European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00225.22G.0131.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist Mieterin eines Objekts im Haus der Antragsgegnerin und will eine Veränderung des Mietgegenstands durchsetzen.
[2] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts auf Unterbrechung des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung eines näher bezeichneten, von der Antragsgegnerin im Jahr 2020 eingeleiteten Streitverfahrens, in dem die Frage geklärt werde, ob die Antragstellerin noch Mieterin sei.
[3] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich zu, weil seit der Entscheidung 1 Ob 208/08g divergierende Entscheidungen von Gerichten zweiter Instanz zur Frage des „Schwebezustands" beim Auflösungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs ergangen seien.
[4] Dagegen richtet sich der – von der Antragsgegnerin beantwortete – Revisionsrekurs der Antragstellerin, in dem sie die Abänderung im Sinn der Abweisung des Unterbrechungsantrags anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig, er zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[6] 1. Der Entscheidung 5 Ob 43/93 lag ein Verfahren zur Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG bei einem parallel anhängigen Räumungsverfahren nach § 1118 zweiter Fall ABGB zugrunde. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass der Antragstellerin in einem solchen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren die Legitimation zur Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten solange nicht streitig gemacht werden kann, als ihr die Möglichkeit einer Entkräftung der Auflösungserklärung des Antragsgegners offen steht (RIS‑Justiz RS0020239). Der Außerstreitrichter kann die Vorfrage über den aufrechten Bestand eines Mietverhältnisses nicht klären, weil er dazu auf eine vorherige Beschlussfassung iSd § 33 Abs 2 MRG angewiesen wäre, diesen Beschluss aber nicht selbst fassen kann (RS0070424). Eine anhängige Räumungsklage kann daher in einem solchen Fall weder die Abweisung eines auf §§ 3, 6 MRG gestützten Sachantrags noch die Unterbrechung eines Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG rechtfertigen.
[7] 2. Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 1 Ob 208/08g – betreffend eine gerichtliche Aufkündigung eines Hauptmietverhältnisses – sprach aus, dass der für § 30 Abs 2 Z 1 MRG bzw § 1118 zweiter Fall ABGB anerkannte „Schwebezustand" bei anderen Kündigungsgründen nicht gegeben ist und sich eine analoge Anwendung außerhalb des Geltungsbereichs des § 33 Abs 2 MRG verbietet.
[8] 3. Dass nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bei einem Räumungs- oder Kündigungsbegehren wegen qualifizierten Mietzinsrückstands nach § 1118 zweiter Fall ABGB oder § 30 Abs 2 Z 1 MRG im Anwendungsbereich des § 33 MRG ein Schwebezustand besteht, in dem sich kein Vertragsteil – insbesondere nicht der Vermieter – unter Berufung auf die erklärte Vertragsaufhebung der Leistung seiner Vertragspflichten entziehen darf, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RS0020939). Dass ein derartiger „Schwebezustand“ auch im Fall einer auf erheblich nachteiligen Gebrauch nach § 1118 erster Fall ABGB oder § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG gestützten Auflösungserklärung oder Kündigung bestünde, lässt sich der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl 1 Ob 208/08g) nicht entnehmen und wird auch in der Lehre nicht vertreten. Der Umstand allein, dass das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (40 R 45/11f) – im Widerspruch dazu – die Sachlegitimation des Mieters zur Antragstellung solange als gegeben ansah als er nicht rechtskräftig im Räumungsverfahren unterliege, begründet noch keine Uneinheitlichkeit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung iSd § 62 Abs 1 AußStrG, zumal dafür nicht einmal eine vereinzelt gebliebene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs selbst ausreichen würde (vgl RS0042668 [T5]).
[9] 4. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof setzt aber voraus, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage tatsächlich abhängt (RS0088931). Dies ist hier nicht der Fall, weil keine Divergenz in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vorliegt. Dass die Unterbrechung hier wegen Vorliegens eines „Schwebezustands“ unzulässig gewesen wäre – und nur darauf zielt die Argumentation im Revisionsrekurs ab –, lässt sich aus der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ableiten.
[10] 5. Andere Argumente, die gegen die Zulässigkeit und/oder Zweckmäßigkeit der gemäß dem auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren anzuwendenden § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG angeordneten Unterbrechung sprechen würden (vgl zu den Voraussetzungen RS0132126), spricht der Revisionsrekurswerber nicht an. Im Zusammenhang damit – allenfalls – erhebliche Rechtsfragen thematisiert er nicht iSd § 65 Abs 3 Z 6 AußStrG, sie sind daher nicht zu untersuchen (vgl RS0107501 [T1]).
[11] 6. Da sich die Entscheidung des Rekursgerichts somit im Rahmen bereits vorliegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung bewegt, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
[12] 7. Da es sich bei der Entscheidung über die Unterbrechung eines außerstreitigen Verfahrens nicht um eine Entscheidung über die Sache iSd § 48 Abs 1 AußStrG, sondern um einen verfahrensleitenden Beschluss handelt, ist das Rechtsmittelverfahren einseitig (6 Ob 72/18h). Die der Antragstellerin vom Rekursgericht freigestellte Revisionsrekursbeantwortung, in der sie im Übrigen nicht auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat, war daher nicht zu honorieren.
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