OGH 1Ob69/23p

OGH1Ob69/23p25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch die Celar Senoner Weber‑Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die klagende Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen zuletzt 30.015,51 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. März 2023, GZ 14 R 38/23w‑9, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 2. Jänner 2023, GZ 30 Cg 1/23x‑2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00069.23P.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt von der Beklagten ausdrücklich auch aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz für entgangenen Verdienst, weil sie nach rechtswidriger vorzeitiger Beendigung seines Dienstvertrags als Auslandseinsatz‑Vertragsbediensteter rechtswidrig eine „Auslandeinsatzsperre“ verhängt und eine Weisung erlassen habe, dass er für Präsenzdienstleistungen und freiwillige Milizarbeit nicht mehr heranzuziehen sei.

[2] Das angerufeneErstgericht erklärte sich für das Verfahren a limine als unzuständig (§ 38 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 Z 1 ASGG) und überwies die Rechtssache von Amts wegen an das nicht offenbar unzuständige Arbeits- und Sozialgericht Wien. Ansprüche aus einem privatrechtlichen Dienstverhältnis (Vertragsbediensteter) könnten nicht auf Amtshaftung, sondern nur auf „arbeitsrechtlichen Schadenersatz“ gestützt werden.

[3] Das Rekursgericht hielt den dagegen gerichteten Rekurs des Klägers für zulässig, bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob Sperren eines früheren Vertragsbediensteten für Auslandseinsätze, Präsenzdienstleistungen und Milizarbeit im Zusammenhang mit bzw nach der vorzeitigen Beendigung des privatrechtlichen Dienstverhältnisses als ein eigenständiges hoheitliches Verhalten des früheren Dienstgebers angesehen werden könnten, das nicht im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehe und dessen Beurteilung in die Zuständigkeit der Amtshaftungsgerichte falle.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist jedenfalls unzulässig.

[5] 1. Der Rekurs gegen den Überweisungsbeschluss des Erstgerichts war zulässig.

[6] 1.1. Ist für eine Rechtsstreitigkeit anstelle des angerufenen Gerichts ein anderes Gericht als Arbeits- und Sozialgericht zuständig, so hat sie das angerufene Gericht, sofern seine Unzuständigkeit nicht geheilt ist, an das nicht offenbar unzuständige Gericht von Amts wegen zu überweisen (§ 38 Abs 2 ASGG idF BGBl I 2010/111). Daraus folgt, dass Arbeitsrechtssachen – bei welchem Gericht auch immer sie eingebracht werden – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 Abs 2 ASGG wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit in der Regel nicht zurückgewiesen werden dürfen, sondern, sofern die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht geheilt ist, von Amts wegen zu überweisen sind (9 ObA 139/12z). Auf den Überweisungsbeschluss nach § 38 Abs 2 ASGG ist § 261 Abs 6 ZPO einschließlich des Rechtsmittelausschlusses sinngemäß anzuwenden (RS0126263).

[7] 1.2. Zu 9 Ob 23/10p gelangte der Oberste Gerichtshof zu der Auffassung, dass der Rechtsmittelausschluss des § 261 Abs 6 Satz 4 ZPO einem Rekurs des Beklagten gegen einen von Amts wegen gefassten Überweisungsbeschluss nach § 38 Abs 2 ASGG entgegenstehe. In diesem Zusammenhang wurde der Ansicht von Kuderna (ASGG² § 38 ASGG Anm 9), der Rechtsmittelausschluss sei nur im Falle einer von einem Antrag oder einer Zustimmung des Klägers getragenen Überweisung anwendbar, eine Absage erteilt. Dafür sei kein überzeugender Grund ersichtlich, zumal der Rechtsmittelausschluss des § 261 Abs 6 Satz 4 ZPO nicht nur für den Kläger, sondern gleichermaßen für den Beklagten gelte.

[8] 1.3. Das Rekursgericht stützte sich demgegenüber auf die Ansicht von Kuderna und (in dessen Gefolge) Neumayr (in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 38 ASGG Rz 2; so auch Hargassner/Ziegelbauer in ASGG² Rz 318). Nach dem klaren Gesetzeswortlaut setze der Rechtsmittelausschluss des § 261 Abs 6 ZPO voraus, dass das Gericht dem Eventualantrag des Klägers, die Klage an das von ihm namhaft gemachte Gericht zu überweisen, stattgegeben habe. Er gelte daher nicht für Fälle, in denen das Gericht – wie hier – ohne Anhörung des Klägers überwiesen habe oder nicht dem Vorschlag des Klägers gefolgt sei.

[9] 1.4. Tatsächlich spricht der Wortlaut des § 261 Abs 6 ZPO dafür, jedenfalls dem Kläger in diesen Fällen doch ein Rekursrecht zuzubilligen. Der Entscheidung 9 Ob 23/10p, die zu § 38 ASGG in der Fassung vor der Änderung durch BGBl I 2010/111 erging, ist insofern nicht beizutreten, als sie noch nicht darauf Bedacht nehmen konnte, dass die Verpflichtung des Gerichts zur Anhörung des Klägers vor Beschlussfassung nunmehr entfallen ist (vgl auch Kodek in Fasching/Konecny 3 III/1 § 261 ZPO Rz 196, der die Neuregelung aus rechtspolitischer Sicht nicht unbedenklich nennt). Ohne Anhörung des Klägers erscheint aber eine Vergleichbarkeit mit der der Bestimmung des § 261 Abs 6 ZPO zugrunde liegenden – den Rechtsmittelausschluss rechtfertigenden – Konstellation nicht mehr gegeben. Vielmehr würde sich auf Seiten des Klägers, sollte man ihm weiterhin auch eine Rekursmöglichkeit verwehren, ein Gehördefizit eröffnen. Auch wenn dem Beklagten die Bekämpfung des Überweisungsbeschlusses mit Rekurs nicht freisteht, worauf 9 Ob 23/10p abstellt, kann dieser jedenfalls im Fall einer Überweisung a limine (also vor seiner Beteiligung am Verfahren) vor dem Gericht, an das überwiesen wurde, immer noch die Unzuständigkeit einwenden (9 ObA 139/12z; RS0128625; vgl zur Überweisung nach Streitanhängigkeit Kodek in Fasching/Konecny 3 III/1 § 261 ZPO Rz 181).

[10] 1.5. Das Rekursgericht ist hier daher zutreffend von der Zulässigkeit des Rekurses ausgegangen und hat die erstinstanzliche Entscheidung einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen.

[11] 2. Der Revisionsrekurs ist allerdings jedenfalls unzulässig.

[12] Durch die vollständige Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses hat das Rekursgericht einen nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbaren Konformatsbeschluss gefällt (vgl zu einem Überweisungsbeschluss nach § 230a ZPO: RS0108953).

[13] Eine Ausnahme von der Konformatssperre ist nicht gegeben. Wie der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob 23/10p klargestellt hat, ist der Überweisungsfall nach § 38 Abs 2 ASGG nicht wie eine anfechtbare Zurückweisung der Klage zu behandeln, weil nicht eine Überweisung in eine andere Verfahrensart vorliegt (vgl RS0106813; RS0103854), sondern die Rechtssache im streitigen Verfahren bleibt.

[14] 3. Der vom Kläger erhobene Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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