Namen der Moderatorin eines vor November 2021 unter anderem Namen laufenden Sendungsformats aus. Nach der „Teletest“-Auswertung des Vereins Arbeitsgemeinschaft Teletest (AGTT) hatte diese Sendung in der Zielgruppe ERW 12+ Jahre eine Durchschnittsreichweite von 300 Zusehern und in der Zielgruppe ERW 12–49 Jahre eine Durchschnittsreichweite von null Zusehern. Auf der Webseite der Klägerin konnte die Sendung als Livestream mitverfolgt werden. Es kann nicht festgestellt werden, wie viele Personen wie lange die Sendung dort sahen. Es kann nicht festgestellt werden, wie viele Zuschauer die Sendung auf einem deutschen Fernsehsender hatte, auf dem die Sendung seit April 2021 ebenfalls ausgestrahlt wird. Die Sendung war auch auf Abruf verfügbar. Es kann nicht festgestellt werden, wie viele Personen die Sendung nach der Erstausstrahlung abriefen.
[4] Die Beklagte veröffentlichte am 19. 11. 2021 in ihren Tageszeitungen einen Beitrag über diese Sendung, der auszugsweise wie folgt lautete:
Quoten-Flop für ...
Peinlicher Start für TV-Talk
Nur 300 Zuseher Durchschnittsreichweite
In der werberelevanten Zielgruppe der 12- bis 49-jährigen weist Teletest … auf [dem Sender der Klägerin] sogar 0 Zuseher aus.
Total-Absturz. Quotenflop für das neue TV‑Format … auf …. Laut dem offiziellen Teletest schauten die neue Sendung am Mittwoch zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr nur 300 (!) Zuseher (Durchschnittsreichweite, 12+). Das entspricht einem Marktanteil von 0,01 %.
Null Seher. In der werberelevanten Zielgruppe der 12- bis 49-jährigen weist der Teletest ... sogar eine Quote von 0 Zusehern aus!
[5] Die Klägerin begehrte von der Beklagten, es zusammengefasst zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Fernsehsendungen der Klägerin weniger Zuseher zuzuschreiben, als diese tatsächlich gehabt haben, sowie die Veröffentlichung des Urteils, in eventu des Widerrufs. Die Beklagte habe bewusst nur die lineare Reichweite herangezogen, nicht aber die Abrufe über den Internet‑Stream. Dort sei die Sendung über 40.000‑mal abgerufen worden. Die falsche Tatsachenbehauptung der Beklagten verwirkliche den Tatbestand des § 7 Abs 1 UWG. Darüber hinaus liege eine sonstige unlautere Handlung nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG vor.
[6] Die Beklagte wendete ein, ihre Aussagen seien wahr und somit nicht rechtswidrig.
[7] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der maßgebliche Durchschnittsleser beziehe die beanstandete Aussage nur auf die lineare (terrestrische, kabel- oder satellitengebundene) Übertragung, nicht aber auf etwaige Internetnutzungen. Insofern liege keine Tatsachenbehauptung vor, die aufgrund der Weglassung aufklärender Umstände unrichtig sei.
[8] Die Klägerin macht mit ihrer außerordentlichen Revision geltend, der Durchschnittsleser einer Boulevardzeitung wisse nicht, was „Teletest“ sei, und gehe davon aus, dass unter „Zuseher“ nicht nur der klassische, sondern auch der Internet‑Live‑Stream‑Zuseher zu verstehen sei; er gehe davon aus, von der Beklagten alle relevanten Daten, und damit auch solche zum Streaming dargelegt zu bekommen.
Rechtliche Beurteilung
[9] Damit zeigt die Klägerin keine erheblichen Rechtsfragen auf; die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.
[10] 1.1. Ankündigungen dürfen nicht zergliedernd betrachtet werden; vielmehr muss darauf abgestellt werden, welchen Gesamteindruck der Durchschnittsinteressent bei flüchtiger Betrachtung erhält (RS0078948).
[11] 1.2. Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck an, die die inkriminierten Äußerungen hinterlassen. Hiefür ist auf den maßgeblichen Gesichtspunkt des verständigen Erklärungsadressaten abzustellen (RS0032489 [T4]).
[12] 1.3. Bei der Ermittlung der Verkehrsauffassung ist ein durchschnittlicher Maßstab anzulegen, entscheidend kann immer nur jene Bedeutung der Angabe sein, die sich beim flüchtigen Lesen ergibt, hierbei kommt es immer auf den Gesamteindruck der Mitteilung an (RS0078524).
[13] 1.4. Maßgebend ist der Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit (RS0078524 [T9]).
[14] 2.1. Nach § 7 UWG trägt der Beklagte die Beweislast für die Wahrheit seiner Mitteilung (RS0079738 [T3]). Der Wahrheitsbeweis ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS0079738 [T5]; RS0079693).
[15] 2.2. Im vorliegenden Fall lautet die beanstandete Werbemitteilung der Beklagten dahin, dass der TV‑Sender der Klägerin laut Teletest eine bestimmte Anzahl von Zusehern gehabt habe. Der von einer dritten Organisation erstellte Teletest umfasst ausschließlich die lineare Übertragung. Andere Übertragungsarten wie etwa Internetstreaming werden von diesem Test nicht umfasst. Von welcher Anzahl an Zusehern die Sendung allenfalls über Live‑Streaming verfolgt wurde, ist auch nicht bekannt.
[16] 2.3. Die Vorinstanzen haben auf Basis dieser Sachlage das Vorliegen einer unwahren Tatsachenbehauptung vertretbar verneint. Die Beklagte bezog sich in der beanstandeten Äußerung ausdrücklich auf den Teletest, der keine anderen als lineare Übertragungen misst. Somit ist die beanstandete Äußerung prima vista wahr. Eine Unwahrheit durch Weglassung aufklärender Umstände (vgl RS0031675) ist schon deshalb zu verneinen, weil Aufrufzahlen über das Live-Streaming nicht greifbar waren und dem Durchschnittsleser ohnehin bekannt ist, dass zunächst linear ausgestrahlte Sendungen vielfach „on demand“, also auf Abruf (wann immer) verfügbar sind. Es ist daher – hier ebenso wie im Verfahren zu 4 Ob 234/23y, auf das sich die vorliegende Revision bezieht – nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis kam, dass der Leser damit in der Lage sei, zwischen Zuschauerzahlen laut „Teletest“ und Aufrufzahlen eines Abrufdienstes zu unterscheiden.
[17] 2.4. Da erwiesen ist, dass die beanstandete Aussage zutrifft, wonach die Sendung je nach Zielgruppe durchschnittlich 300 bzw Null Fernseh‑Zuseher laut Teletest gehabt habe, wurde der Inhalt der beanstandeten Mitteilung der Beklagten im Wesentlichen bestätigt und ist die Beklagte somit ihrer Beweispflicht nachgekommen (vgl RS0079738 [T5]; RS0079693); die Beweispflicht für ein (von der Klägerin behauptetes) Mehr an Zusehern träfe gemäß der allgemeinen Beweislastregel, wonach grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat (RS0037797), die Klägerin selbst.
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