European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00034.23F.0525.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Ersturteil einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.194,72 EUR (darin enthalten 199,12 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und die mit 717,84 EUR (darin enthalten 119,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist selbständiger Taxiunternehmer und seit 2009 Mitglied des beklagten Vereins. Von der Generalversammlung des Vereins wurde er am 2. 7. 2020 als eines der sechs Vorstandsmitglieder in den Vereinsvorstand gewählt.
[2] Die Statuten des Beklagten in der Fassung September 2019 sehen unter anderem Folgendes vor:
„ § 7 Beendigung der Mitgliedschaft
(1) Die aktive und inaktive Mitgliedschaft wird beendet:
[…]
f/ Durch Ausschluß. Dieser kann durch den Vorstand aus disziplinären Gründen, wegen gröblicher Verletzung der Mitgliedspflichten, wegen ehrenwidrigem, statutenwidrigem oder vereinsschädigendem Verhalten verfügt werden.
g/ Gegen die Streichung bzw. den Ausschluß ist binnen 14 Tagen ab Zustellung des diesbezüglichen Verständigungsschreibens ein schriftlicher und begründeter Einspruch an die ordentliche Generalversammlung zulässig. […]
[…]
§ 8 Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder
[…]
(2) Aktiven Mitgliedern ist vorbehalten:
[…]
c/ das aktive und passive Wahlrecht auszuüben, wobei das passive Wahlrecht auf physische Mitglieder beschränkt ist;
[…]
§ 9 Organe des Vereins
Organe des Vereins sind:
* die Generalversammlung,
* der Vereinsvorstand,
* das Kontrollorgan und
* das Vereinsschiedsgericht.
§ 10 Gemeinsame Bestimmungen für die Vereinsorgane
[…]
(8) Wahl der Vereinsorgane:
a/ Sämtliche Organe werden von der Generalversammlung in geheimer und schriftlicher Wahl (ausgenommen Kontrollorgan) mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Die Wahlleitung obliegt dem Obmann/der Obfrau.
[…]
(9) Enthebung einzelner Organe bzw. einzelner Funktionäre:
Die Generalversammlung ist berechtigt, einzelne Organe bzw. einzelne Funktionäre nach gesetzes-, statuten-, ehr- bzw. sittenwidrigem Verhalten analog den Wahlen der Vereinsorgane ihrer Funktion zu entheben.
[…]
§ 11 Die Generalversammlung und ihr Aufgabenbereich
[…]
(3) Die Einberufung der Generalversammlung hat der Vorstand durch schriftliche Einladung aller Vereinsmitglieder vorzunehmen. […]
[…]
(9) Der Generalversammlung sind die nachfolgenden Aufgaben vorbehalten:
[…]
b/ Wahl, Entlastung und Enthebung der Organe bzw. einzelner Funktionäre.
[…]
f/ Entscheidungen über Berufungen gegen die Streichung bzw. den Ausschluß.
[…]
§ 12 Der Vereinsvorstand und sein Aufgabenbereich
[…]
(13) Der Aufgabenbereich des Vorstandes umfaßt die Besorgung aller Vereinsangelegenheiten, welche nicht der Generalversammlung vorbehalten oder anderen Vereinsorganen zugewiesen sind. Insbesondere kommen dem Vorstand folgende Aufgabenbereiche zu:
[…]
g/ Streichung bzw. Ausschluß des Vereinsmitgliedes gemäß § 7.
[…]
§ 15 Das Vereinsschiedsgericht
(1) In allen Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis entscheidet das Vereinsschiedsgericht. Ausgenommen hiervon ist der Ausschluß oder die Streichung eines Mitglieds.
[…]“
[3] Die ordentliche Vorstandssitzung am 20. 5. 2021 enthielt folgenden Tagesordnungspunkt 3.:
„Ausschluss des Mitgliedes [Name des Klägers] nach Grundlage der Statuten § 7 Abs. f/ und sofortiger Enthebung von der Position eines Vorstandsmitglieds.“
[4] Der Kläger sah die Tagesordnung erstmals unmittelbar vor Beginn der Sitzung auf den Plätzen im Sitzungsraum der Zentrale des Beklagten liegen und war über diesen Tagesordnungspunkt sehr überrascht; davor hatte er davon nichts gewusst. Ihm wurden neun Ausschließungsgründe, die sich als Verstöße gegen die Vereinsstatuten und verschiedene vereinsschädigende Handlungen zusammenfassen lassen, vorgehalten.
[5] Die Sitzung war emotional behaftet und artete in Wortgefechte aus. Über den Tagesordnungspunkt 3. stimmten von den sechs Vorstandsmitgliedern, wovon einer der Kläger war, fünf ab. Für den Ausschluss und die Enthebung des Klägers stimmten drei bei einer Gegenstimme, sodass der Ausschluss und die Enthebung mehrheitlich beschlossen war.
[6] Mit Schreiben vom 26. 5. 2021 teilte der Beklagte dem Kläger seinen Ausschluss nach § 7 Abs 1 lit f der Statuten nochmals mit.
[7] Mit Schreiben vom 7. 6. 2021 erhob der Kläger Einspruch gegen den Vereinsausschluss an die Generalversammlung.
[8] Mit Schreiben vom 24. 6. 2021 teilte der Beklagte dem Kläger die Einberufung einer Generalversammlung für den 7. 7. 2021 sowie den Umstand mit, dass dort als Punkt 7. um zirka 15:25 Uhr seine Berufung zur Abstimmung gelangen werde. Die die Tagesordnung enthaltende Einladung zu dieser außerordentlichen Generalversammlung wurde dem Kläger vom Beklagten nicht zugesendet; sie wurde dem Kläger nur von einem Kollegen „zugespielt“.
[9] Bei dieser Generalversammlung wurde dem Kläger vor der Behandlung des ihn betreffenden Tagesordnungspunkts eine fünfminütige Redezeit eingeräumt, die letztlich auf sieben Minuten erstreckt wurde. Dieser Zeitraum reichte ihm nicht annähernd aus, um zu den für ihn weiterhin nicht näher konkretisierten Vorwürfen sinnhaft Stellung zu nehmen. Bei der dann folgenden Abstimmung per Handzeichen über den Einspruch des Klägers gegen seinen Ausschluss als Vereinsmitgliedwurde dem Einspruch nicht gefolgt, sodass es beim Ausschluss des Klägers blieb.
[10] Mit Schreiben vom 3. 9. 2021 beantragte der Kläger die Einberufung des Vereinsschiedsgerichts. Dieser Antrag wurde unter Berufung auf § 15 Abs 1 der Statuten wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.
[11] Der Kläger stellte mit der am 21. 10. 2021 eingebrachten Klage das zuletzt folgendermaßen formulierte Begehren:
„1. Es wird mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, dass auf Grund der Nichtigkeit, in eventu der Anfechtung der Beschlussfassung der Organe der beklagten Partei die Mitgliedschaft von R* B* vom [gemeint: im; Anm] Vorstand des Vereins S* über den 20.05.2021 hinaus fortbesteht und dieser, da mangels einer Vakanz seines Vorstandssitzes keine rechtmäßige Nachbesetzung dieses Vorstandssitzes erfolgte, sämtliche aus der Vorstandsmitgliedschaft zustehenden Rechte auszuüben berechtigt ist;
in eventu
2. Es wird mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, dass auf Grund der Nichtigkeit, in eventu wegen der Anfechtung der Beschlussfassung der Organe der beklagten Partei die Mitgliedschaft von R* B* im Verein S* über den 20.05.2021 hinaus fortbesteht und dieser sämtliche aus der Mitgliedschaft zustehenden Rechte auszuüben berechtigt ist.“
[12] Der Kläger brachte vor, er sei bei der Vorstandssitzung am 20. 5. 2021 überrumpelt worden und habe keine Möglichkeit gehabt, sich dazu zu äußern. Ihm sei dadurch das rechtliche Gehör verweigert worden. Da er ein Vorstandsmitglied sei, hätte der Vereinsausschluss von jenem Organ beschlossen werden müssen, das ihn zumVorstandsmitglied bestellt habe, dies sei die Generalversammlung. Der ihn betreffende Vorstandsbeschluss vom 20. 5. 2021 sei daher von einem unzuständigen Organ gefasst worden und somit nichtig. Seine Abwahl (als Vorstandsmitglied) sei auch in der Generalversammlung vom 7. 7. 2021 nicht erfolgt, dort sei nur über die Richtigkeit einer Entscheidung des Vorstands mittels Handzeichen abgestimmt worden. Der Kläger habe zwar auch das Wort erhalten, um sich zu den nach wie vor unbestimmten Vorwürfen äußern zu können. Ihm sei aber schon nach fünf Minuten das Wort entzogen worden, sodass er angesichts der Kürze weder die Vorwürfe hinterfragen noch dazu ausreichend Stellung nehmen habe können. Überdies sei es rechtswidrig, wenn dem Kläger erst in der zweiten Instanz die Möglichkeit eingeräumt werde, eine entsprechende Stellungnahme abzugeben.
[13] Der beklagte Verein wendete ein, allen Vorstandsmitgliedern, somit auch dem Kläger, sei vor Beginn der Vorstandssitzung vom 20. 5. 2021 die Tagesordnung bekannt gewesen. Der Kläger habe sowohl in der Vorstandssitzung als auch in der Generalversammlung vom 7. 7. 2021 umfangreich argumentiert. Die Statuten des Beklagten sähen für Ausschlüsse von aktiven Vereinsmitgliedern als die in § 8 VerG vorgeschriebene „Schlichtungseinrichtung“ die Generalversammlung vor. Die Grundsätze des fair trials im Sinn des Art 6 EMRK seien sowohl im „Vereinsverfahren erster Instanz als auch jenem zweiter Instanz“ eingehalten worden. Der Ausschluss des Klägers sei statutenkonform in einem zweitinstanzlichen Verfahren ausgesprochen bzw bestätigt worden. Auch für den Kläger könne die Generalversammlung nicht als erste Instanz tätig sein, zumal er sich diesfalls einer Instanz beraubte. Ein Nichtmitglied könne nicht Funktionär des beklagten Vereins sein, zumal nach § 8 Abs 2 lit c der Statuten das passive Wahlrecht den aktiven Mitgliedern vorbehalten sei. Daher ende eine Funktionärseigenschaft automatisch mit Beendigung der aktiven Mitgliedschaft.
[14] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es den Spruch folgendermaßen formulierte:
„Es wird mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, dass der vom Vorstand am 20.05.2021 gefasste Beschluss betreffs 'Ausschluss des Mitgliedes R* B*, nach Grundlage der Statuten § 7 Abs f/ und sofortiger Enthebung von der Position als Vorstandsmitglied vom Verein S*', und der von der außerordentlichen Generalversammlung am 07.07.2021 gefasste diesbezüglich bestätigende Beschluss nichtig sind.“
[15] Das Berufungsgericht hob über Berufung des Beklagten dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
[16] Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, die Statuten des Beklagten zielten darauf ab, die Zusammensetzung des Vorstands grundsätzlich stets einer Willensbildung der Generalversammlung zu unterziehen. Nach der Entscheidung 6 Ob 168/18a würde diese Kompetenz der Generalversammlung unterlaufen, wenn ein von ihr gewähltes Mitglied durch das Leitungsorgan wieder enthoben werden könnte. Dies treffe auch im vorliegenden Fall zu, wenn ein von der Generalversammlung gewähltes Vorstandsmitglied durch eine Mehrheit im Vorstand aus dem Verein ausgeschlossen werden könnte und die Mitgliedschaft im Vorstand zugleich von der Mitgliedschaft im Verein abhängig sei. Der Ausschluss des Klägers aus dem beklagten Verein durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder und die damit zugleich verbundene Enthebung als Vorstandsmitglied seisomit nichtig, weil dieser Beschluss nicht von der Mitgliederversammlung als in diesem Fall zuständigem Vereinsorgan gefasst worden sei. Eine Heilung nichtiger Beschlüsse sei im VerG nicht vorgesehen. Nach einer Lehrmeinung bestehe die einzige Möglichkeit der „Heilung“ darin, dass das zuständige Organ den Beschluss dadurch erneuere, dass es ihn formal und inhaltlich einwandfrei fasse. Von einer derartigen Beschlussfassung könne durch die entsprechende Abstimmung in der Generalversammlung allerdings nicht ausgegangen werden, weil es einen Unterschied mache, ob die Mitgliederversammlung über die Berechtigung einzelner Ausschließungsgründe berate und deren Vorliegen und damit den Vereinsausschluss mit Mehrheit bejahe oder ob durch eine Mehrheit lediglich eine vorangehende Entscheidung des Vorstands aufgrund eines Einspruchs bzw einer Berufung dagegen mit Mehrheit gebilligt werde.
[17] Im Weiteren beanstandete das Berufungsgericht die Formulierung des Klagebegehrens. Ein Gericht dürfe zwar dem Urteilsspruch eine klare und deutlichere, vom Begehren allenfalls sogar abweichende Fassung geben, falls sich diese im Wesentlichen mit dem Begehren decke, wobei auch das erkennbare Rechtsschutzziel der Klage zu beachten sei. Das Klagebegehren sei hier aber unbestimmt. Welches Ziel der Kläger mit ihm verfolge, ob er die Anfechtung einer Beschlussfassung anstrebe oder die Nichtigkeit eines Beschlusses auszusprechen begehre und welche Beschlüsse welcher Organe betroffen sein sollen bleibe letztlich vollkommen unbestimmt. Ein Rechtsschutzziel sei nicht wirklich eindeutig erkennbar. Soweit das Erstgericht dem Klagebegehren einen Sinn zu geben versuche, verlasse es nach Ansicht des Berufungsgerichts die Grenzen der zulässigen Präzisierung des Urteilsspruchs. Die Formulierung des Erstgerichts sei nach Ansicht des Berufungsgerichts zu weit vom ausformulierten Begehren des Klägers entfernt, als dass eine einseitig vom Gericht vorgenommene Neuformulierung zulässig wäre. Problematisch scheine in diesem Zusammenhang, dass das Erstgericht im Ergebnis ohne Erörterung im erstinstanzlichen Verfahren dem noch dazu anwaltlich vertretenen Kläger zu einer sinnvollen Formulierung seines Begehrens verhelfe, dem das Erstgericht dann auch gleich stattgebe. Dies führe zur Aufhebung der Entscheidung, um dem Kläger Gelegenheit zu einer schlüssigen Formulierung des Begehrens zu geben. Anlässlich dieser Ergänzung werde dem Beklagten Gelegenheit zu geben sein, zum neu ausformulierten Begehren Vorbringen zu erstatten.
[18] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zu, weil den behandelten Rechtsfragen die in § 502 Abs 1 ZPO genannte Bedeutung zukomme. Dies gelte nicht nur für die Frage der Zuständigkeit der Mitgliederversammlung, wenn ein Vorstandsmitglied als Vereinsmitglied ausgeschlossen werden soll, sondern auch besonders für die verfahrensrechtliche Frage der Grenzen der eigenmächtigen Präzisierung eines Begehrens durch das Erstgericht.
[19] Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten mit einem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[20] Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels, hilfsweise ihm den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[21] Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage bei Ausschluss eines Vereinsmitglieds, welches Mitglied im Vereinsvorstand ist, zulässig.
[22] Der Rekurs des Beklagten ist im Sinne einer Abänderung des Aufhebungsbeschlusses auch berechtigt. Dabei kann der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist, wobei diese Entscheidung auch zum Nachteil des Rekurswerbers ausfallen kann. Eine derartige Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot (RS0043853; RS0043939).
[23] Der Rekurswerber tritt der Rechtsansicht des Berufungsgerichts entgegen, der Ausschluss des Klägers sei nicht gesetzes- bzw statutenkonform erfolgt. Hinsichtlich der Frage eines Verfahrensfehlers des Erstgerichts bei Fassung des Urteilsspruchs tritt der Rekurswerber der Rechtsansicht des Berufungsgerichts bei. In beiderlei Hinsicht befindet sich der Rekurswerber nicht im Recht:
[24] Der Oberste Gerichtshof hat in seiner – den Ausschluss eines anderen Vorstandsmitglieds des Beklagten in der Vorstandssitzung vom 20. 5. 2021 und dessen Bestätigung gleichfalls durch die Generalversammlung des Beklagten vom 7. 7. 2021 betreffenden – Entscheidung vom 16. 5. 2023, 2 Ob 25/23z, Folgendes ausgeführt:
„1. Zulässigkeit des Rechtswegs
1.1. Nach § 8 Abs 1 VerG haben die Statuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen.
1.2. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Mitglieds aus dem Verein oder über das Weiterbestehen von Mitgliedschaftsrechten fallen unter das zwingende vereinsinterne Schlichtungsverfahren (RS0122427). Dasselbe gilt ebenso für die hier auch gegenständliche Frage der Zugehörigkeit des Klägers zum Vorstand des Beklagten (vgl 7 Ob 139/07b).
1.3. Die Schlichtungseinrichtung iSd § 8 VerG strebt eine außergerichtliche Beilegung von Vereinsstreitigkeiten an (Pondorfer in Schopper/Weilinger, VereinsG § 8 Rz 1 mwN). Demgemäß ist die Schlichtungseinrichtung zur Beilegung bzw Schlichtung der rechtlichen als auch bloßen Vereinsstreitigkeiten berufen (Pondorfer aaO Rz 53) und erstattet in Vereinsrechtsstreitigkeiten einen Schlichtungsvorschlag, der den Streitparteien zur Konfliktlösung vorgeschlagen wird (Pondorfer aaO Rz 54).
1.4. Zur Ansicht des Beklagten, für Ausschlüsse von aktiven Vereinsmitgliedern sei die Generalversammlung gemäß § 11 Abs 9 lit f der Statuten die Schlichtungseinrichtung iSd § 8 Abs 1 VerG, wurde Folgendes erwogen:
1.4.1. Höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Mitgliederversammlung gleichzeitig Schlichtungseinrichtung iSd § 8 VerG sein kann, ist nicht vorhanden.
1.4.2. Im Schrifttum finden sich folgende Stellungnahmen:
Walch in Schopper/Weilinger, VereinsG § 5 Rz 21, führt aus, es sei zulässig, einem Vereinsorgan die Rolle als Schlichtungseinrichtung zuzuweisen (zB Beirat, Aufsichtsorgan). Es sei nicht ausgeschlossen, das Leitungsorgan als Schlichtungseinrichtung vorzusehen.
Zur Frage, ob auch die Mitgliederversammlung Schlichtungseinrichtung sein könne, äußert er sich nicht ausdrücklich.
Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine 6 (2019) 269, vertreten (ohne weitergehende Begründung) die Ansicht, für die Schlichtungseinrichtung könne ein gesondertes Organ geschaffen werden, die Aufgabe der Streitschlichtung könne einem bereits bestehenden Organ (etwa der Generalversammlung) übertragen werden.
Hargassner, Handbuch für Vereinsfunktionäre 4 (2021) 43 f, führt dagegen aus, eine Schlichtungseinrichtung sei nicht die Mitgliederversammlung, die nach vielen Vereinsstatuten mit einem Rechtsmittel gegen den Vereinsausschluss angerufen werden könne. Hier könne von einer paritätischen Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums keine Rede sein, denn die Mitgliederversammlung sei das wichtigste Organ des Vereins, der (durch ein anderes Organ) das Mitglied aus dem Verein ausgeschlossen habe, also genau genommen der Konfliktgegner des ausgeschlossenen Mitglieds. Sei die Mitgliederversammlung nach den Statuten dazu berufen, über ein Rechtsmittel des Mitglieds gegen dessen Vereinsausschluss zu entscheiden, handle es sich um einen vereinsinternen Rechtszug.
1.4.3. Der Senat hält die Argumente Hargassners für überzeugend und führt folgende weitere Erwägungen ins Treffen: Die Mitgliederversammlung dient nach § 5 Abs 1 VerG der gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder. Mit dieser Kompetenzzuweisung unterscheidet sich die Mitgliederversammlung grundlegend von der in § 8 VerG definierten Schlichtungseinrichtung hinsichtlich Zusammensetzung, Zweck und Funktion. Die Willensbildung in der Mitgliederversammlung erfolgt regelmäßig durch Abstimmung der Vereinsmitglieder. Wie dabei die Mitgliederversammlung der der Schlichtungseinrichtung obliegenden Pflicht, die Streitschlichtung zu versuchen, nachkommen können sollte, ist unerfindlich: Die Abstimmung kann zwar eine Entscheidung herbeiführen, kann aber den der Schlichtungseinrichtung aufgetragenen Schlichtungsvorschlag (vgl oben 1.3.) nicht ersetzen und insoweit nicht zur gütlichen Streitschlichtung beitragen. Die Mitgliederversammlung ist somit nicht geeignet, die Aufgaben der Schlichtungseinrichtung wahrzunehmen.
1.4.4. Zusammenfassend wird somit festgehalten:
Die Mitgliederversammlung eines Vereins kann in den Statuten nicht als Schlichtungseinrichtung iSd § 8 VerG vorgesehen werden.
1.5. Da – wie ausgeführt (1.2.) – die hier zu beurteilende Mitgliedschaft des Klägers im beklagten Verein und dessen Vorstand Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis sind, die Generalversammlung (als Mitgliederversammlung) als Schlichtungseinrichtung dafür ausscheidet und die Statuten im Vereinsschiedsgericht eine Schlichtungs-einrichtung vorsehen, erweist sich § 15 Abs 1 Satz 2 der Statuten, wonach das Vereinsschiedsgericht für den Ausschluss oder die Streichung eines Mitglieds nicht zuständig ist, als gegen § 8 Abs 1 VerG verstoßend und somit als gesetzwidrig: Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich eine Einschränkung der Zuständigkeit der Streitschlichtungs-stelle auf bestimmte Vereinsangelegenheiten nicht zulässig (6 Ob 280/08g; 5 Ob 251/15w Pkt 4 ua; RS0119982 [T12]).
1.6. Gesetzwidrige Vereinsstatuten oder einzelne Bestimmungen derselben können nach ständiger Rechtsprechung nichtig gemäß § 879 ABGB sein (6 Ob 47/59; RS0024792; RS0094154; vgl auch RS0009062). Ob Nichtigkeit vorliegt, ist nach dem Zweck der Verbotsnorm zu beurteilen (vgl RS0016417). Nichtigkeit liegt ua beim Verstoß gegen ein Gesetz, das dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit dient, vor (RS0016432 [T1]). Die verpflichtende Einrichtung und Befassung einer vereinsinternen Schlichtungseinrichtung nach § 8 VerG bezweckt vor allem, die ordentlichen Gerichte von Prozessen in Vereinssachen zu entlasten (7 Ob 139/07b; Pondorfer aaO Rz 5 mwN). Dabei handelt es sich um ein Allgemeininteresse. § 15 Abs 1 Satz 2 der Statuten, wonach das Vereinsschiedsgericht für den Ausschluss oder die Streichung eines Mitglieds nicht zuständig ist, ist daher nichtig. Das Vereinsschied sgericht hätte sich daher nicht unter Berufung auf diese Bestimmung der Statuten für unzuständig erklären dürfen.
1.7. Dessen ungeachtet führte diese Entscheidung durch das Vereinsschiedsgericht dazu, dass das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung im Sinn von § 8 Abs 1 Satz 2 VerG beendet wurde. Der Kläger hat damit die Verpflichtung des § 8 Abs 1 VerG, wonach bei sonstiger Unzulässigkeit des Rechtswegs zunächst die vereinsinterne Schlichtungsstelle anzurufen ist (RS0124983), erfüllt. Aus dem Gesetz lässt sich nicht ableiten, dass bei einer zurückweisenden Entscheidung durch die Schlichtungseinrichtung die Klage erst sechs Monate nach Ablauf des Schlichtungsantrags eingebracht werden darf. Ein solches Abwarten wäre mit Hinblick auf die schon getroffene Endentscheidung sinnlos und für den Kläger unzumutbar. In Fällen der Unzumutbarkeit der Anrufung einer Schlichtungsstelle steht der Klageweg nach der Rechtsprechung ohne weitere Mitwirkung, sogar ohne Anrufung der Schlichtungseinrichtung offen (RS0122426 [T10]; RS0045572 [T12]). Umso mehr muss es einer klagenden Partei, deren Schlichtungsversuch von der Schlichtungsstelle zurückgewiesen wurde, möglich sein, die Klage vor Ablauf der 6-Monatsfrist einzubringen. Der Klage stand daher schon von Anfang an das temporäre Hindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 8 Abs 1 VerG nicht entgegen.
2. [...]
3. Kläger als Mitglied des Vereins und des Vorstands
3.1. Nach den Statuten (§ 8 Abs 2 lit c) des Beklagten sind nur Vereinsmitglieder passiv (somit auch für Organfunktionen) wahlberechtigt. Damit stellt sich hier die schon vom Berufungsgericht formulierte Frage, ob der dafür an sich zuständige Vorstand (§ 7 Abs 1 lit f der Statuten) auch dann den Ausschluss eines Vereinsmitglieds beschließen kann, wenn dieses eine Organfunktion innehat, weil dann mit dem Ausschluss aus dem Verein auch der Verlust der Organfunktion verbunden wäre und somit der Vorstand in die nach § 10 Abs 9 der Statuten der Generalversammlung zustehende Kompetenz zur Enthebung von Organfunktionären eingriffe.
3.2. Rechtsprechung
Die Entscheidung 6 Ob 168/18a sprach aus, Akte eines Organs könnten grundsätzlich nur von diesem selbst widerrufen werden. Dort zielten die Statuten objektiv darauf ab, die Zusammensetzung des Präsidiums grundsätzlich stets einer Willensbildung der Generalversammlung zu unterziehen. Der Oberste Gerichtshof kam daher zum Ergebnis, dass der Beschluss des Präsidiums über die Abberufung des Klägers als Mitglied des Präsidiums des beklagten Vereins von einem dafür nicht zuständigen Vereinsorgan gefasst worden sei. Der Beschluss durch ein unzuständiges Vereinsorgan sei nichtig iSv § 7 VerG.
Zu der hier vorliegenden Sonderkonstellation ist höchstgerichtliche Judikatur – soweit ersichtlich – nicht vorhanden.
3.3. Schrifttum
Walch in Schopper/Weilinger, VereinsG § 5 Rz 354, vertritt die Ansicht, das Ende der Vereinsmitgliedschaft führe nicht zum Ende der Mitgliedschaft in einem Vereinsorgan. Dies folge daraus, dass eine Vereinsmitgliedschaft keine Bestellungsvoraussetzung sei. Sofern die Statuten vorsähen, dass nur Vereinsmitglieder bestellt werden können, komme ein automatisches Erlöschen oder wohl eher eine Möglichkeit zur Abberufung aus wichtigem Grund in Betracht.
Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine 6 167 f, führen aus, sei die Vereinsmitgliedschaft Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Leitungsorgan, so bewirke der Verlust der Vereinsmitgliedschaft grundsätzlich auch das Ausscheiden aus dem Leitungsorgan. […] Die Pointe einer solchen Vorgangsweise liege darin, dass für den Ausschluss eines Mitglieds in aller Regel ein anderes Organ (das Leitungsorgan) zuständig sei als für die Abwahl als Vorstandsmitglied (dies sei grundsätzlich die Mitgliederversammlung als jenes Organ, das dieses Organmitglied gewählt habe). Sofern aber die Statuten für den Ausschluss eines solchen Mitglieds keine Sonderregeln vorsähen, bestehe kein Grund dafür, dass Voraussetzung eines Ausschlusses der vorangehende Verlust der Funktion sein müsse. Mit einer derart schematischen Betrachtungsweise ließe sich aber ein Machtkampf an der Spitze ganz wunderbar austragen: Die Mehrheit im Vorstand wolle eine Minderheit (oder auch nur ein einzelnes Vorstandsmitglied) loswerden, suche daher einen halbwegs brauchbaren Vorwand für einen Vereinsausschluss des oder der Betreffenden, und schon wäre man die unliebsamen Vorstandsmitglieder los. Das hieße allerdings, den Willen der Mehrheit der Vereinsmitglieder, die die Betreffenden in ihr Amt gewählt haben, zu ignorieren – und das gehe nicht. Es bleibe nur, eine Mitgliederversammlung einzuberufen und dort die Abwahl auf die Tagesordnung zu setzen.
Hargassner, Handbuch für Vereinsfunktionäre 4 42, meint, wenn die ausgeschlossene Person Mitglied des Vorstands […] sei, wäre es zumindest strittig, ob sie noch zur weiteren Ausübung der Funktion verpflichtet wäre, in die sie gewählt worden sei. Daraus ergebe sich, dass der Vorstand solche Personen nicht aus dem Verein ausschließen könne. Er könne nur an die Mitgliederversammlung den Antrag stellen, eine solche Person ihrer Funktion zu entheben. Wenn es dann zu einer Enthebung komme, könnte allenfalls die Mitgliederversammlung selber über einen Vereinsausschluss entscheiden.
3.4. Der erkennende Senat hält die Erwägungen von Höhne/Jöchl/Lummerstorfer und Hargassner (vgl auch BGH 6. 2. 1984, II ZR 119/83 BGHZ 90, 92) für überzeugend. Somit ist festzuhalten:
Sehen die Vereinsstatuten vor, dass die von der Mitgliederversammlung zu bestellenden und abzuberufenden Organmitglieder Vereinsmitglieder sein müssen, so kann der an sich für den Ausschluss von Vereinsmitgliedern zuständige Vereinsvorstand ein Organmitglied als Vereinsmitglied so lange nicht ausschließen, als nicht die Mitgliederversammlung das Organmitglied aus dieser Stellung abberufen hat.
3.5. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes:
3.5.1. Der in der Vorstandssitzung vom 20. 5. 2021 beschlossene Ausschluss des Klägers aus dem Verein (als Vereinsmitglied) ist unwirksam.
3.5.2. Daraus folgt, dass der Kläger mit dieser Beschlussfassung auch nicht aus der Position eines Vorstandsmitglieds enthoben werden konnte, zumal dafür der Vorstand das unzuständige Organ ist (vgl 6 Ob 168/18a).
3.5.3. Deshalb geht auch die Beschlussfassung der Generalversammlung vom 7. 7. 2021 betreffend den Vereinsausschluss des Klägers ins Leere, weil ein rechtswirksamer Ausschluss, über den die Generalversammlung nach § 11 Abs 9 lit f der Statuten entscheiden hätte können, nicht vorlag. Die Beschlussfassung der Generalversammlung kann nicht in eine Abstimmung über die Enthebung des Klägers aus dem Vorstand (nach § 10 Abs 9 der Statuten) umgedeutet werden, weil dies nicht der Tagesordnung und dem Abstimmungsgegenstand entsprach. Eine Wirksamkeit des Generalversammlungsbeschlusses scheitert auch daran, dass mit der dem Kläger bloß fünf Minuten gewährten Redezeit sein rechtliches Gehör verletzt wurde und somit ein faires Verfahren nicht gegeben war. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs bei Beschlüssen von Vereinsorganen bewirkt Nichtigkeit des Beschlusses nach § 7 VerG (1 Ob 137/06p; 4 Ob 150/07y; 4 Ob 109/15f; Fuhrmann in Schopper/Weilinger, VereinsG § 7 Rz 14, 21).
4. Da somit weder die Beschlussfassung des Vorstands vom 20. 5. 2021 noch diejenige der Generalversammlung vom 7. 7. 2021 wirksam war, ist der Kläger nach wie vor Mitglied des beklagten Vereins und dessen Vorstands, [...]“
[25] Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung, die auf den vorliegenden Fall zur Gänze übertragbar ist (dass im vorliegenden Fall dem Kläger im Ergebnis nicht fünf, sondern sieben Minuten zur Verfügung standen, seine Position der Generalversammlung vorzutragen, ist der einzige, aber nicht ins Gewicht fallende Unterschied), an. Sowohl der Beschluss des Vorstands des Beklagten vom 20. 5. 2021 als auch die dem Einspruch des Klägers nicht Folge gebende Entscheidung der Generalversammlung vom 7. 7. 2021 sind unwirksam. Die die Nichtigkeit beider Beschlüsse feststellende Entscheidung des Erstgerichts ist daher materiell-rechtlich richtig.
[26] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat das Erstgericht bei Fassung seines Urteilsspruchs auch seine Kompetenz nicht überschritten.
[27] Nach ständiger Rechtsprechung kann das Gericht dem Urteilsspruch eine klarere und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung geben, falls sich diese im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RS0039357). Dabei ist nicht nur der Wortlaut des Begehrens, sondern auch das erkennbare Rechtsschutzziel der Klage zu beachten (RS0039357 [T44]; RS0039010 [T3]).
[28] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war offenkundig Ziel des Klägers stets primär gerichtlich ausgesprochen zu bekommen, dass die ihn betreffenden Beschlussfassungen des Vereinsvorstands und der Generalversammlung des Beklagten nichtig sind. Der Urteilsspruch des Erstgerichts trägt dem Rechnung. Um welche Beschlüsse des Vorstands und der Generalversammlung des Beklagten es sich handelt, war – entgegen der Ansicht des Beklagten im Rekurs – unstrittig, weshalb das Erstgericht auch insofern eine Präzisierung vornehmen durfte.
[29] Es war daher das Ersturteil samt Kostenentscheidung wiederherzustellen.
[30] Die Entscheidung über die Tragung der Kosten des Berufungs- und des Rekursverfahrens gründet sich jeweils auf §§ 41, 50 ZPO.
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