European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00082.22A.1220.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten R* und G* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * R* und * G* – ebenso wie * K*, der das Urteil unbekämpft ließ – jeweils des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 (zu ergänzen:) erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben R* und G* von 13. bis 29. September 2021 in W* und andernorts im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig und als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung in drei, im angefochtenen Urteil näher beschriebenen Fällen dort genannten Geschädigten Personenkraftwagen der Marke Porsche (samt darin befindlicher Wertgegenstände) in einem jeweils 5.000 Euro und insgesamt 300.000 Euro übersteigenden (Gesamt‑)Wert von 303.450 Euro durch Eindringen mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug, nämlich durch Ziehen der Schlosszylinder, Manipulation der Steuerungsgeräte und Erstellung von Schlüsselklonen in zwei Fällen weggenommen (A./ I./) und dies in einem weiteren Fall versucht (A./ II./).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die getrennt ausgeführten, jeweils auf Z 4 und 5, von R* auch auf Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten und jene der Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO in Ansehung aller Angeklagter.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*:
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte der in der Hauptverhandlung am 15. März 2022 gestellte Antrag des Angeklagten K* auf „Wertermittlung der gestohlenen Fahrzeuge“ durch Bestellung „eines Sachverständigen“, welchem sich der Beschwerdeführer angeschlossen hat (ON 98 S 64; vgl auch ON 106 S 7), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden (ON 106 S 8), weil er – schon mangels Vorbringens, welche konkreten, den Angeklagten entlastenden Umstände daraus ersichtlich sein sollten – nicht erkennen ließ, weshalb die begehrte Beweisaufnahme geeignet gewesen wäre,eine Verbreiterung der bereits vorhandenen Entscheidungsgrundlagen zu bewirken, womit er auf im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 f).
[5] Die Mängelrüge bezeichnet mit den in der Rechtsmittelschrift wiedergegebenen Äußerungen des Zeugen * B* zum Wert seines Kraftfahrzeugs (ON 106 S 6 f, ON 78 S 3 ff) keine entscheidende Tatsachen betreffenden Feststellungen entgegenstehende – und damit iSd § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftige (vgl RIS‑Justiz RS0118316; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 425) – Verfahrensergebnisse (US 12).
[6] Dem weiteren Vorbringen zuwider (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter dargelegt, aus welchen Gründen sie die als übergangen erachtete Verantwortung des Angeklagten als Schutzbehauptung verworfen haben (US 9 ff), wobei das Erstgericht – dem Gebot zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht gehalten war, diese als nicht zu seiner Entlastung geeignet angesehenen Angaben in all ihren Details gesondert zu erörtern (RIS‑Justiz RS0098778, RS0106642; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428).
[7] Die weiters behauptete Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) scheidet zufolge fehlender (erheblich) unrichtiger oder unvollständiger Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde oder einer Aussage aus. Mit dem der Sache nach erhobenen Einwand, die von den Tatrichtern aus bestimmten Beweismitteln gezogenen Schlussfolgerungen (US 11) fänden im Akteninhalt keine Deckung, wird ein derartiges Fehlzitat vom Beschwerdeführer gerade nicht aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0099431; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 468).
[8] Weshalb die von den Tatrichtern aus dem objektiven Geschehensablauf gezogenen Schlussfolgerungen zum Vorliegen einer kriminellen Vereinigung (US 12 iVm US 6 sowie US 9 und 11) den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0099413, RS0116732; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 444) widersprächen, wird von der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht begründet dargelegt.
[9] Gleiches gilt für die kritisierten Konstatierungen zum Wert der jeweiligen Fahrzeuge, welche mängelfrei aus den vorliegenden „Gutachten aus dem Versicherungsakt“ und den Angaben des Zeugen B* erschlossen werden konnten (vgl wiederum US 12). Soweit mit dem Vorbringen eine weitere (den Kriterien der Z 5 entsprechende) Begründung der genannten beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter verlangt wird, übersieht der Beschwerdeführer, dass diese ihrerseits nicht weiter begründungspflichtig sind (vgl RIS‑Justiz RS0116737; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 410).
[10] Die gegen die rechtliche Unterstellung der Taten (auch) unter § 130 Abs 2 iVm Abs 1 zweiter Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht die mit hinreichender Deutlichkeit getroffenen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19), auch die Dauer der Vereinigung der drei Angeklagten von mehreren Monaten umfassenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6 iVm US 8) und verfehlt damit den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*:
[11] Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet, der Antrag des Angeklagten K* auf „Wertermittlung der gestohlenen Fahrzeuge“ durch Bestellung „eines Sachverständigen“, welchem sich der Beschwerdeführer angeschlossen hat (ON 98 S 64; vgl auch ON 106 S 7), wäre zum Beweis dafür gestellt worden, „dass die Werte in der Klagsschrift überhöht angesetzt worden seien“, entfernt sie sich vom unbeanstandet gebliebenen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, dem ein solches im Übrigen gleichfalls nicht hinreichendes Vorbringen nicht zu entnehmen ist. Aus den in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R* genannten Gründen konnte dieser Antrag ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden. Das im Rechtsmittel zur ergänzenden Antragsfundierung erstattete (umfangreich beweiswürdigende) Vorbringen ist prozessual verspätet und damit unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 325).
[12] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) legt nicht dar, weshalb die zur Tatbeteiligung (auch) des Beschwerdeführers angestellten Erwägungen des Erstgerichts (US 9 ff [insb US 11 f]) den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS‑Justiz RS0099413, RS0116732; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 444) widersprächen. Indem der Angeklagte unter Berufung auf den „Zweifelsgrundsatz“ für sich günstigere Schlussfolgerungen reklamiert, wird kein aus Z 5 beachtlicher Mangel zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0102162; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 454).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
[13] Die rechtsfehlerfreie Annahme – hier vom Erstgericht verneinter (US 15) – gemäß § 39 Abs 1 StGB erweiterter Strafbefugnis hätte Tatsachenfeststellungen erfordert, auf deren Grundlage die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind (RIS‑Justiz RS0134000; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB Update 2020 § 39 Rz 19; vgl allgemein Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 669). Die hier in den Entscheidungsgründen enthaltenen lapidaren Hinweise auf jeweils nicht näher konkretisierte „einschlägige Vorstrafen“ der Angeklagten sowie auf von diesen verbüßte Freiheitsstrafen wegen nicht näher bezeichneter Taten (vgl dazu US 5 f und 14 f) genügen diesem Erfordernis nicht (idS 13 Os 27/22b [Rz 17], jüngst 14 Os 94/22p [Rz 9]).
[14] Soweit die Sanktionsrüge der Staatsanwaltschaft (Z 11 erster Fall) in Ansehung des Angeklagten G* auf Basis dieser (unzureichenden) Konstatierungen (US 15) die Anwendung des § 39 Abs 1 StGB reklamiert, verfehlt sie den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit.
[15] Indem die Beschwerdeführerin weiters unter Hinweis auf mehrere (auf S 2 f der Rechtsmittelschrift näher bezeichnete) nicht einjournalisierte E‑Mails von Eurojust im Zusammenhalt mit den eingeholten „ECRIS‑Auskünften und sonstigen aus dem Ausland beigeschafften Urteils- und Vollzugsinformationen“ Feststellungsmängel in Ansehung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB zu allen drei Angeklagten geltend macht, übersieht sie, dass zwar „die ECRIS‑Auskünfte der Angeklagten“ (ersichtlich gemeint: ON 5 f und ON 22 bis 24) in der Hauptverhandlung verlesen (ON 98 S 2) und dort in weiterer Folge auch ein „Konvolut der ECRIS‑Auskünfte“ (ON 106 S 9), nicht aber die genannten E‑Mails oder „sonstige Urteils- und Vollzugsinformationen“ enthaltende Beweismittel von der Vorsitzenden des Schöffengerichts gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragen wurden und somit keine in der Hauptverhandlung vorgekommenen Indizien für die begehrten Feststellungen bezeichnet werden. In einem solchen Fall hätte es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4 bedurft (RIS‑Justiz RS0127315, RS0116735, RS0118580 [T7, T20]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 600).
[16] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur waren die Nichtigkeitsbeschwerden daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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