OGH 8ObA7/23x

OGH8ObA7/23x23.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk(aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in derArbeitsrechtssache der klagenden Partei Personalvertretung der Gemeindebediensteten der Stadtgemeinde N *, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde N*, vertreten durch die Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichtin Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. November 2022, GZ 9 Ra 75/22y‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00007.23X.0223.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Aufgrund einer vom Gemeinderat der Beklagten am 14. 2. 1950 beschlossenen Richtlinie gewährte die Beklagte ihren ausgeschiedenen Vertragsbediensteten und deren Hinterbliebenen bestimmte Versorgungsleistungen, nämlich Witwen- und Waisengeld sowie ein Treugeld, das sich nach der Anzahl der Dienstjahre richtete. Am 16. 10. 1995 beschloss der Gemeinderat, dass diese Versorgungsleistungen nur solchen Dienstnehmern gewährt werden, deren Dienstverhältnis zur Beklagten vor dem 1. 1. 1996 begründet wurde. Mit Gemeinderatsbeschluss vom 30. 11. 2020 wurde die Richtlinie mit sofortiger Wirkung aufgehoben.

[2] Die Klägerin begehrt nach § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass die Richtlinie des Gemeinderats für Vertragsbedienstete, deren Dienstverhältnis vor dem 1. 1. 1996 begründet wurde, weiterhin gelte. Die Richtlinie des Gemeinderats sei aufgrund der betrieblichen Übung Inhalt der Einzelverträge geworden, sodass die Beklagte den Vertragsbediensteten diese Ansprüche nicht einseitig entziehen dürfe.

[3] Die Beklagte wendete ein, dass solche im Gesetz nicht vorgesehenen Versorgungsansprüche nur im Wege von Sonderverträgen begründet werden könnten, sodass die Berufung auf eine von den zwingenden Vorgaben des Vertragsbedienstetenrechts abweichende betriebliche Übung unzulässig sei.

[4] Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Da solche Versorgungsleistungen im Vertragsbedienstetenrecht nicht vorgesehen seien, wäre für eine rechtswirksame Begründung solcher Ansprüche nach § 41 NÖ GVBG der Abschluss von Sonderverträgen samt Genehmigung des Gemeinderats erforderlich gewesen. Eine konkludente Genehmigung sei im öffentlichen Recht nicht möglich, weshalb eine Berufung auf die betriebliche Übung ausscheide.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[6] 1. Nach § 41 NÖ GVBG können in begründeten Ausnahmefällen im Dienstvertrag Regelungen getroffen werden, die zugunsten des Vertragsbediensteten von den allgemeinen Bestimmungen für Vertragsbedienstete abweichen. Solche Dienstverträge sind nach § 41 NÖ GVBG als Sonderverträge zu bezeichnen und bedürfen der vorherigen Genehmigung des Gemeinderats. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist deshalb ein mündlicher oder gar schlüssiger Abschluss von Sonderverträgen nicht möglich (RIS-Justiz RS0029331). Da keine schriftlichen Sonderverträge abgeschlossen wurden, kann sohin auch die langwährende betriebliche Übung, auf die sich die Klägerin hier als Grundlage beruft, keine Ansprüche der Dienstnehmer der Beklagten begründen (RS0008975; RS0029331).

[7] 2. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Abschluss von Sonderverträgen sind Schutzvorschriften zu Gunsten des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers (RS0029314; RS0115297). Wurden keine wirksamen Sonderverträge abgeschlossen, kommt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kein Vertrauensschutz in Betracht (RS0029314). Auch hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass gegen die Verfassungskonformität der Regeln über den Abschluss von Sonderverträgen keine Bedenken bestehen (RS0081722).

[8] 3. Die von der Klägerin in ihrem Zulassungsantrag aufgeworfenen Rechtsfragen wurden damit vom Obersten Gerichtshof bereits beantwortet.

[9] 4. Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte