European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00009.23X.0420.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens obliegt dem Erstgericht.
Entscheidungsgründe:
[1] Der 1965 geborene Kläger ist der außereheliche Sohn, der Erst‑ und die Zweitbeklagte sind die ehelichen Kinder des am 22. 1. 2018 verstorbenen G* (im Folgenden: Erblasser).
[2] DieBeklagten sind seine Erben kraft Testaments vom 13. 1. 2009; sie haben die Erbschaft zu drei Zehntel (Erstbeklagter) und sieben Zehntel (Zweitbeklagte) angetreten.
[3] Über den Kläger verfügte der Erblasser letztwillig folgendermaßen: „Mein unehelicher Sohn R* ist nicht erbberechtigt, da ich nie Kontakt zu ihm hatte.“
[4] Der Wert des reinen Nachlasses betrug 192.907,98 EUR.
[5] Der Erblasserschenktebeiden Beklagten zu Lebzeiten verschiedene Liegenschaften. Für das Revisionsverfahren ist folgende Schenkung relevant:
[6] Der Erblasserschenkte der Zweitbeklagten am 23. 12. 2015 Hälfteanteile an zwei Grundstücken. Den zweiten Hälfteanteil dieser Liegenschaft (im Folgenden nur: Liegenschaft[shälfte]) schenkte der Erblasser dem Ehegatten der Zweitbeklagten.
[7] Der auf den Todeszeitpunkt indexierte Wert der Liegenschaftshälfte beträgt unter Berücksichtigung der vor der Schenkung getätigten Investitionen der Zweitbeklagten und ihres Ehegatten in das auf dem Grund stehende Haus 90.794,50 EUR; ohne diese Investitionen liegt der Wert bei 33.526,50 EUR.
[8] Im Schenkungszeitpunkt 23. 12. 2015 betrug der Verkehrswert der Liegenschaftshälfte unter Berücksichtigung der Investitionen 88.150 EUR und ohne diese 32.550 EUR.
[9] Die Zweitbeklagte und ihr Ehemann wollten ein Haus bauen. Der Erblasser sagte ihnen, es wäre sinnvoller, in sein Haus (auf der Liegenschaft) zu investieren, weil sie dieses sowieso bekommen würden. So wohnten ab 1993 die Zweitbeklagte, ihr Ehegatte sowie der Erblasser und dessen Ehegattin in diesem Haus. Die Zweitbeklagte und deren Ehegatte nahmen umfangreiche Investitionen und Zubauten vor. Im Hinblick darauf, dass sie das Haus ohnehin bekommen sollten, verlangte und erhielt der Erblasser von den beiden keinen Mietzins.
[10] Der Kläger sah den Erblasser nur selten. Wenn sie einander begegneten, grüßte er. Der Erblasser nickte ab und zu, manchmal erwiderte er auch den Gruß, blieb aber nie stehen. Weder der Erblasser noch der Kläger versuchten ein Gespräch zu beginnen. Weitere Kontakte hatten sie nie.
[11] Der Kläger macht seinen Pflichtteilsanspruch mit einem Sechstel der Verlassenschaft unter Hinzurechnung des Werts der den Beklagten geschenkten, oben angeführten Liegenschaften bzw Liegenschaftshälften geltend. Die Investitionen der Zweitbeklagten in das Haus auf der Liegenschaftshälfte, in dem sie auch gewohnt habe, entsprächen dem Mietzinsäquivalent für den Zeitraum 1993 bis 2015. Die Nutzung des Hauses des Erblassers sei als Gegenleistung für die Investitionen zu sehen. Deshalb sei der Bauzustand im Schenkungszeitpunkt bei der Ermittlung des Schätzwerts zu berücksichtigen. Die letztwillig verfügte Minderung seines Pflichtteils sei gemäß § 776 Abs 2 ABGB ausgeschlossen, weil der Erblasser ein Naheverhältnis zu ihm stets abgelehnt habe.
[12] Die Beklagten anerkannten im Verfahren einen – in der Folge beglichenen – Pflichtteilanspruch des Klägers von 27.078,78 EUR, zahlten im Verfahren weitere 3.615,12 EUR und wendeten im Übrigen ein, der Erblasser habe den Kläger auf den Pflichtteil gesetzt und zugleich die Pflichtteilsminderung iSd § 773a ABGB (aF) geltend gemacht; zwischen den beiden habe zu keiner Zeit ein Naheverhältnis bestanden. Dem Kläger stehe daher ein Pflichtteil von einem Zwölftel des Reinnachlasses samt Hinzurechnungsbeträgen zu, der mit dem anerkannten Betrag abgedeckt sei. Die Schenkung der Liegenschaftshälfte sei im Hinblick auf die Investitionen der Zweitbeklagtensowie die erbrachten Pflegeleistungen in Entsprechung einer sittlichen Pflicht erfolgt und bei der Berechnung des Pflichtteils nicht zu berücksichtigen. Dass die Zweitbeklagte und ihr Ehemann kostenlos im Haus des Erblassers gewohnt haben, komme nicht wirtschaftlich einer Schenkung gleich, weil dadurch dessen Vermögen nicht verringert worden sei. Der Erblasser habe mit seiner Frau auch im gleichen Haus gewohnt und hätte Teile des Hauses niemals an Dritte vermietet, weshalb ihm auch keine Mieteinnahmen entgangen seien.
[13] Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren hinsichtlich des Erstbeklagten als mit 7.466,69 EUR und hinsichtlich der Zweitbeklagten als mit 17.422,29 EUR zu Recht sowie die „Gegenforderung“ (gemeint: das Pflegevermächtnis) als bis zur Höhe der zuerkannten Klagsforderung nicht zu Recht bestehend, verurteilte die Beklagten jeweils zur Zahlung der genannten Beträge und wies das Mehrbegehren ab. Der Erblasser habe den Kontakt zum Kläger grundlos gemieden. Er habe daher dessen Pflichtteil gemäß § 776 Abs 2 ABGB nicht mindern können.Die Investitionen der Zweitbeklagten in das Haus seien bei der Berechnung des Pflichtteils nicht abzuziehen. Die Zweitbeklagte habe aber den Erblasser schon vor 2015 und bis 2018 gepflegt, die Schenkung der Liegenschaftshälfte sei daher aus sittlicher Pflicht erfolgt, weshalb deren Wert weder hinzu- noch anzurechnen sei.
[14] Das von allen Parteien angerufene Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil in eine gänzliche Klageabweisung ab. Die Voraussetzungen für die Pflichtteilsminderung auf die Hälfte gemäß § 776 Abs 1 und 2 ABGB lägen beim Kläger vor. Sein Pflichtteil betrage somit ein Zwölftel. Hinsichtlich der Liegenschaftshälfte liege eine Schenkung aus sittlicher Pflicht nicht vor, weshalb sie bei der Pflichtteilsermittlung zum Nachlass hinzuzurechnen sei. Die Bewertung nach § 788 ABGB sei zum Zeitpunkt des Vermögensopfers vorzunehmen. Wertsteigerungen, die auf Tätigkeiten des Empfängers zurückgingen, seien schon wegen der „Fixierung“ des Werts mit dem Schenkungszeitpunkt nicht zu berücksichtigen, also bei Ermittlung des Anrechnungswerts wegzulassen. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz allerdings nur für nach der Schenkung eingetretene Wertsteigerungen. Bei strikter Anwendung des mit § 788 ABGB statuierten Stichtagsprinzips müssten – wie hier – vor der Schenkung mit tatsächlicher Übergabe getätigte Investitionen des Empfängers bei der Bewertung der Sache berücksichtigt werden, weil durch diese der Verkehrswert zum Stichtag bereits erhöht gewesen sei. Dieses Ergebnis erscheine jedoch unbillig. Schon in der Entscheidung 2 Ob 64/19d sei der Oberste Gerichtshof bei einer bei Übergabe vorbehaltenen Personaldienstbarkeit zur Vermeidung eines unbilligen Ergebnisses vom Stichtagsprinzip des § 788 ABGB abgegangen. In 2 Ob 124/20d habe der Oberste Gerichtshof auch für die Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 auf den zu §§ 785 und 794 ABGB aF entwickelten Grundgedanken zurückgegriffen, dass die Hinzurechnung von Schenkungen dazu führen solle, dass Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich so stehen, wie sie stünden, wenn die Schenkung unterblieben und die Sache daher noch im Nachlass wäre. Auf diese, in gewissem Umfang offenbar auch für § 788 ABGB fruchtbar zu machende Fiktion der Nachlasszugehörigkeit der geschenkten Sache gestützt, habe der Oberste Gerichtshof etwa schon in 4 Ob 246/99a bei der Bewertung für die Ausmittlung des Schenkungspflichtteils werterhöhende Leistungen eines auf den Todesfall mit einer Liegenschaft Beschenkten, die dieser schon zu Lebzeiten des Schenkenden getätigt hatte, unberücksichtigt gelassen, obwohl die Liegenschaft im Zeitpunkt des Erbanfalls mit ihrem erhöhten Wert Teil der Nachlassaktiva gewesen sei. Somit erscheine es sachgerecht, bei der Bewertung der Liegenschaftshälfte von der Zweitbeklagten und ihrem Ehegatten vor der Schenkung getätigte werterhöhende Aufwendungen unberücksichtigt zu lassen, auch wenn damit nicht der Verkehrswert der Sache zum Stichtag zugrunde gelegt werde. Dieses Ergebnis lasse sich mit einem weiteren Argument begründen: Hätte der Erblasser die Liegenschaft entgegen seiner Ankündigung, der Zweitbeklagten und deren Mann das Haus zuzuwenden, nach den erfolgten Investitionen an einen Dritten verkauft, so wäre er einem bereicherungsrechtlichen Anspruch der Zweitbeklagten und deren Ehegatten nach § 1435 ABGB analog (condictio causa data causa non secuta) ausgesetzt gewesen. Somit errechne sich ein Pflichtteilsanspruch des Klägers in Höhe von 30.581,02 EUR, der durch die bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten zur Gänze erfüllt worden sei, sodass das Klagebegehren abzuweisen sei.
[15] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zu den Rechtsfragen der Voraussetzungen für die Annahme eines grundlosen Meidens des Kontakts durch den Verstorbenen nach § 776 Abs 2 ABGB nF und der Berücksichtigung vom Empfänger vor dem Zeitpunkt der Schenkung getätigter werterhöhender Aufwendungen bei der Bewertung der geschenkten Sache nach § 788 ABGB nF keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
[16] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn der Klagestattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[17] Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
[18] Die Revision ist zulässig, weil die strittige Berücksichtigung der vom Empfänger vor dem Zeitpunkt der Schenkung getätigten werterhöhenden Aufwendungen bei der Bewertung der geschenkten Sache nach § 788 ABGB nF klarzustellen ist. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
[19] Der Kläger wendet sich im Rechtsmittel gegen die vom Berufungsgericht bejahten Voraussetzungen für die Pflichtteilsminderung nach § 776 Abs 1 und 2 ABGB. Die Investitionen der Zweitbeklagten und ihres Mannes in das Haus des Erblassers seien als die Schenkung werterhöhend zu berücksichtigen, weil der Erblasser ein Vermögensopfer nicht nur in Höhe des Werts der Liegenschaftshälfte ohne Investitionen, sondern auch gerade wegen der Investitionen der Zweitbeklagten und ihres Mannes im Hinblick darauf gemacht habe, dass diese die Liegenschaft jahrelang mietfrei nutzen würden.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu wurde erwogen:
[20] 1. Aufgrund des Todesdatums des Erblassers nach dem 31. 12. 2016 sind die hier maßgeblichen erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB idF des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB).
2. Pflichtteilsminderung
[21] 2.1. Nach § 776 Abs 1 ABGB kann der Verfügende den Pflichtteil letztwillig auf die Hälfte mindern, wenn er und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden nicht in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht. Nach Abs 2 dieser Bestimmung steht das Recht auf Pflichtteilsminderung nicht zu, wenn der Verstorbene den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat.
[22] 2.2. Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass der Erblasser nach § 776 Abs 1 ABGB letztwillig eine Minderung des Pflichtteils verfügt hat. Thema ist nur die Frage, ob die Voraussetzungen für die Minderung vorlagen.
[23] 2.3. Der erkennende Fachsenat hat sich jüngst in der Entscheidung 2 Ob 116/22f (Zak 2022, 316 = JEV 2022, 155 [Bayer] = iFamZ 2023, 53 [Entleitner] = NZ 2022, 553) ausführlich unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 2015 sowie der Lehre mit der Frage der Pflichtteilsminderung nach § 776 ABGB auseinandergesetzt und ist – soweit für diesen Fall relevant – zu folgendem Ergebnis gekommen: Hat der Erblasser (wie auch der erwachsene Pflichtteilsberechtigte) lediglich kein Kontaktinteresse, verhält er sich also bloß passiv und bemüht sich schlicht nicht um Kontakt – wobei weder er noch der Pflichtteilsberechtigte dem anderen Anlass bzw Grund für den fehlenden Kontakt gegeben haben –, stellt dies (noch) kein „Meiden“ des Kontakts iSd § 776 Abs 2 ABGB dar, das zum Ausschluss des Rechts auf Pflichtteilsminderung führt (RS0134105).
[24] 2.4. Diese Entscheidung wurde – wie oben dargestellt – bereits mehrfach veröffentlicht und in der bisher vorliegenden Lehre – soweit hier relevant – positiv aufgenommen (vgl RS0103384). Die Ausführungen in der Revision bieten keinen Anlass, davon abzugehen. Demnach liegt hier ein bloß passives Verhalten des Erblassers und somit kein „Meiden“ des Kontakts vor. Dass einer der beiden dem jeweils anderen einen Anlass oder Grund für den fehlenden Kontakt gegeben hätte, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Das Recht auf Pflichtteilsminderung nach § 776 ABGB ist daher nicht ausgeschlossen. Der Pflichtteil des Klägers beträgt somit ein Zwölftel, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist.
[25] 2.5. Auf Sonderkonstellationen, die sich mit minderjährigen Kindern aufgrund von Art 2 des BVG über die Rechte von Kindern (BGBl I 2011/4) ergeben könnten (vgl Entleitner aaO), muss nicht eingegangen werden, weil der „längere Zeitraum vor dem Tod“ des Erblassers (in der Regel mindestens 20 Jahre, vgl 2 Ob 83/21a = RS0133874) auch zwischen dem Erreichen der Volljährigkeit des Klägers und dem Tod des Erblassers verstrichen ist.
3. Hinzurechnung der Liegenschaftshälfte
[26] 3.1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Schenkung der Liegenschaftshälfte sei keine aus sittlicher Pflicht, wird von den Parteien im Revisionsverfahren nicht (mehr) angegriffen, weshalb darauf nicht mehr einzugehen ist.
[27] 3.2. Der erkennende Senat hält die Erwägungen des Berufungsgerichts im Ergebnis für zutreffend:
[28] 3.2.1. Nach § 788 ABGB idF des ErbRÄG 2015 ist die geschenkte Sache auf den Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde. Dieser Wert ist sodann auf den Todeszeitpunkt nach einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex anzupassen.
[29] 3.2.2. Nach den Materialien zu § 788 ABGB idF des ErbRÄG 2015 sollen alle anderen (außer dem Verbraucherpreisindex) wertverändernden Umstände, die zwischen dem Zuwendungs‑ und dem Todeszeitpunkt eintreten (seien sie vom Zuwendungsempfänger zu vertreten oder nicht) außer Betracht bleiben (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 35 f).
[30] 3.2.3. Nach § 794 ABGB aF, der mit dem ErbRÄG 2015 aufgehoben und durch § 788 ABGB ersetzt wurde, waren für die Ermittlung des (iSd damaligen Terminologie) Schenkungspflichtteils unbewegliche Sachen nach dem Zeitpunkt des Empfangs, bewegliche Sachen hingegen nach dem Zeitpunkt des Erbanfalls zu bewerten. Da dies zu unbilligen Ergebnissen geführt hätte, wurde in korrigierender Gesetzesauslegung danach gefragt, welchen Wert die Sache für die Verlassenschaft gehabt hätte, wenn die Verfügung unterblieben wäre. Maßgeblich war somit deren Zustand zum Zeitpunkt des Empfangs (vgl RS0012952; 2 Ob 529/95; 7 Ob 162/05g; Umlauft in Klang³ ABGB [2021] § 788 Rz 2 mwN). Die ständige Rechtsprechung berücksichtigte in Übereinstimmung mit Lehrmeinungen Wertsteigerungen, die auf die Tätigkeit des Empfängers zurückzuführen waren, weder bei unbeweglichen noch bei beweglichen Sachen (RS0012973 [T1, T20]; 2 Ob 219/12p mwN).
[31] 3.2.4 Die Literatur zu § 788 ABGB idF ErbRÄG 2015 stimmt darin überein, dass Wertsteigerungen, die auf Tätigkeiten des Empfängers zurückgehen, nicht zu berücksichtigen sind (Umlauft, NZ 2017, 241 [249]; derselbe, Hinzu‑ und Anrechnung2 [2018] 309; derselbe in Klang3 ABGB [2021] § 788 Rz 5; Nemeth/Niedermayr in Schwimann/Kodek, ABGB5 [2018] § 788 Rz 3; dieselben in Schwimann/Kodek, ABGB TaKomm5 [2020] § 788 Rz 3; Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.05 § 788 [Stand 1. 10. 2018, rdb.at] Rz 2; Welser, Erbrechts-Kommentar [2019] § 788 Rz 9). Diese Lehrmeinungen stellen erkennbar auf Wertsteigerungen ab, die zwischen dem Zeitpunkt des Vermögensopfers und dem Erbfall eingetreten sind. Umlauft (in Klang3 ABGB [2021] aaO) und Nemeth/Niedermayr (in Schwimann/Kodek, ABGB5 [2018] aaO) verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass die Nichtberücksichtigung von Investitionen des Geschenknehmers bei der Bewertung schon deswegen selbstverständlich sei, weil es sich dabei um keine freigiebigen aus dem Vermögen des Erblassers stammenden Zuwendungen des Geschenkgebers handle.
[32] 3.2.5. Das zuletzt genannte, nach Ansicht des Senats zutreffende Argument hat aber auch im hier zu beurteilenden Fall Gültigkeit. Nach den Feststellungen bestand zwischen dem Erblasser und den Geschenknehmern Einverständnis darüber, dass Letztere im Hinblick auf eine spätere Schenkung in die Liegenschaft des Erblassers investieren sollten. Ausgehend davon fehlte es aber dem Erblasser im Zeitpunkt der Übertragung der Liegenschaft am Willen, eine freigiebige Zuwendung im Rahmen der getätigten Investitionen vorzunehmen. Schon aus diesem Grund kommt eine Anrechnung des Werts der von den (späteren) Geschenknehmern vorgenommenen Investitionen nicht in Betracht.
[33] 3.2.6. Zum Einwand des Klägers, die kostenlose Nutzung des Hauses des Erblassers durch die Zweitbeklagte und deren Familie sei als Gegenleistung für die Investitionen zu sehen, ist auszuführen, dass der Kläger dieses Vorbringen nicht erweisen konnte. Es steht nämlich fest, dass der Erblasser auf den Mietzins (nicht etwa im Hinblick auf erwartete bzw erfolgte Investitionen, sondern) im Hinblick darauf, dass die Zweitbeklagte und ihr Mann das Haus ohnehin bekommen sollten, verzichtete.
[34] 3.3. Somit bleibt es bei der Berechnung des Berufungsgerichts, das die Liegenschaftshälfte mit dem fiktiven Wert im Todeszeitpunkt ohne Werterhöhung durch die von der Zweitbeklagten und ihrem Mann stammenden Investitionen berücksichtigte.
[35] 4. Die Revision des Klägers erweist sich daher als nicht berechtigt, weshalb ihr nicht Folge zu geben ist.
[36] 5. Aufgrund des Kostenvorbehalts durch das Berufungsgericht war kein Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens erforderlich.
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