European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00183.22P.1017.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Rüge der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens greift die in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbare Tatsachengrundlage an. Davon ausgehend liegt auch eine relevante Aktenwidrigkeit nicht vor.
2. Zur Frage der Vollmacht des Vertreters der klagenden Parteien zur Abgabe des Widerspruchs (§ 41 Abs 2 GmbHG) in der Generalversammlung
[2] 2.1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Abgabe von Widersprüchen sei von der (hier vorliegenden) allgemeinen Vollmacht „zur Vertretung in Generalversammlungen“ umfasst. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
[3] 2.2. Im Hinblick auf den das Stellvertretungsrecht beherrschenden Offenlegungsgrundsatz bedarf es in jedem Einzelfall, in dem ein ausdrückliches Handeln in fremdem Namen nicht vorliegt, sorgfältiger Prüfung, wie der Dritte – von seinem Erkenntnishorizont aus gesehen – das Auftreten des Handelnden verstehen musste; im Zweifel ist ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen (RS0019516). Hier war der in der Generalversammlung einschreitende Vertreter, der nicht selbst Gesellschafter der beklagten GmbH war, von allen drei klagenden Parteien bevollmächtigt. Somit war hier nach den Umständen klar, dass der Vertreter als Nichtgesellschafter bei Erhebung des Widerspruchs nicht im eigenen Namen handelte. Die berufungsgerichtliche Auffassung, er habe (mangels Erklärung, für welche der drei klagenden Parteien er gehandelt habe) für alle drei den Widerspruch erhoben, ist nicht korrekturbedürftig.
[4] 3. Entgegen der Ansicht der Revision ist der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 2 Ob 349/32 (SZ 14/81) durchaus zu entnehmen, dass die Verweigerung der Einsicht (nach § 22 Abs 2 GmbHG) die erfolgreiche Anfechtung des „Bilanzgenehmigungsbeschlusses“ (Feststellung des Jahresabschlusses; vgl § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG) rechtfertigt.
[5] 4.1. Dass die Kläger parallel zum gegenständlichen Anfechtungsprozess ein außerstreitiges (RS0005796) Bucheinsichtsverfahren angestrengt haben, steht der Anfechtung desjenigen Gesellschafterbeschlusses, womit der von der verweigerten Bucheinsicht betroffene Jahresabschluss beschlossen wurde, nicht entgegen, handelt es sich dabei doch um unterschiedliche Begehren.
[6] 4.2. Die Behauptung, die Kläger hätten alle begehrten Informationen über einen Vertreter einholen können, findet im festgestellten Sachverhalt keine Deckung.
[7] 5. Nach jüngerer ständiger Rechtsprechung tritt ein Stimmverbot (hier nach § 39 Abs 4 GmbHG) nicht erst dann ein, wenn eine juristische Person als Gesellschafter von dem vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafter vollständig beherrscht wird, sondern auch schon dann, wenn eine von der Interessenkollision ungetrübte Stimmabgabe nicht zu erwarten ist (6 Ob 104/19s [ErwGr 1.2.]; RS0123708). Die Entscheidung 6 Ob 196/14p ist insofern nicht einschlägig, als es dort – anders als hier – nicht um die Beherrschung von Kapitalgesellschaften als Gesellschafter durch vom Stimmverbot betroffene Personen ging, sondern um die Beherrschung einer (anders als Kapitalgesellschaften strukturierten) Privatstiftung als Gesellschafterin.
6. Bezugsrechtsfrist bei Kapitalerhöhung
[8] 6.1. Mangels einer anderweitigen Festsetzung im Gesellschaftsvertrag oder Erhöhungsbeschluss steht gemäß § 52 Abs 2 GmbHG den bisherigen Gesellschaftern einer GmbH binnen vier Wochen vom Tage der Beschlussfassung an ein Vorrecht zur Übernahme der neuen Stammeinlagen nach Verhältnis der bisherigen zu. Für die Ausübung des Bezugsrechts der Aktionäre ist gemäß § 153 Abs 1 Satz 2 AktG eine Frist von mindestens zwei Wochen zu bestimmen.
[9] Während somit im GmbH‑Recht nach dem Gesetzeswortlaut die vierwöchige Frist für die Ausübung des Bezugsrechts dispositiv ist und daher beliebig verlängert oder verkürzt werden kann, sieht das Aktienrecht (zwingend) eine Mindestfrist von zwei Wochen vor.
[10] 6.2. Nach einhelliger Ansicht im Schrifttum ist wegen des Fehlens aktienrechtlicher Besonderheiten die zweiwöchige Frist nach § 153 Abs 1 Satz 2 AktG im GmbH‑Recht analog anzuwenden (Reich‑Rohrwig, GmbH‑Recht [1983] 477; Thiery, wbl 1989, 222 [Anm zu 5 Ob 576/88]; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 52 Rz 11; Diregger in U. Torggler, GmbHG [2014] § 52 Rz 11; Billek/Ettmayer/Ratka/Jost in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbH [2016] § 52 Rz 86; Prinz in Foglar‑Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher‑Summer, GmbHG [2017] § 52 Rz 24).
[11] Dieser herrschenden Ansicht ist aus dem genannten Grund (keine aktienrechtliche Besonderheit) zu folgen. Der vereinzelten Ansicht, in besonders gelagerten Fällen erscheine bei personalistisch ausgeprägter Gesellschaftsstruktur im GmbH‑Recht eine Verkürzung der Überlegungs‑ und Entscheidungsfrist auch unter zwei Wochen denkbar (Billek/Ettmayer/Ratka/Jost aaO), kann hingegen nicht zugestimmt werden. Denn auch eine Aktiengesellschaft (etwa eine Familien‑AG) kann personalistisch ausgeprägt sein; trotzdem schreibt das AktG die zweiwöchige Mindestfrist auch in solchen Fällen vor.
[12] 7. Nach dem angefochtenen Beschluss über die Kapitalerhöhung stand den Gesellschaftern ein aliquotes Bezugsrecht nur sieben Tage zur Verfügung. In der danach festgelegten Jahresfrist besteht dieses Bezugsrecht nicht mehr („internen bzw externen Investoren … zur Zeichnung angeboten“).
[13] 8. Ob es bei früheren Kapitalerhöhungen bei der Beklagten (offenbar unangefochten) eine kürzere Bezugsfrist als zwei Wochen gegeben hat, ist für die Frage, ob bei der jetzt zu beurteilenden Kapitalerhöhung eine kürzere Frist als zwei Wochen den Beschluss anfechtbar macht, irrelevant.
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