European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0160OK00007.22Y.0119.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragte wegen des Verdachts wettbewerbswidriger Absprachen und/oder abgestimmter Verhaltensweisen sowie der Umsetzung von Beschlüssen einer Unternehmervereinigung beim Vertrieb von Holzpellets, die gegen § 1 Abs 1 KartG und Art 101 Abs 1 AEUV verstoßen, eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten und Fahrzeugen sowie „der IT“ der Antragsgegnerinnen an deren Unternehmenssitz sowie die Sicherstellung von „physischen und elektronischen Kopien“.
[2] Es bestehe der Verdacht, dass die in der Erzeugung und dem Vertrieb von Holzpellets tätige Erstantragsgegnerin mit dem Verein p*‑Netzwerk zur Förderung von Pelletsheizungen („Verein p*“), dessen Mitglied sie sei, nach Art 101 AEUV bzw § 1 Abs 1 KartG verbotene Beschlüsse gefasst bzw mit diesem Verein oder seinen weiteren Mitgliedern (Hersteller und Händler von Holzpellets) solche Vereinbarungen getroffen habe. Dies insbesondere zum Zweck einer Festsetzung der Verkaufspreise bzw der Einschränkung oder Kontrolle des Absatzes.
[3] Dieser Verdacht habe seinen Ausgangspunkt in Beschwerden von Konsumenten aus unterschiedlichen Bundesländern bei der Antragstellerin sowie bei mehreren Landesarbeiterkammern wegen überlanger Lieferzeiten für Holzpellets aufgrund behaupteter Liefer‑, Kapazitäts‑ und Lagerengpässe genommen. Nach den auf der Homepage des Vereins p* veröffentlichten Informationen habe sich der Preis für Holzpellets zwischen August 2021 und August 2022 mehr als verdoppelt. Dies lasse sich weder mit der Preisentwicklung auf den Energiemärkten noch durch betriebswirtschaftliche Kostensteigerungen erklären. Es habe sich auch kein ungewöhnlicher Anstieg der Pellets‑Exporte ergeben. Einfuhren aus Russland und der Ukraine spielten für den österreichischen Pellets‑Markt keine entscheidende Rolle. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Preissteigerungen durch ein koordiniertes Zurückhalten von Holzpellets durch die Anbieter und somit durch ein marktmissbräuchliches Vorgehen auf Angebotsseite verursacht würden.
[4] Hinweise auf Preisabsprachen ergäben sich auch aus der Information eines brancheninternen „Hinweisgebers“. Dieser habe glaubhaft von einer ihm gegenüber getätigten Aussage eines Entscheidungsträgers der Erstantragsgegnerin berichtet, wonach diese die Preise für Pellets nicht selbst festsetze, sondern diese vom Verein p* vorgegeben würden. Dem „Hinweisgeber“ zufolge seien die Lager verschiedener Anbieter in Tirol gut gefüllt und die Preissteigerung nicht auf Engpässe oder die allgemeine Teuerung, sondern auf das Horten von Pellets mit dem Ziel der Gewinnmaximierung zurückzuführen.
[5] Der „Geschäftsführer“ des Vereins p* habe in einem in einer Tageszeitung veröffentlichten Interview auch selbst angegeben, dass ein niedrigerer Preis eines Produzenten eine eklatante „Schieflage gegenüber den Mitbewerbern“ zur Folge hätte. Auch dies spreche für ein Interesse des Vereins an einheitlichen Preisen. Der Verein habe die Preissteigerungen auf dem Pellets‑Markt auf seiner Homepage zwar mit einer Verknappung des Angebots am europäischen Markt als Folge des Ukraine‑Kriegs, mit Hamsterkäufen durch Kunden, einem rasanter Anstieg neuer Pelletsheizungen sowie mit Einbrüchen der Nachfrage nach Schnittholz (wodurch die Sägewirtschaft die Pelletsproduktion kaum aufrecht erhalten könne) begründet. Diese Argumente seien jedoch nicht nachvollziehbar. Vielmehr liege der begründete Verdacht eines koordinierten, angebotsseitigen Missbrauchs der Marktmacht vor.
[6] Die Ermittlungsergebnisse der Antragstellerin würden nahelegen, dass sich bei der Erstantragsgegnerin die zur Erlangung weiterer Informationen notwendigen Geschäftsunterlagen befänden. Die beantragte Hausdurchsuchung sei erforderlich und angemessen, um Beweismittel (physisch und/oder in elektronischer Form) bei dieser sicherzustellen. Da an ihrer Geschäftsanschrift auch sämtliche anderen Antragsgegnerinnen ihren Sitz hätten und zwischen diesen (sowie der Erstantragsgegnerin) Verflechtungen auf Gesellschafter‑ und Organebene bestünden, sei die Anordnung der Hausdurchsuchung auch gegenüber den weiteren Antragsgegnerinnen erforderlich.
[7] Das Erstgericht erließ den beantragten Hausdurchsuchungsbefehl, wobei es folgenden Sachverhalt als bescheinigt annahm:
[8] Die Erstantragsgegnerin ist in der Erzeugung und dem Vertrieb von Holzpellets tätig. Ihre Gesellschafter sind die Zweit‑ und Drittantragsgegnerin. Alle Antragsgegnerinnen haben ihren Sitz an derselben Adresse, weisen „personelle Überschneidungen auf Organebene“ auf und sind über Beteiligungen miteinander verbunden.
[9] Der Verein p* tritt als Vertreter der österreichischen Pelletswirtschaft auf. Die Erstantragsgegnerin ist Mitglied dieses Vereins. Nach dessen Angaben auf seiner Website hat sich der durchschnittliche Pelletspreis in Österreich von September 2021 bis September 2022 um rund 150 % erhöht. Es ist davon auszugehen, dass auch die Erstantragsgegnerin ihre Preise in diesem Ausmaß erhöht hat. Demgegenüber betrug die von diesem Verein angegebene Steigerung der Produktionskosten nur rund 38 %. 2021 wurden in Österreich rund 1,6 Millionen Tonnen Pellets produziert und knapp 1,2 Millionen Tonnen Pellets verbraucht. Für die nächsten Jahre wird laut dem Verein p* ebenfalls ein Produktionsüberschuss erwartet. Aus von der Statistik Austria veröffentlichten Daten ergab sich für die Jahre 2016 bis 2021 zwar ein Trend zu steigenden Pellets‑Exporten. Für den Zeitraum Jänner bis Mai 2022 zeigte sich gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021 jedoch ein leichter Export‑Rückgang. Die Importe gingen ebenfalls leicht zurück. Importe von Pellets aus der Ukraine und Russland machten 2021 weniger als 1 % der gesamten österreichischen Importe aus.
[10] In letzter Zeit nahmen Konsumentenbeschwerden im Zusammenhang mit den genannten Preissteigerungen zu. Kundenangaben zufolge boten Händler insbesondere in Tirol bereits seit Jahren, insbesondere im ersten Halbjahr 2022, Pellets zu auffallend ähnlichen Preise an. Seit Sommer 2022 nennen mehrere Pelletshändler und ‑produzenten keine Preise mehr, sondern verweisen auf Lieferengpässe. Sofern überhaupt noch Bestellungen angenommen werden, werden Lieferfristen von 4 bis 12 Wochen in Aussicht gestellt oder es wird auf die Möglichkeit von Lieferreservierungen (mit ähnlichen Fristen) verwiesen, wobei die Pellets dann zum Tagespreis zu zahlen seien. Händler liefern teilweise – mit Ausnahme an Neukunden betreffend die Erstfüllung ihres Kessels – nur noch an Stammkunden. Tatsächlich sind die Lagerbestände der Händler und Produzenten jedoch gut gefüllt. Holzpellets werden bewusst zurückgehalten, um die Preise weiter nach oben zu treiben und von diesen Preissteigerungen zu profitieren.
[11] Ein anonymer – in der „Pelletsbranche“ tätiger – „Hinweisgeber“ teilte der Antragstellerin am 18. 8. 2022 glaubhaft telefonisch mit, dass er vor rund zwei Jahren mit einem Entscheidungsträger der Erstantragsgegnerin über die Bestellung einer größeren Pelletsmenge für einen Großkunden gesprochen habe. Dabei sei ihm von seinem Gesprächspartner mitgeteilt worden, dass die Erstantragsgegnerin an die Preisvorgaben des Vereins p* gebunden sei. Dem Hinweisgeber sei auch bekannt, dass viele Erzeuger und Händler (vor allem in Westösterreich) über hohe Lagerstände verfügten.
[12] In einem in einer österreichischen Tageszeitung veröffentlichten Zeitungsinterview führte der Obmann des Vereins p* aus, dass ein Verkauf von Pellets durch den zweiten großen (österreichischen) Mitbewerber zu einem günstigeren Preis zu einer „eklatanten Schieflage“ gegenüber den Mitbewerbern führen würde.
[13] Rechtlich ging das Erstgericht von einem begründeten Tatverdacht eines wettbewerbswidrigen Verhaltens der Erstantragsgegnerin aus. Es sei zu erwarten, dass dieser Verdacht durch die Hausdurchsuchung entweder verdichtet oder entkräftet werden könne. Die Hausdurchsuchung sei erforderlich, weil nach weiteren zur Aufklärung des Verdachts geeigneten Informationsquellen zu suchen sei. Die bisher nur punktuell bestehenden Verdachtsmomente würden zur Stellung eines Abstellungs‑ oder Geldbußenantrags nicht ausreichen. Dafür, dass das vermutete wettbewerbswidrige Verhalten eingestellt worden wäre, bestünden keine Anhaltspunkte. Eine freiwillige Erteilung weiterer Informationen oder die Herausgabe belastender Beweisurkunden durch die Antragsgegnerinnen sei nicht zu erwarten. Die Durchführung anderer Ermittlungsmaßnahmen bringe das Risiko von Verdunkelungsmaßnahmen mit sich. Die beantragte Hausdurchsuchung sei daher verhältnismäßig. Da die Antragsgegnerinnen konzernmäßig miteinander verflochten seien und ihren Sitz an der selben Geschäftsadresse hätten, sei der Hausdurchsuchungsbefehl gegen alle Antragsgegnerinnen zu erlassen.
[14] Dagegen richtet sich der von der Antragstellerin beantwortete Rekurs der Antragsgegnerinnen.
Rechtliche Beurteilung
[15] Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Zum Spruch des angefochtenen Beschlusses:
[16] 1.1. Die Rekurswerber kritisieren, dass der Spruch des bekämpften Beschlusses Art und Umfang der Hausdurchsuchung nicht bestimmt erkennen lasse. Der Hausdurchsuchungsbefehl hätte auf das Erlangen von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen beschränkt werden müssen, weil sonst nicht klar sei, worauf sich die Nachprüfung beziehe und wonach genau gesucht werde.
[17] 1.2. Den Rekurswerbern ist zuzugestehen, dass der Prüfungsauftrag möglichst genau angeben muss, wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung bezieht. Allerdings besteht in diesem Zusammenhang keine Verpflichtung bestimmte Unterlagen zu nennen (16 Ok 2/10; 16 Ok 10/15d). Im dem zu 16 Ok 10/15d beurteilten Fall wurde im Hausdurchsuchungsbefehl ebenfalls nur die Sicherstellung von „physischen und elektronischen Kopien“ genannt. Der Oberste Gerichtshof bezweifelte in dieser Entscheidung nicht, dass damit physische und elektronische Kopien von Geschäftsunterlagen oder Geschäftsbüchern und sonstigen Unterlagen gemeint gewesen seien, die in Bezug zum (dort) vermuteten Kartellverstoß stehen. Dies habe sich im genannten Fall „bei vernünftiger Betrachtung hinreichend erschließbar“ aus dem Gesamtzusammenhang der erstinstanzlichen Entscheidung (sowie dem Beschluss über dessen Erweiterung) ergeben. Einer näheren Spezifizierung der gesuchten Geschäftsunterlagen habe es nicht bedurft, weil auch nach unbekannten Informationsquellen gesucht werden dürfe.
[18] 1.3. Auch der vorliegende Hausdurchsuchungsbefehl bezieht sich auf die Sicherstellung „physischer und elektronischer Kopien“. Es kann auch hier kein Zweifel daran bestehen, dass damit Kopien von Geschäftsunterlagen und sonstigen Unterlagen gemeint sind, die im Zusammenhang mit dem Verdacht wettbewerbswidriger Absprachen und/oder abgestimmter Verhaltensweisen sowie von Beschlüssen einer Unternehmervereinigung beim Vertrieb von Holzpellets, die gegen § 1 Abs 1 KartG und Art 101 Abs 1 AEUV verstoßen, stehen. Dies erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang der angefochtenen Entscheidung (16 Ok 10/15d). Auch im Außerstreitverfahren ist die Begründung einer Entscheidung zur Auslegung der Tragweite ihres Spruchs heranzuziehen (RS0084935; RS0000300 [T12 und T24 zum AußStrG]). Einer näheren Spezifizierung der Geschäftsunterlagen bedurfte es nicht (wieder 16 Ok 10/15d). Insbesondere musste – entgegen dem Standpunkt der Rekurswerber – deren „Relevanz zum bescheinigten Sachverhalt“ nicht im Spruch angegeben werden.
[19] 1.4. Dass sich aus dem angefochtenen Beschluss nicht ergebe, wer die Durchsuchung zu dulden habe, trifft angesichts der klaren Bezeichnung der Antragsgegnerinnen sowie des Orts der Hausdurchsuchung nicht zu. Auch die Behauptung der Rekurswerber, der Hausdurchsuchungsbefehl lasse nicht erkennen, gegen wen sich der Verdacht eines wettbewerbswidrige Verhaltens richte, überzeugt im Hinblick auf dessen eingehende Begründung nicht.
2. Zur Passivlegitimation :
[20] 2.1. Die Rekurswerberinnen kritisieren, dass der Spruch des Hausdurchsuchungsbefehls nicht zwischen der (ersichtlich gemeint) Erstantragsgegnerin, der ein Wettbewerbsverstoß vorgeworfen werde, und den weiteren Antragsgegnerinnen, bei denen dies nicht der Fall sei, unterscheide. Damit würden auch diese unter „Generalverdacht“ gestellt, für den nach dem bescheinigten Sachverhalt keine Grundlage bestehe.
[21] 2.2. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich der begründete Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften nicht gegen die Person richten, in deren Räumlichkeiten die Hausdurchsuchung angeordnet wird (RS0125748). Sie kann vielmehr auch gegenüber Dritten angeordnet werden, bei denen entsprechende Unterlagen iSd § 12 WettbG vermutet werden. Die Beteiligung des Adressaten eines Hausdurchsuchungsbefehls an einer kartellrechtswidrigen Absprache ist also nicht Voraussetzung für dessen Erlassung (RS0125748 [T2]). Eine Hausdurchsuchung kann insbesondere auch gegenüber Konzerngesellschaften mit gleichem Sitz angeordnet werden (vgl RS0125748 [T7, T8]).
[22] 2.3. Das Erstgericht durfte den Hausdurchsuchungsbefehl hier schon deshalb gegen sämtliche Antragsgegnerinnen erlassen, weil diese ihren Firmensitz an der gleichen Adresse wie die Erstantragsgegnerin haben und sie auf Gesellschafter‑ sowie Organebene miteinander verflochten sind. Dass die Hausdurchsuchung aus diesem Grund auch gegenüber den 2. bis 13. Antragsgegnerinnen angeordnet werden durfte, wird von diesen in ihrem Rekurs aber ohnehin nicht substanziiert in Zweifel gezogen. Sie stehen jedoch auf dem Standpunkt, dass im Spruch zwischen der Erstantragsgegnerin, der ein konkreter Wettbewerbsverstoß vorgeworfen wird, und den übrigen Antragsgegnerinnen, bei denen dies nicht der Fall sei, unterschieden werden hätte müssen. Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Differenzierung im Spruch der angefochtenen Entscheidung ist aber weder ersichtlich, noch legen die Rechtsmittelwerber eine solche dar. Aus der Begründung des Hausdurchsuchungsbefehls ergibt sich ohnehin, dass sich der Verdacht eines wettbewerbswidrigen Verhaltens nur gegen die Erstantragsgegnerin richtet. Die Behauptung, es seien alle Antragsgegnerinnen einem „Generalverdacht“ ausgesetzt worden, ist daher nicht nachvollziehbar.
3. Zum begründeten Tatverdacht:
[23] 3.1. Begründet ist ein Verdacht iSd § 12 Abs 1 WettbG, wenn er sich rational nachvollziehen lässt. Dafür müssen Tatsachen vorliegen, aus denen nachvollziehbar geschlossen werden kann, dass eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsbestimmungen vorliegt (RS0125748 [T1]). Ein „dringender“ Tatverdacht ist nicht erforderlich (RS0125748 [T4]). Es muss daher auch kein konkreter wettbewerbswidriger Verstoß festgestellt sein. Ob ein begründeter Verdacht gemäß § 12 WettbG besteht, ist durch rechtliche Würdigung der tatsächlichen verdachtsbegründenden Umstände zu ermitteln und ist im Rekursverfahren überprüfbar (RS0125748 [T5]). Ob in tatsächlicher Hinsicht ein hinreichend begründeter Verdacht vorliegt, ist jedoch eine Frage der Beweiswürdigung, die gemäß § 49 Abs 3 KartG nur eingeschränkt bekämpfbar ist (RS0125748 [T6]; 16 Ok 1/17h).
[24] 3.2. Die Rekurswerber behaupten, dass „ein Großteil“ des bescheinigten Sachverhalts „spekulativ formuliert“ sei und ausreichend konkrete Anhaltspunkte für einen die Hausdurchsuchung rechtfertigenden Anfangsverdacht fehlten. Das Erstgericht habe nicht nachvollziehbar begründet, aufgrund welcher Umstände auf einen Wettbewerbsverstoß der Erstantragsgegnerin zu schließen sei. Insbesondere die Mitteilung des „Hinweisgebers“ von dem mit einem Entscheidungsträger der Erstantragsgegnerin geführten Gespräch sei gänzlich unkonkret.
[25] 3.3. Eine korrekturbedürftige rechtliche Beurteilung zeigen die Rekurswerber damit nicht auf. Ihre Rechtsrüge beschränkt sich weitgehend auf die pauschale Behauptung, der als bescheinigt angenommene Sachverhalt reiche nicht aus, um einen begründeten Verdacht eines wettbewerbswidrigen Verhaltens der Erstantragsgegnerin zu begründen. Mit der Begründung des Erstgerichts setzten sich die Rekurswerber nicht konkret auseinander. Dass es allenfalls für die Handlungsweise der Antragsgegnerinnen auch andere Erklärungen gibt (wobei die Rekurswerber ohnehin keine solchen nachvollziehbaren Erklärungen ins Treffen führen), vermag eine begründete Verdachtslage nicht zu entkräften (16 Ok 6/16t).
[26] 3.4. Der Inhalt einer anonymen Anzeige kommt als eine eine Hausdurchsuchung rechtfertigende Tatsache grundsätzlich in Betracht (16 Ok 7/13 mwN). Im vorliegenden Fall ergaben sich aus der Mitteilung des in der „Pelletsbranche“ tätigen anonymen „Hinweisgebers“ glaubhafte Anhaltspunkte dafür, dass sich die Erstantragsgegnerin an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteilige.
[27] 3.5. Das Erstgericht stützte den von ihm angenommenen begründeten Tatverdacht aber ohnehin nicht nur auf die Information dieses „Hinweisgebers“, sondern auch auf statistische Daten und zahlreiche (begründete) Beschwerden von Kunden. Es legte seiner Entscheidung zugrunde, dass in den vergangenen Jahren ein Überschuss an Holzpellets erwirtschaftet wurde, dass die Exporte zuletzt (leicht) zurückgingen, sich der Krieg in der Ukraine auf die Versorgungslage in Österreich nur marginal auswirkte und die Produktionskosten nicht im selben Ausmaß wie die Verkaufspreise gestiegen sind. Dass es auf dieser Grundlage insgesamt – auch unter Einbeziehung der vom „Hinweisgeber“ behaupteten Preisabsprachen – davon ausging, dass sich die (von den Rekurswerbern nicht bestrittene) Preiserhöhung von Pellets um rund 150 % in einem Jahr nur durch ein wettbewerbswidriges Verhalten erklären lasse, begegnet keinen vom Rekursgericht aufzugreifenden Bedenken. Davon, dass es sich bei dem vom Erstgericht angenommenen Tatverdacht um eine bloße Spekulation handle, kann keine Rede sein.
4. Zur Verhältnismäßigkeit:
[28] 4.1. Die Rekurswerber vermissen Feststellungen dazu, ob das vom Erstgericht vermutete wettbewerbswidrige Vorgehen weiterhin erfolge oder eingestellt worden sei. Die Hausdurchsuchung sei auch angesichts möglicher anderer Ermittlungsmaßnahmen unverhältnismäßig gewesen.
[29] 4.2. Dass die Erstantragsgegnerin das vermutete wettbewerbswidrige Verhalten eingestellt habe, behauptet sie in ihrem Rechtsmittel gar nicht. Dafür bestanden angesichts der bis zuletzt hohen Preise für Holzpellets auch keine konkreten Anhaltspunkte. Besteht – wie hier – der begründete Verdacht, dass ein Kartell trotz ausdrücklichen Verbots fortgesetzt wird, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass die Anordnung einer Hausdurchsuchung unverhältnismäßig ist (RS0127268 [T9]).
[30] 4.3. Zwischen den der Bundeswettbewerbsbehörde zustehenden Ermittlungsbefugnissen besteht auch keine hierarchische Ordnung. Insbesondere ist die Durchführung eines Auskunftsverlangens keine Voraussetzung für die Erlassung eines Hausdurchsuchungsbefehls (RS0127267). Im Gegensatz zur Hausdurchsuchung, die zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen angeordnet werden kann, ermöglicht ein Auskunftsverlangen nach § 11a WettbG kein Suchen nach Unterlagen, sondern setzt voraus, dass die geschäftlichen Unterlagen entweder bereits bekannt sind oder freiwillig zur Verfügung gestellt werden. Zur Erreichung des Zwecks der Aufklärung des begründeten Verdachts eines wettbewerbswidrigen Verhaltens ist eine Hausdurchsuchung geeignet und erforderlich, wenn nach zur Aufklärung geeigneten Informationsquellen gesucht oder die Vollständigkeit bereits vorhandener Unterlagen überprüft werden muss (16 Ok 5/11). Bei – wie hier – Vorliegen eines solchen Verdachts kann die Hausdurchsuchung somit auch als erstes Instrument zur Gewinnung von Beweismitteln eingesetzt werden (16 Ok 10/15d mwN).
[31] 5. Zusammengefasst zeigt der Rekurs der Antragsgegnerinnen keine vom Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Erstgericht auf. Diesem kommt daher keine Berechtigung zu.
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