OGH 9ObA3/23s

OGH9ObA3/23s16.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter David Hobel, LL.M. (WU) (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. C*, geboren am *, vertreten durch Rainer-Rück-Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Dr. Hanspeter Feix und Dr. Renate Palma, Rechtsanwälte in Innsbruck wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2022, GZ 13 Ra 32/22m‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00003.23S.0216.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Auf das Dienstverhältnis zwischen den Parteien ist – unstrittig – das Gesetz vom 29. Juni 2016 über das Dienstrecht der Lehrpersonen an den Landesmusikschulen und am Tiroler Landeskonservatorium (Musiklehrpersonen-Dienstrechtsgesetz – MDG) anzuwenden. Dessen § 78 Abs 2 lit h sieht vor, dass der Dienstgeber zur Kündigung berechtigt ist, wenn „die Lehrperson vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses das für Leistungen aus dem Versicherungsfall des Alters in der gesetzlichen Pensionsversicherung das für männliche Versicherte vorgeschriebene Anfallsalter erreicht hat“.

[2] Unter Bezugnahme auf diesen Kündigungsgrund sprach die Beklagte mit Schreiben vom 17. 5. 2022, dem Kläger zugegangen am 20. 5. 2022, die Kündigung des Dienstverhältnisses zum 31. 10. 2022 aus. Der am 23. 10. 1957 geborene Kläger hat seit dem 1. 11. 2022 einen Anspruch auf Alterspension gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt.

[3] Zwischen den Parteien ist nun strittig,ob die Voraussetzungen desKündigungsgrundes des § 78 Abs 2 lit h MDG im Anlassfall vorlagen. Dazu vertritt der Kläger die Rechtsansicht, dass die Kündigung erst nach dem 23. 10. 2022 (in seinem Fall daher erst frühestens am 1. 11. 2022) ausgesprochen werden hätte dürfen, weil er erst mit dem auf die Vollendung seines 65. Lebensjahres folgenden Monatsersten, daher ab 1. 11. 2022, einen Anspruch auf Alterspension gehabt habe.

[4] Die Vorinstanzen wiesen das auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses gerichtete Klagebegehren übereinstimmend ab. Nach den für die Gesetzesauslegung geltenden Grundsätzen und den Literaturmeinungen zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 32 Abs 2 Z 7 VBG 1948 könne der Rechtsansicht des Klägers nicht gefolgt werden. Durch eine Kündigung werde das Dienstverhältnis nicht sofort, sondern erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zum nächstzulässigen Kündigungstermin beendet. Die Formulierung „vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses das […] vorgeschriebene Anfallsalter erreicht hat“ sei eindeutig so zu verstehen, dass das Ende des Dienstverhältnisses nach dem Erreichen des beschriebenen Anfallsalters eintreten müsse. Die Worte „erreicht hat“ bezögen sich also zeitlich auf den „Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses“. Die Beendigungserklärung könne aber schon vor dem Erreichen des Anfallsalters ausgesprochen werden. Mit Erreichung des Anfallsalters (bei Männern ist dies mit Vollendung des 65. Lebensjahres der Fall) gelte der Versicherungsfall als eingetreten. Der erkennbare Zweck der Bestimmung des § 78 Abs 2 lit h MDG liege darin, einen gewissermaßen „nahtlosen Übergang“ von den Ansprüchen aus dem aufrechten Dienstverhältnis gegen den Dienstgeber auf die Alterspensionsansprüche gegen den gesetzlichen Versicherungsträger ohne Einkommenslücke zu garantieren.

[5] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zufolge eindeutiger Rechtslage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[6] In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656). Dies ist hier der Fall.

[7] Das Berufungsgericht hat die Bestimmung des § 78 Abs 2 lit h MDG unter Anwendung der zutreffend dargestellten Grundsätze der Gesetzesauslegung nach § 6 ABGB (vgl RS0008896) richtig ausgelegt. Auf dessen Begründung kann daher uneingeschränkt verwiesen werden. Der gegenteilige Standpunkt der außerordentlichen Revision ergibt sich auch nicht aus der Kommentierung von Ziehensack (VBG Praxiskommentar § 32 Rz 890) zur inhaltsgleichen Regelung des § 32 Abs 2 Z 7 VBG 1948. Dass ein Vertragsbediensteter erst gekündigt werden soll, wenn er einen Anspruch auf Alterspension erworben hat (so Ziehensack), ist insofern richtig, als dies mit dem vom Berufungsgericht dargelegten Zweck dieses Kündigungsgrundes vereinbar ist. Sollte der Kommentar so zu verstehen sein, dass bei dem „Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses“ nicht auf den Kündigungstermin, sondern auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abzustellen sei, wird dieser Ansicht nicht beigetreten. Im Übrigen vertritt auch Naderhirn (in Reissner/Neumayr, ZellKomm ÖffDR Rz 34) die Rechtsauffassung, dass der Vertragsbedienstete, der gekündigt wird und dessen Dienstverhältnis zB am 30. 6. 2021 endet, spätestens am 30. 6. 2021 das entsprechende Alter erreicht haben muss.

[8] Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

Stichworte