OGH 5Ob178/22w

OGH5Ob178/22w5.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. Ma*, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, 2. Mi*, wegen Auskunft aus dem Personenverzeichnis des Grundbuchs, über den Revisionsrekurs des Erstantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. August 2022, AZ 46 R 164/22s, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. Juni 2022, NGB 372/2022, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00178.22W.1205.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Hinsichtlich der nachstehend angeführten Personen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen behoben und dem Erstgericht aufgetragen, dem Erstantragsteller Abschriften und Mitteilungen aus dem Personenverzeichnis des Grundbuchs, insbesondere die Grundstücksnummern und zugehörigen Katastralgemeinden ihrer allfälligen Grundstücke in Österreich mitzuteilen:

O*, geboren *

A*, geboren *

R*, geboren *

I*, geboren *

A*, geboren *

M*, geboren *

 

Hinsichtlichder weiteren im Antrag genannten Personen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Der Erstantragsteller ist ORF‑Journalist, der Zweitantragsteller Journalist eines Print-Mediums. Sie begehrten beim Erstgericht Auskunft aus dem Personenverzeichnis des Grundbuchs betreffend Grundstücksnummern und zugehörige Katastralgemeinden der Grundstücke in Österreich zu den von ihnen namentlich unter Anschluss der Geburtsdaten genannten Personen. Sie begründen dies mit der Öffentlichkeit des Grundbuchs (§ 7 GBG) und ihrem rechtlichen Interesse daran im Sinn des § 5 Abs 4 GUG. Sie seien im Rahmen journalistischer Recherche als „public watchdog“ tätig und dabei zu recherchieren, wie bzw ob die verhängten Sanktionen aufgrund des Kriegs in der Ukraine in Österreich umgesetzt werden und ob es über die sanktionierten Personen hinaus exorbitante russische Vermögenswerte gebe. Zu den im Spruch genannten Personen verweisen sie auf die von der EU über diese verhängten Sanktionen und ihren Immobilienbesitz in Österreich bzw Sitz ihrer Firmen in Wien. Hinsichtlich weiterer 14 Personen führen sie teils Sanktionen anderer Staaten, teils Verbindungen zu österreichischen Unternehmen und/oder Immobilien in Österreich ins Treffen.

[2] Das Erstgericht wies den Einsichtsantrag ab. § 5 Abs 4 GUG verlange für die Abschrift aus dem Personenverzeichnis des Grundbuchs die Darlegung eines rechtlichen Interesses, das ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein müsse, das über bloß wirtschaftliches Interesse oder Interessen der Information, der Pietät, des Anstands oder der Ethik hinausreiche. Das genannte Interesse als „öffentliches Wachorgan“ sei mit dem geforderten rechtlichen Interesse nicht gleichzusetzen.

[3] Das Rekursgericht gab dem von beiden Antragstellern erhobenen Rekurs nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Zwar sei das dargelegte journalistische Interesse und das damit korrespondierende Informationsinteresse der Öffentlichkeit kein rein wirtschaftliches Interesse. Damit sei aber nichts gewonnen, weil die Verneinung eines wirtschaftlichen Interesses allein nicht bedeute, dass das Interesse ein rechtliches sein müsse. Vorauszusetzen sei ein aktueller Anlass zur Klärung eines Rechtsverhältnisses wie etwa die behauptete bevorstehende gerichtliche Einbringlichmachung einer Forderung. Wenn auch das aus dem Recht der freien Meinungsäußerung abgeleitete Informationsrecht der Öffentlichkeit von der Rechtsordnung garantiert sei, sei daraus noch nicht abzuleiten, dass ein von einer bestimmten Norm gefordertes rechtliches Interesse jedenfalls gegeben sei. Dies sei auch dem Erkenntnis des VfGH zu E 4037/2020 nicht zu entnehmen, weil diesem ein nach dem Auskunftspflichtgesetz zu beurteilender Sachverhalt zugrunde gelegen sei.

[4] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein begründetes journalistisches Interesse bzw ein mit diesem korrespondierendes allgemeines Informationsinteresse mit dem rechtlichen Interesse im Sinn des § 5 Abs 4 GUG gleichzusetzen sei.

[5] In seinem dagegen gerichteten Revisionsrekurs strebt (nur) der Erstantragsteller die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und Stattgebung seines Gesuchs auf Auskunft aus dem Personenverzeichnis an, hilfsweise eine Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung. Die Abweisung des Einsichtsantrags des Zweitantragstellers ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist auch teilweise berechtigt.

[7] 1. Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Der Antragstellervertreter hat hier aber bescheinigt, dass ihm die Übermittlung des Rechtsmittels auf elektronischem Weg aus technischen Gründen ausnahmsweise nicht möglich war (§ 1 Abs 1c ERV 2006), indem er die entsprechende Fehlermeldung vorlegte. Die Einbringung des Revisionsrekurses im Postweg ist daher kein zu verbessernder Formmangel (vgl RIS‑Justiz RS0128266).

[8] 2.1. Gemäß § 7 Abs 1 GBG ist das Grundbuch öffentlich und gemäß § 6 Abs 1 GUG ist jedermann nach Maßgabe der technischen und personellen Möglichkeiten zur Abfrage des Grundbuchs, der Urkundensammlung und der Hilfsverzeichnisse mit Ausnahme des Personenverzeichnisses aus der Grundstücksdatenbank und der Urkundendatenbank mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung (Grundbuchsabfrage) befugt. Es hat daher jedermann das Recht, in das Grundbuch Einsicht zu nehmen und sich so über die Rechtsverhältnisse an Liegenschaften zu informieren (Öffentlichkeitsgrundsatz oder Publizitätsprinzip – Höller in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 7 GBG Rz 1).

[9] 2.2. Gemäß § 6 Abs 2 GUG idF der  Grundbuchsnovelle 2018 sind (nur) Notare und Rechtsanwälte in drei dort näher gesetzlich definierten Fällen auch zur Abfrage des Personenverzeichnisses befugt, ebenso Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinde sowie die Sozialversicherungsträger und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, soweit dies zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben notwendig ist.

[10] 2.3. Nach § 5 Abs 4 GUG sind Abschriften und Mitteilungen aus dem Personenverzeichnis den dort eingetragenen Personen über diese betreffende Eintragungen zu erteilen. Darüber hinaus sind Abschriften und Mitteilungen aus dem Personenverzeichnis nur denjenigen Personen, die ein rechtliches Interesse daran darlegen, in dem dadurch gerechtfertigten Umfang zu erteilen. Darlegung im Sinn des § 5 Abs 4 GUG bedeutet die begründete tatsächliche Behauptung, aus der sich das rechtliche Interesse und dessen Umfang ergibt; das rechtliche Interesse kann durch Vorlage geeigneter Urkunden untermauert werden (Höller in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 7 GBG Rz 23 mwN). Über die Verweigerung einer Erteilung einer Abschrift ist mit Beschluss zu entscheiden. Die Anfechtung dieses Beschlusses richtet sich gemäß § 5 Abs 4 letzter Satz GUG nach den §§ 45 ff AußStrG (Höller aaO Rz 24). Eine Verweigerung der Einsichtnahme wird etwa dann gerechtfertigt sein, wenn der Name des Liegenschaftseigentümers unzureichend bezeichnet wurde, sodass Zweifel bestehen, bei Bedenken gegen die Richtigkeit des Vorbringens oder wenn das Begehren den Intentionen des Gesetzgebers widerspricht (Höller aaO).

[11] 3.1. Aus prozessualer Sicht ist vorauszuschicken, dass das Rekursgericht den Rekurs zutreffend als nicht als bloß verfahrensleitend im Sinn des § 45 AußStrG (zum Begriff vgl RS0006327) – und damit zulässig – gewertet hat, weil die Antragsteller grundsätzlich Anspruch auf Entscheidung über ihre Anträge haben und ihre Rechtsstellung durch eine Abweisung beeinträchtigt wird.

[12] 3.2. In einem nächsten Schritt ist aufgrund der in § 5 Abs 4 letzter Satz GUG angeordneten Anwendung der §§ 45 ff AußStrG (und nicht etwa § 124 GBG mit der dort normierten Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens) die Frage der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens zu erörtern. § 48 Abs 1 AußStrG verlangt nämlich, dass – wird ein Rekurs gegen einen Beschluss erhoben, mit dem über die Sache oder über die Kosten des Verfahrens entschieden worden ist, – jeder anderen aktenkundigen Partei die Gleichschrift des Rekurses zuzustellen ist. Unter „Entscheidung über die Sache“ versteht die ständige Rechtsprechung (RS0120860) stattgebende, abweisende und auch zurückweisende Entscheidungen über einen Rechtsschutzantrag, somit jede Entscheidung über den Verfahrensgegenstand (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 48 AußStrG Rz 3). Die (das Verfahren ja abschließende) Entscheidung über einen Einsichtsantrag in das Personenverzeichnis ist als eine Entscheidung über „die Sache“ zu verstehen.

[13] 3.3. Allerdings ist die generelle Anordnung der Zweiseitigkeit in § 48 Abs 1 AußStrG nach herrschender Auffassung (vgl G. Kodek aaO Rz 14 mwN) überschießend. So kommt sie etwa im Hinblick auf § 8 AußStrG nicht zur Anwendung, wenn Anträge, die sofort zurück‑ oder abzuweisen sind, dem Antragsgegner gar nicht zugestellt werden müssen. Weist das Erstgericht den verfahrensleitenden Antrag sofort ab – wie hier – ist das Rekursverfahren daher einseitig (vgl G. Kodek aaO mwN). Auch diesbezüglich ist die Entscheidung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden.

3.4. Der Freistellung einer Revisionsrekursbeantwortung bedarf es nicht:

[14] Die Frage, ob bei einem Einsichtsbegehren (insbesondere der Presse) der Grundstückseigentümer zuvor gehört werden sollte, war noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung, wird aber in Deutschland (bei etwas anderer Rechtslage) intensiv diskutiert. § 12 der (deutschen) GBO verlangt nämlich – anders als § 6 Abs 1 GUG – bereits für die „einfache“ Grundbuchsabfrage und nicht erst für die Einsicht in das Personenverzeichnis die Darlegung eines berechtigten Interesses. Wird dort ein öffentlich zugängliches Eigentümerverzeichnis geführt, ist nach § 12a Abs 1 GBO Auskunft auch dazu zu erteilen, soweit (...) die Voraussetzungen für die Einsicht in das Grundbuch gegeben sind, somit bei Darlegung eines berechtigten Interesses. Die deutsche Literatur (Böhringer, Grundbuchseinsicht durch die Presse, NJ 2021, 348 [349]) zitiert als vorherrschend die Ansicht, dass es mit dem grundgesetzlich gewährten Recht der Presse auf Informationsfreiheit unvereinbar sei, wenn das Grundbuchsamt den Grundstückseigentümer vor einer Grundbuchseinsicht benachrichtigt (dies unter Hinweis auf Judikatur des deutschen BVerfG und mehrerer Oberlandesgerichte in Deutschland). Auch Wilsch (Praxis der Grundbuch‑ und Grundakteneinsicht, insbesondere durch die Presse, NZM 2017, 244) meint, selbst in Zweifelsfällen werde der betroffene Eigentümer nicht vor der Einsichtnahme zu hören sein, eine Anhörung sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Eigentümer werde auch nicht über eine erfolgte Einsichtnahme in Kenntnis gesetzt, bei Einsichtnahme durch die Presse würde dies das Grundrecht auf Informationsbeschaffung einschränken (unter Hinweis auf BVerfG NJW 2001, 503).

[15] 3.5. Diese Erwägungen gelten für die verfahrensrechtliche Beurteilung des Antrags auf Einsicht in das Personenverzeichnis des Grundbuchs in Österreich sinngemäß. Zwar sind nach herrschender Meinung (vgl Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 22 AußStrG Rz 57) Beschlüsse über die Gewährung der Akteneinsicht, denen eine Anhörung der Verfahrensparteien voranzugehen hat, sowohl im Fall der Ablehnung der Einsichtsgewährung als auch der Gewährung gegen die ausdrückliche Stellungnahme einer Partei im Instanzenzug anfechtbar. § 22 AußStrG verweist allerdings auf § 219 ZPO und betrifft die Einsicht in Gerichtsakten, die – im Gegensatz zu dem nach § 7 GBG öffentlichen Grundbuch – nicht öffentlich sind. Die schon nach dem Gesetzeswortlaut eindeutige Regelung des § 5 Abs 4 GUG sieht demgegenüber vor, dass nur über die Verweigerung der Erteilung einer Abschrift mit Beschluss zu entscheiden ist und sich die Anfechtung dieses Beschlusses nach den Vorschriften über das Verfahren außer Streitsachen richtet. Dass der Gewährung von Einsicht in das Personenverzeichnis des Grundbuchs zwingend eine Anhörung des betroffenen Liegenschaftseigentümers voranzugehen hätte und auch über die Gewährung der Einsicht mit Beschluss zu entscheiden wäre, den der betroffene Liegenschaftseigentümer im Instanzenzug anfechten könnte, ist dem Gesetz daher gerade nicht zu entnehmen. In vielen Fällen eines rechtlichen Interesses an der Einsichtnahme (etwa wegen einer beabsichtigten Zwangsvollstreckung, aber auch bei Einsichtnahme durch die Presse) könnte dies das angestrebte Ziel der Einsicht in das Personenverzeichnis torpedieren.

3.6. Zusammenfassend folgt daraus:

[16] Über den Antrag eines Dritten auf Einsicht in das Eigentümerverzeichnis ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 5 Abs 4 GUG mit Beschluss nur dann zu entscheiden, wenn die Erteilung der Abschrift verweigert wird. Über die Gewährung dieser Einsicht hat kein Beschluss zu ergehen, dies ist im Instanzenzug durch den betroffenen Liegenschaftseigentümer nicht anfechtbar. Daraus folgt in teleologischer Reduktion des Verweises in § 5 Abs 4 GUG, dass auch im Rekursverfahren betreffend die Verweigerung der Erteilung der Abschrift selbst dann keine Rekurs- und/oder Revisionsrekursbeantwortung erforderlich ist, wenn der Beschluss auf Verweigerung der Einsicht in das Personenverzeichnis behoben wird.

[17] 4. Inhaltlich macht der Revisionsrekurswerber im Wesentlichen geltend, ein berechtigtes journalistisches und mit diesem korrespondierendes allgemeines Informationsinteresse sei dem § 5 Abs 4 GUG verlangten rechtlichen Interesse gleichzuhalten. Nach der Rechtsprechung des EGMR sei das Recht auf freie Meinungsäußerung im Sinn des Art 10 EMRK verfassungsrechtlich garantiert. Dieses umfasse auch ein Recht auf Zugang zu Informationen, wenn der Zugang zur Information für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, vor allem die Freiheit auf den Erhalt und die Weitergabe von Informationen maßgeblich sei. Dabei sei darauf abzustellen, ob das Sammeln der Informationen relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten sei, ob die Offenlegung der begehrten Informationen im öffentlichen Interesse notwendig sei, insbesondere weil sie für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften oder über Angelegenheiten, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind, sorge, ob der Grundrechtsträger als Journalist oder Nichtregierungsorganisation oder in einer anderen Funktion als „public watchdog“ im öffentlichen Interesse tätig werde und schließlich, ob die begehrte Information bereit und verfügbar sei und daher kein weiteres Sammeln von Daten notwendig sei. Der VfGH habe diese Rechtsprechung des EGMR in seinem Erkenntnis vom 4. 3. 2021, E 4037/2020 – zum Auskunftspflichtgesetz – übernommen. Aufgrund dieser Verfassungslage sei davon auszugehen, dass das vom Erstantragsteller dargelegte journalistische Interesse ein rechtliches im Sinn des § 5 Abs 4 GUG sei. Wenn auch das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit aus den in Art 10 Abs 2 EMRK genannten Gründen beschränkt werden könne, träten allfällige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen im Hinblick auf die Öffentlichkeit des Grundbuchs gegenüber dem journalistischen bzw allgemeinen Informationsinteresse in den Hintergrund, so vor allem bei Personen, die sich in einer derart exponierten Position befinden, die es rechtfertige, sie in den Anhang I der VO (EU) 269/2014 aufzunehmen. Dies gelte auch für die vom Antrag umfassten Personen, die zwar dort nicht genannt seien, sich aber aus den im Antrag dargelegten Gründen in einer ähnlich exponierten Situation befänden.

Dem ist nur in Ansehung der von der EU sanktionierten Personen zu folgen.

[18] 4.1. Die Vorinstanzen haben zutreffend auf § 5 Abs 4 GUG verwiesen, der das Einsichtsrecht an ein rechtliches Interesse knüpft. Absicht des historischen Gesetzgebers dieser Bestimmung war – obgleich das Grundbuch nicht der Geheimhaltungspflicht unterliegt – eine Beschränkung der Öffentlichkeit des Personenverzeichnisses aufgrund der einfacheren und rascheren Auffindbarkeit bei der personenbezogenen Suche von Eintragungen durch das automationsunterstützte Grundbuch zu schaffen. Nach den Materialien war von dem dort genannten rechtlichen Interesse an der Einsicht in das Personenverzeichnis etwa dann auszugehen, wenn jemand einen Exekutionstitel gegen den Eigentümer hat (RV 334 BlgNR 15. GP  13; vgl auch Höller in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 7 GBG Rz 22; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 5 GUG Rz 2; Rassi, Grundbuchsrecht3 Rz 1.48).

[19] 4.2. Die Rechtsordnung kennt eine Reihe von Normen, die das Einsichtsrecht an ein rechtliches Interesse knüpfen (vgl nur ohne Anspruch auf Vollständigkeit § 219 Abs 2 ZPO; § 77 Abs 1 StPO; § 31a Abs 2 GOG; § 33 Abs 1 ASGG). Es geht dabei (meist) um das Recht auf Akteneinsicht. Nach der Rechtsprechung haben diese Normen den Zweck, Personen, deren Daten von der rechtswidrigen Verletzung des Amtsgeheimnisses und der amtlichen Akteneinsicht betroffen sind, vor Vermögensnachteilen zu schützen (vgl RS0128538).

[20] 4.3. Zu der die Akteneinsicht Dritter an ein rechtliches Interesse knüpfenden Bestimmung des § 219 Abs 2 ZPO liegt umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Danach kann einem Dritten Einsicht- und Abschriftnahme von Prozessakten gestattet werden, wenn er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, wobei ein allgemeines öffentliches Interesse an Information sowie ein reines Informationsbedürfnis des Einsichtsbegehrenden selbst nicht ausreicht. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse oder über Interessen der Information, der Pietät, des Anstands oder der Ethik hinausreicht (RS0079198; RS0037263 [T13]). Die Einsichtnahme muss Bedeutung für die rechtlichen Verhältnisse des Dritten haben und die Kenntnis des betreffenden Akteninhalts muss sich auf die privatrechtlichen oder öffentlich‑rechtlichen Verhältnisse des Dritten günstig auswirken, sei es auch nur dadurch, dass er instandgesetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten. Unter den beschriebenen Voraussetzungen kann das rechtliche Interesse aber nur dann anerkannt werden, wenn der Dritte aus dem Akt etwas erfahren will, was er nicht weiß, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen muss (RS0037263; Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 219 Rz 3/2 ff; vgl Rassi in Fasching/Konecny 2 § 219 ZPO Rz 45 ff [jeweils zu § 219 ZPO]).

[21] 4.4. Im Außerstreitverfahren erfährt das Recht des am Verfahren nicht Beteiligten auf Akteneinsicht zusätzlich insofern eine Modifikation, als auf Wesen und Zweck des Verfahrens Bedacht zu nehmen ist. Die Eigenart der in diesem Verfahren abzuwickelnden Angelegenheiten liegt nämlich darin, dass vielfach Familien‑ oder Vermögensverhältnisse offengelegt werden, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und daher schützenswert sind (RS0008863 [T1]).

[22] 4.5. Beim rechtlichen Interesse an der Akteneinsicht erfolgt eine zweistufige Prüfung, zunächst ist das rechtliche Interesse des Einsicht begehrenden Dritten zu prüfen. Nur wenn dieses bejaht wird, ist abzuwägen, ob das Recht des Dritten dasjenige der Verfahrensparteien überwiegt (RS0079198 [T6]).

[23] 4.6. Die Vorinstanzen haben diese in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze referiert. Sie gestanden auch zu, dass das vom Antragsteller dargelegte Interesse kein nur wirtschaftliches Interesse sei, meinten aber, in dem mit der Funktion als „public watchdog“ verbundenen öffentlichen Interesse des Erstantragstellers kein rechtliches Interesse im Sinn des § 5 Abs 4 GUG erkennen zu können. Dies ist in dieser Allgemeinheit nicht zu teilen:

[24] 5.1. Nach Art 10 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Diese Bestimmung schließt das Recht auf Freiheit der Meinung und auf Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden ein. Die ältere Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 11.297/1987, 12.104/1989, 12.838/1991, 19.571/2011) vertrat die Auffassung, daraus sei keine Verpflichtung des Staats abzuleiten, den Zugang zu Informationen zu gewährleisten oder selbst Informationen bereitzustellen. In dem zuletzt genannten Fall (VfSlg 19.571/2011) nahm aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Bestand eines Rechts auf Zugang zu Informationen und in weiterer Folge eine Verletzung des Art 10 Abs 1 EMRK an (EGMR 28. 11. 2013, Bsw 39.534/04 Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land‑ und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes).

[25] 5.2. In seiner Entscheidung vom 8. 11. 2016, Bsw 18030/11, Magyar Helsinki Bizottsag gegen Ungarn, fasste der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine bisherige Rechtsprechung dahin zusammen, dass Art 10 Abs 1 EMRK unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Recht auf Zugang zu Informationen gewährleistet. Dies sei einerseits dann der Fall, wenn die Offenlegung der Informationen von einem Gericht rechtskräftig angeordnet wird, andererseits dann, wenn der Zugang zu Informationen für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, insbesondere der Freiheit des Erhalts und der Weitergabe von Informationen, maßgeblich ist. Für den Bestand und die Reichweite dieses Rechts sei es insbesondere von Bedeutung, ob das Sammeln der Informationen ein relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten ist, ob die Offenlegung der begehrten Informationen im öffentlichen Interesse notwendig sein kann – insbesondere weil sie für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind, sorgt –, ob der Grundrechtsträger als Journalist oder Nichtregierungsorganisation oder in einer anderen Funktion als „public watchdog“ im öffentlichen Interesse tätig wird, und schließlich, ob die begehrte Information verfügbar ist. Dem folgend sprach auch der VfGH in seiner Entscheidung vom 4. 3. 2021, E 4037/2020 (die eine verweigerte Auskunft nach dem AuskunftspflichtG betraf), aus, dass ein Recht auf Zugang zu Informationen nach Maßgabe dieser Kriterien im Einzelfall bestehen kann. Auch dort ging es um ein Auskunftsbegehren eines Journalisten im Rahmen seiner Recherchen in der Funktion als „public watchdog“.

[26] 5.3. Grundsätzlich sind Gesetze im Zweifel verfassungskonform auszulegen (RS0008793), wenn die „verfassungskonforme Auslegung“ eine Grundlage im Gesetz selbst hat. Der Rechtsbegriff des „rechtlichen Interesses“ in § 5 Abs 2 Satz 2 GUG ist unbestimmt. Aus den zitierten Entscheidungen des EGMR und des VfGH ist zunächst abzuleiten, dass das Informationsinteresse der Medien und deren Recht auf Zugang zu Informationen unter den genannten Voraussetzungen ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht sein kann. Es geht dabei (abweichend zur Leitentscheidung zur Akteneinsicht in RS0079198) nicht um ein rein individuelles Interesse des antragstellenden Journalisten, sondern aufgrund der Bedeutung und der Funktion der freien Presse für die Allgemeinheit um ein öffentliches Interesse, das im Einzelfall ausreichend sein kann, um ein „rechtliches Interesse“ im Sinn des § 5 Abs 4 GUG begründen zu können.

[27] 5.4. Diese Ansicht findet auch in der in Deutschland geführten Diskussion und der deutschen Rechtsprechungsentwicklung zum Recht der Presse auf Grundbuchseinsicht eine Stütze (vgl Schöner/Stöber, Grundbuchsrecht16 Rz 526a mwN; Böhringer, Grundbuchseinsicht durch die Presse, NJ 2021, 348; Wilsch, Praxis der Grundbuchs‑ und Grundakteneinsicht insbesondere durch die Presse, NZM 2017, 244). Zwar verlangt § 12 (deutscher) GBO schon für die bloße Grundbuchsabfrage und nicht erst für die Einsicht in das Personenverzeichnis die Darlegung eines „berechtigten Interesses“. Dessen ungeachtet sind die dortigen Überlegungen zum Begriff des „berechtigten Interesses“ auf die österreichische Rechtslage übertragbar. Das deutsche Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 28. 8. 2000, 1 BvR 137/91) und auch der deutsche Bundesgerichtshof (BGH V ZB 47/11) gingen davon aus, dass der Presse aufgrund der Wahrnehmung öffentlicher Interessen ein schutzwürdiges Interesse und damit ein Recht auf Grundbuchseinsicht zustehen kann. Die durch § 12 GBO bewirkte Beschränkung der Pressefreiheit wäre nur dann rechtmäßig, wenn diese auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinter dem in der GBO verwirklichten Persönlichkeitsschutz zurückzustehen hat. Das Grundbuch und die Grundakten enthielten eine Fülle von personenbezogenen Daten aus dem persönlichen, familiären, sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Werde Dritten eine Grundbuchseinsicht gewährt, liege darin ein Eingriff in das auf diese Daten bezogene informationelle Selbstbestimmungsrecht. Diese widerstreitenden Grundrechtspositionen seien in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Das Erfordernis der Darlegung eines Informationsinteresses der Presse sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Grundbuchamt habe zu prüfen, ob die Einsichtnahme geeignet sei, dem Informationsanliegen Rechnung zu tragen, und ob die Presse nicht andere, unproblematischere Mittel zum Informationserhalt nützen könne. Der beabsichtigte Verwertungszweck der Daten werde im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bedeutsam. Es komme darauf an, ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden.

[28] 5.5. Diese Überlegungen lassen sich im Hinblick auf die grundrechtlich insoweit gleichen Rechtsgrundlagen auf das österreichische Recht übertragen. Auch für das österreichische Recht ist daher davon auszugehen, dass der Presse aufgrund der Wahrnehmung öffentlicher Interessen ein rechtliches Interesse auf Information durch Einsicht in das Personenverzeichnis im Sinn des § 5 Abs 4 GUG – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und Abwägung der dadurch betroffenen Grundrechte – zustehen kann. Die gebotene verfassungskonforme Auslegung des Rechtsbegriffs des rechtlichen Interesses in § 5 Abs 2 Satz 2 GUG verlangt daher, auch den auf Art 10 Abs 1 EMRK beruhenden Informationsanspruch der Presse darunter zu subsumieren.

[29] 6.1. Allerdings verlangt § 5 Abs 4 GUG die Darlegung eines konkreten öffentlichen Interesses an der Informationsbeschaffung. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des EGMR ist von einem derartigen öffentlichen Interesse etwa dann auszugehen, wenn die Offenlegung unter anderem für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten sorgt, die für die Gesellschaft als Ganze interessant sind. Eine in diese Richtung gehende Behauptung, nämlich die Überprüfung der Wirksamkeit der Sanktionen der EU und/oder deren Einhaltung hat der Erstantragsteller schlüssig hinsichtlich derjenigen Personen aufgestellt, die im Anhang zur Verordnung (EU) 269/2014 (vgl auch Anhang zu 2014/145/GASP) angeführt sind. Es handelt sich dabei um die im Kopf dieser Entscheidung genannten Personen, hinsichtlich derer ein öffentliches Interesse an Informationsbeschaffung im Sinn der Behauptungen des Erstantragstellers, nämlich der Überprüfung der Wirksamkeit der Sanktionen grundsätzlich zu bejahen ist.

[30] 6.2. Die im nächsten Schritt vorzunehmende Abwägung des Interesses des Erstantragstellers nach Art 10 EMRK (Informationsfreiheit und Freiheit der Presse) einerseits und der Persönlichkeitsrechte dieser im Grundbuch Eingetragenen andererseits hat zu Gunsten des Erstantragstellers auszugehen. Aufgrund der grundsätzlichen Öffentlichkeit des österreichischen Grundbuchs können dort eingetragene Eigentümer keinen allgemeinen Geheimhaltungsanspruch für sich in Anspruch nehmen. Betroffen ist auf Seiten der Eigentümer vielmehr nur der Schutz bei der Verarbeitung (öffentlich zugänglicher) personenbezogener Daten (vgl RS0107203; Rassi, Fragen zum Datenschutz im Zivilverfahren in FS Schneider [2013] 403; 459 f). Wenn auch die bundesweite Digitalisierung des Grundbuchs die personenbezogene Abfrage in einer mengenmäßig umfangreicheren Datenbank (als etwa in Deutschland) ermöglicht, überwiegt das Interesse der Presse am Erhalt der begehrten Informationen das Recht auf Datenschutz der im Grundbuch eingetragenen, von den EU‑Sanktionen erfassten Personen, zumal es um die für die öffentliche Diskussion wesentliche Kenntnis geht, ob Österreich die Sanktionen (ausreichend) mitträgt.

[31] 6.3. In Ansehung der auf der „Sanktionsliste“ stehenden Personen waren die Beschlüsse der Vorinstanzen daher zu beheben und dem Erstgericht aufzutragen, dem Erstantragsteller die Einsicht in das Eigentümerverzeichnis im begehrten Umfang (soweit die genannten Personen tatsächlich Liegenschaftsbesitz in Österreich haben) zu gewähren.

[32] 7. Anders ist die Rechtslage in Bezug auf die weiteren genannten Personen, die entweder gar nicht mit Sanktionen belegt wurden oder nur von Staaten außerhalb der Europäischen Union. Nach den Behauptungen des Erstantragstellers verfügen auch diese Personen zwar – teils – über Immobilienbesitz in Österreich; aus welchen Gründen sie als „ähnlich exponiert“ wie die mit Sanktionen der EU belegten Personen anzusehen wären, lässt sich aber weder aus dem Antrag noch den Revisionsrekursausführungen ausreichend ableiten. Eine Handlungspflicht des (österreichischen) Staats (etwa betreffend Umsetzung der Sanktionen) hinsichtlich dieser Personen ist nicht erkennbar. Inwiefern die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften durch österreichische Behörden betreffend diese Personen überhaupt zur Diskussion stehen könnte, ist nicht nachvollziehbar. Diesbezüglich hat es daher bei der Abweisung des Einsichtsantrags mangels ausreichender Darlegung eines öffentlichen journalistischen Interesses an der Einsicht ins Eigentümerverzeichnis zu bleiben.

[33] 8. Dem Revisonsrekurs war daher hinsichtlich der von der EU sanktionierten Personen stattzugeben, im Übrigen war der angefochtene Beschluss hingegen zu bestätigen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte