Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 17.112,15 S (einschließlich 1.555,65 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung (hilfsweise: die Feststellung der Nichtigkeit) der in der Generalversammlung der Beklagten vom 14.November 1986 gefaßten Beschlüsse 1., 2., 3. sowie der gleichzeitig vorgenommenen Änderung des Punktes VII (Stammkapital) des Gesellschaftsvertrages vom 16.Mai 1978. Sie sei zwar zu der in der Kanzlei der Beklagtenvertreter am 14.November 1986, 14.00 Uhr, terminisierten Generalversmamlung geringfügig verspätet erschienen, die Generalversammlung hätte jedoch zum Zeitpunkt ihres Erscheinens bei ordnungsgemäßer Erledigung des Tagesordnungspunktes (Kapitalerhöhung und Übernahme der Erhöhungsbeträge durch die Gesellschafter, allenfalls durch die zur Übernahme bereiten Gesellschafter und dementsprechende Satzungsänderung) noch nicht beendet gewesen sein können. Sie sei trotz Anwesenheit aller übrigen Gesellschafter bzw. derer Vertreter am Versammlungsort rechtswidrig nicht zur Generalversammlung zugelassen worden. Damit sei sie wegen Verletzung der Treueverpflichtung und des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die übrigen Gesellschafter rechtswidrig von der Übernahme des auf sie entfallenden Teils der zu beschließenden Kapitalerhöhung ausgeschlossen worden.
Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren, beantragt dessen Abweisung und wendet im wesentlichen ein, die Klägerin sei nicht aktiv klagelegitimiert, weil sie trotz gehöriger Ladung erst nach dem Schluß der Generalversammlung vom 14.November 1986 (14.09 Uhr) erschienen sei. Die pünktlich erschienenen Gesellschafter der Beklagten hätten keinerlei Verstoß gegen eine Treueverpflichtung oder den Gleichbehandlungsgrundsatz zu vertreten.
Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin vereinigte sich mit Gesellschaftsvertrag vom 16.Mai 1978 mit den Eheleuten Dr.h.c.Johann Franz und Charlotte R*** sowie Hans R*** und Mag.pharm.Johanna P*** zu der R*** Warenhandel-GesmbH mit dem Sitz in Wien, der beklagten Partei. Auf das gesamte Stammkapital dieser GesmbH von 100.000 S übernahm jeder der genannten Gesellschafter eine Stammeinlage von 20.000 S. Die Tätigkeit der beklagten Partei erschöpfte sich seit ihrer Gründung im Halten des gesamten Stammkapitals der T*** GesmbH. Der beklagten Partei stehen gegen diese ihre Tochtergesellschaft Forderungen von mehrere Millionen Schilling zu. Weitere Feststellungen über den Wert des von der Beklagten betriebenen Unternehmens waren jedoch aus rechtlichen Erwägungen nicht zu treffen.
Am 5.November 1986 berief Rechtsanwalt Dr. S*** über Auftrag der Geschäftsführer der beklagten Partei mit eingeschriebenen Briefen für den 14.November 1986, 14.00 Uhr, in sein Kanzleiräume eine außerordentliche Generalversammlung der beklagten Partei mit folgender Tagesordnung ein:
"Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft von S 100.000 (Schilling hunderttausend) um S 400.000 (Schilling vierhunderttausend) auf S 500.000 (Schilling fünfhunderttausend) im Sinne der Bestimmungen gemäß Artikel III. (drei) der GmbH-Gesetznovelle 1980 (eintausendneunhundertachtzig). Zur Übernahme der neuen Stammeinlage von S 400.000 (Schilling vierhunderttausend), welche in barem Gelde zur Gänze zu leisten ist, werden die Gesellschafter im Verhältnis ihrer bisherigen Stammeinlagen zugelassen, wobei dann, wenn einer der Gesellschafter nicht bei der Generalversammlung (vom 14.November 1986) im Anschluß an die rechtswirksame Fassung dieses Beschlusses zur Erhöhung des Stammkapitals die Erklärung abgibt, den auf ihn entfallenden Teil der neuen Stammeinlage zu übernehmen, dieses Übernahmsrecht an diesem Teil der neuen Stammeinlage sodann den übrigen Gesellschaftern verhältnismäßig zuwächst.
Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 16.Mai 1978 (in der Fassung vom 27. (siebenundzwanzigsten) September 1978 (eintausendneunhundertachtundsiebzig) in seinem Punkte "VII.Stammkapital" derart, sodaß diese Satzungsbestimmung dem Beschluß über die Erhöhung des Stammkapitals auf S 500.000 (Schilling fünfhunderttausend) und dessen Verteilung auf die Gesellschafter angepaßt wird."
Diese Einladung ist der Klägerin auch tatsächlich zugekommen. Mit Schreiben vom gleichen Tag (Beilage ./1) ersuchte Dr. S*** Dr. B***, bei dieser außerordentlichen Generalversammlung als Notar anwesend zu sein, das entsprechende notarielle Protokoll aufzunehmen und die notariellen Übernahmserklärungen vorzubereiten. Im Zuge der Vorbereitung seiner Tätigkeit für die derart einberufene außerordentliche Generalversammlung stellte Dr. B*** fest, daß im Handelsregisterakt betreffend die beklagte Partei eine Gesellschafterliste erliegt, in der Rechtsanwalt Dr. D*** als Gesellschafter aufscheint. Nachdem Dr. S*** die Richtigkeit dieser für ihn offensichtlich überraschenden Mitteilung überprüft hatte, teilte er mit Schreiben vom 10.November 1986 Dr. B*** mit, daß bei der erwähnten Generalversammlung dem Dr. D***, soferne er als Gesellschafter auftritt, die Teilnahme verwehrt werden würde. Er ersuchte ferner, daß von ihm als vorgesehener Vorsitzender der außerordentlichen Generalversammlung textlich vorgeschriebene Erklärungen betreffend seinen Sach- und Rechtsstandpunkt zur Gesellschafterstellung des Dr. D*** in das Protokoll aufgenommen werden.
Dr. B*** hatte sodann ein Generalversammlungsprotokoll mit den soeben erwähnten von Dr. S*** gewünschten Textpassagen vorbereitet, wobei er freigelassen hatte, ob die Klägerin zur Generalversammlung erschienen ist.
Am 14.November 1986 kam Dr. B*** kurz vor 13.30 Uhr in die Kanzlei Dris. S***, wo unmittelbar nach ihm auch Dr. S*** selbst eintraf. Dieser übergab Dr. B*** zwei notarielle Mäntel für die von Dr. S*** vorbereiteten Übernahmserklärungen hinsichtlich des Erhöhungskapitals der Eheleute R*** und P*** einerseits bzw. aller Gesellschafter anderseits, die ihm seinerseits von Notar Dr. R*** mitgegeben worden waren. Kurz nach 13.30 Uhr kamen dann auch die Geschäftsführer der beklagten Partei Dr. Johann Franz R*** und Hans P*** in die Kanzlei. Diese sowie Dr. S*** und Dr. B*** saßen sodann bis 14.00 Uhr beisammen. In dieser Zeit las Dr. S*** zwei weitere Passagen als gewünschte Ergänzungen zum Protokoll vor. Der eine Einschub findet sich auf Seite 2 oben des Protokolles und lautet:
"Und stellt fest, daß er im Auftrag der Geschäftsführung der Gesellschaft die heutige Generalversammlung mittels rekommandierten Schreibens vom 5. (fünften) November 1986 (eintausendneunhundertsechsundachtzig) einberufen hat, wobei die Einberufung am 5.November 1986 zur Post gegeben wurde, sohin im Sinne der Bestimmung gemäß § (Paragraph) 38/1 (achtunddreißig Strich eins) GesmbH-Gesetz länger als 7 (sieben) Tage vor dem 14. (vierzehnten) November 1986 (eintausendneunhundertsechsundachtzig) (Einladungsschreiben samt Aufgabeschein in vidiierter Kopie als Beilage ./B angeschlossen)."
Der zweite Einschub, der dann auf Seite 5 des Protokolles tatsächlich aufgenommen wurde, lautet:
"Herr Dr. Franz Josef S*** stellt fest, daß der Beschluß über die Erhöhung des Stammkapitals sowie über die Anpassung des Gesellschaftsvertrages vom 16.Mai 1978 an diesen Erhöhungsbeschluß (Bestimmung über das Stammkapital) auf Grundlage der Bestimmungen des Artikel III. (drei) des Bundesgesetzes über die Änderung des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 2. Juli 1980 erfolgte, gemäß § (Paragraph) 9 (neun) dieser Gesetzesbestimmung für diesen Beschluß die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt, und dieser Beschluß somit ungeachteter Bestimmungen gemäß X (zehn) des Gesellschaftsvertrages vom 16.Mai 1978 rechtswirksam zustandegekommen ist".
In der Zeispanne bis 14.00 Uhr las Dr. S*** den übrigen Versammlungsteilnehmern, insbesondere den Geschäftsführern der beklagten Partei zwei Varianten der zu fassenden Generalversammlungsbeschlüsse, nämlich die eine, wonach die bisherigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung das erhöhte Kapital übernehmen, und eine zweite Variante, nach der nur die anwesenden bzw. vertretenen Gesellschafter das erhöhte Kapital übernehmen, und zwar für den Fall, daß die Klägerin nicht erscheinen würde.
Schon in dieser Vorbesprechung erklärten beide Geschäftsführer der beklagten Partei, daß sie auch den Erhöhungsanteil der Klägerin anteilsmäßig mitübernehmen wollen, wenn diese nicht komme oder nicht übernehmen wolle.
Nachdem sich Dr. S*** die Uhrzeit mit 14.01 Uhr telefonisch hatte bestätigen lassen, gab er bekannt, daß nun die Generalversammlung offiziell eröffnet sei, und wies darauf hin, daß einstimmig die Beschlüsse, wie sie in dem vorbereiteten und besprochenen Protokolltext niedergelegt sind, gefaßt würden. Hierauf las Dr. B*** den eigentlichen Beschlußtext, wie er auf Seite 4 Mitte bis Seite 5 Mitte in der Beilage ./3 aufscheint, nochmals vor. Ohne daß es zu einer formellen Unterbrechung der Generalversammlung gekommen ist, wies Dr. S*** sodann darauf hin, daß nunmehr die Übernahmserklärungen in Form eines Notariatsaktes unterfertigt werden sollen. Er übergab hierauf die von ihm vorbereitende Privaturkunde dem Notar Dr. B***, der diese vorlas, und im übrigen auf seinen Mantel verwies, wobei er sagte, daß der Inhalt des Mantels ohnehin in der Vorbesprechung durchgegangen worden sei. Anschließend stellte Dr. S*** fest, daß man nun fertig sei, was allgemein als das Schließen der Generalversammlung aufgefaßt wurde. Anschließend war Dr. B*** damit beschäftigt, zum Zwecke der Vorbereitung der Handelsregistereingaben die notwendigen Daten aus den Ausweisen der Geschäftsführer der beklagten Partei abzuschreiben, als es an der Kanzleitüre läutete. Nachdem die Sekretärin Dris. S*** diesem telefonisch mitgeteilt hatte, daß die Klägerin nunmehr erschienen sei, begab sich Dr. S*** in das Vorzimmer zur Klägerin, wobei der zeitliche Zwischenraum zwischen dem Läuten an der Kanzleitüre und dem Begrüßen der Klägerin kürzer als eine Minute war. Er teilte der Klägerin sofort mit, daß sie zu spät gekommen sei und daß die Generalversammlung bereits zu Ende sei. Die Klägerin verwies hingegen sofort darauf, daß sie im Verkehr steckengeblieben sei, daß ihre Uhr offenbar nicht richtig gehe und daß sie etwas sagen möchte.
Dr. S*** ging während der Anwesenheit der Klägerin im Vorzimmer seiner Kanzlei nicht durch die offengelassene Tür in sein Arbeitszimmer zurück, um die anderen Gesellschafter und Geschäftsführer der beklagten Partei zu fragen, was man denn nunmehr mit der zu spät gekommenen Klägerin machen solle.
Da die Klägerin zu den übrigen Gesellschaftern nicht zugelassen wurde und ihr keine Gelegenheit zur Abgabe von Erklärungen gegeben wurde, ging sie wieder weg und stellte durch einen Telefonanruf aus einer Telefonzelle vor dem Kanzleisitz die Uhrzeit mit 14.10 Uhr fest.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt folgendermaßen:
Maßgeblich sei, daß im Zeitpunkt des tatsächlichen Erscheinens der Klägerin am bekannt gegebenen Versammlungsort noch sämtliche Gesellschafter (teils durch ihren Vertreter) der Beklagten anwesend und sogar noch mit der Ausführung der beschlossenen Maßnahmen (Fertigung der Handelsregistereingaben) beschäftigt gewesen seien. Da nun Gesellschafter, wann und wo immer sie beisammen seien, Beschlüsse fassen könnten, seien die übrigen Gesellschafter der Beklagten, insbesondere nach den Geboten der von ihnen wahrzunehmenden Treuepflicht unter Gesellschaftern verpflichtet gewesen, auch die um einige Minuten verspätet erschienene Klägerin in den Versammlungsraum zumindest einzulassen, um ihr selbst Feststellungen darüber zu ermöglichen, wie weit die Erledigung der bekanntgegebenen Tagesordnung schon fortgeschritten sei, allenfalls ihr zu ermöglichen, die übrigen Gesellschafter zu veranlassen, mittlerweile gefaßte Beschlüsse zu revidieren. Die Klägerin sei daher auch als inhaltlich des Generalversammlungsprotokolls vom 14. November 1986 "ferngebliebene" Gesellschafterin berechtigt, die Gesellschafterbeschlüsse anzufechten, weil ihre tatsächliche Teilnahme mißbräuchlich verhindert worden sei. Dazu komme aber noch, daß die Klägerin auch objektiv nicht damit rechnen habe müssen oder können, daß gerade bei dem geringen Ausmaß ihrer Verspätung das in der bekanntgegebenen Tagesordnung durchzuführende Verfahren der Kapitalerhöhung und dessen Protokollierung in wenigen Minuten abgespult sein werde. Umsoweniger habe sie damit rechnen müssen, daß wesentliche Teile der an sich in die Generalversammlung gehörigen Erörterungen während rund einer halben Stunde vor dem bekanntgegebenen Termin der Generalversammlung zwischen den übrigen Gesellschaftern vorbesprochen und schon beschlossen würden. Die Tagesordnung sehe nämlich gerade beim Nichterscheinen eines Gesellschafters eine zweistufige Beschlußfassung hinsichtlich der Übernahme des Erhöhungskapitals vor. Eine der Tagesordnung entsprechende Vorgangsweise hätte aber nach den Erfahrungen des täglichen Lebens jedenfalls mehr Zeit in Anspruch genommen, als die Verspätung der Klägerin ausgemacht habe. Da wegen der inhaltlich unrichtigen Vorgangsweise bei der Erledigung des einzigen Tagesordnungspunktes der Generalversammlung diese selbst ungebührlich kurz gedauert habe, sei die Verhinderung der Teilnahme der verspätet erschienenen Klägerin als mißbräuchlich anzusehen. Ganz allgemein sei aber die Auffassung zu vertreten, daß der gegenseitigen Treuepflicht unter Gesellschaftern (einer Gesellschaft mbH) gerade bei der Wahrnehmung offenbar wirtschaftlich sehr wertvoller Gesellschafterrechte besondere Bedeutung zuzumessen sei. Es müsse von Gesellschaftern verlangt werden, daß sie sich gegenseitig eine geringfügige Verspätung bei Gesellschafterversammlungen entschuldigten, überhaupt wenn beim Erscheinen des Zuspätkommens noch alle übrigen Gesellschafter anwesend seien, und sich so gegenseitig Rechte einräumen, welche etwa dem Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zivilprozeßrecht entsprächen. Die aufgezeigten Verstöße der erschienenen und abstimmenden Gesellschafter der Beklagten gegen die Treuepflicht stellten den Anfechtungsgrund wegen Rechtswidrigkeit dar, sodaß mit der Nichtigerklärung des vorliegenden Generalversammlungsbeschlusses der Beklagten vom 14.November 1986 vorzugehen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Rechtlich führte es im wesentlichen aus:
Soweit in der Berufung grundsätzlich eine Treupflicht oder Treueverpflichtung der Gesellschafter einer Gesellschaft mbH untereinander negiert werde, sei die Beklagte auf die diesbezüglich herrschende gegenteilige Lehre und Rechtsprechung zu verweisen (so
zB GesRZ 1981, 44 = SZ 53/172 = JBl 1981, 545 = EvBl 1981/72
= HS 11505 mit weiteren Judikatur- und Literaturhinweisen;
Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 358 ff mwH). Ein weiteres tragendes Prinzip des Gesellschaftsrechtes - auch des GesmbH-Rechtes - sei auch jenes der Gleichbehandlung aller Gesellschafter als Schutz der Minderheit vor der (Kapital-)Mehrheit (so zB Kostner GmbH3 108; Reich-Rohrwig aaO 430 und 477 f; Gellis Komm zum GmbHG2 279 und 324 ff; Kastner Gesellschaftsrecht4 313 f).
Die Treuepflicht habe Schrankenfunktion bei der Ausübung von Gesellschafterrechten und von Befugnissen der Gesellschaftsorgane. Sie erfordere die Rücksichtnahme auf den gemeinsamen Gesellschaftszweck und die Interessen der Mitgesellschafter und fallweise die besondere positive Mitwirkung in der Gesellschaft (Reich-Rohrwig aaO 359 f). Der Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern entspreche für die mitgliedschaftlichen Belange der Gesellschafter neben dem allgemein anerkannten Grundsatz der Gleichbehandlung etwa auch der Grundsatz der geringsten Last, der Verhältnismäßigkeit oder der Erforderlichkeit, wonach unter mehreren zur Erreichung eines bestimmten Zwecks geeigneten Mitteln nur das schonendste gewählt werden dürfe. Verletze aber ein unter Mißachtung dieser Grundsätze gefaßter Gesellschafterbeschluß die gesellschaftliche Treupflicht, so sei er wegen inhaltlicher Gesetzwidrigkeit nach § 41 Abs 1 Z 2 GmbHG anfechtbar (Reich-Rohrwig aaO 361, 362 mvH).
Dem Erstrichter sei darin beizupflichten, daß es der Treupflicht der Gesellschafter, die noch am Versammlungsort anwesend waren, entsprochen hätte, die geringfügig verspätet erschienene Klägerin jedenfalls zur Versammlung noch zuzulassen, die Gründe ihrer Verspätung anzuhören und sodann allenfalls zur Revotierung und neuerlichen Beschlußfassung im Sinne der bekannten Tagesordnung zu schreiten. Ein solches Vorgehen wäre den Mitgesellschaftern der Klägerin in der festgestellten Situation jedenfalls zumutbar, auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Klägerin auch zusinnbar und nach der ganzen Sachlage jederzeit durchführbar gewesen, zumal konkret vom Beklagtenvertreter und vom beurkundenden Notarsubstitut die entsprechenden "Vorarbeiten" und "Vorinformationen" nahezu ausnahmslos vor dem angesetzten Beginn der Generalversammlung durchgeführt waren und die "Protokollschablonen" eben nur auf den ohnedies auch vorgesehenen Fall der Anwesenheit der Klägerin ausgetauscht hätten werden müssen. Gerade im vorliegenden Fall, in welchem die Stammanteile der Gesellschafter selbst nach dem Vorbringen der Beklagten im Werte ein Vielfaches ihres Nominales darstellen und daher die gleichmäßige Beteiligung an der Erhöhung des Stammkapitals alleine die Wertrelationen beibehält, in welchem es sich also für alle Gesellschafter um eine einschneidende finanzielle Angelegenheit handelte, hätte die Klägerin von ihren Mitgesellschaftern erwarten können und dürfen, daß eine geringfügige Verspätung beim Termin der Generalversammlung durch "Abwarten oder jedenfalls Einholung einer entsprechenden Erkundigung" toleriert und überspielt und nicht etwa in Minutenschnelle nach der Gunst der Stunde die Generalversammlung unter Ausnützung ihrer Abwesenheit (geringfügigen Verspätung) mit dem Ergebnis durchgeführt werde, daß mangels ihrer Beteiligung an der Erhöhung des Stammkapitals ihr Gesellschaftsanteil um ein Vielfaches entwertet werde. Das Formalargument der Beklagten, die Klägerin wisse um die Verkehrssituation in der Innenstadt von Wien, schlage auf die Gesellschafter der Beklagten selbst zurück, weil sie in der gleichen Kenntnis eben kurzfristig zuwarten oder sich nach dem Grunde des Nichterscheinens der Klägerin erkundigen hätten können, zumal nach der ganzen Sachlage eine vorherige Absprache - alleine mit ihr - nicht stattgefunden hatte. Dazu komme nämlich noch, daß die (nach der Aktenlage juristisch nicht geschulte) Klägerin zufolge der für die Erledigung der wichtigen Tagesordnungspunkte erforderlichen Erörterungen und Abstimmungen (notabene nach dem Wissensstand der Beklagten bzw. der erschienenen Gesellschafter in Notariatsaktsform) davon ausgehen konnte, daß gerade die vorliegende Generalversammlung nicht innerhalb weniger Minuten nach ihrem Beginn auch schon wieder beendet sein werde. Aus den Feststellungen ergebe sich, daß dies im vorliegenden Fall nur deshalb möglich gewesen wäre, weil praktisch eine halbe Stunde vor Beginn der Generalversammlung die übrigen Teilnehmer unter Beteiligung des beurkundenden Notarsubstituten die entsprechenden Verlesungen und Erörterungen vorerledigten und daher die Tagesordnungspunkte bei Beginn der Generalversammlung bereits "im Sinne einer positiven Abstimmung" erledigt gewesen wären. Wenn auch nicht feststehe, ob die übrigen Gesellschafter der Beklagten sich zu einem Treffen in der Kanzlei des Beklagtenvertreters eine halbe Stunde vor Beginn der Generalversammlung verabredet haben, so wäre dies doch zwischen dem Notarsubstituten Dr. B*** und dem Beklagtenvertreter abgesprochen gewesen und es hätten jedenfalls außer der Klägerin alle Gesellschafter der Beklagten die Gelegenheit gehabt, die Tagesordnung und deren Erledigung eine halbe Stunde lang vorzubesprechen und abzustimmen. Daß aber an die Klägerin eine derartige Einladung zur vorzeitigen Besprechung der Tagesordnungspunkte vor Beginn der Generalversammlung hinausgegangen wäre, sei nicht aktenkundig. Sie hätte daher mit Fug und Recht bei einer derart wichtigen Generalversammlung annehmen können, daß die Tagesordnung wenigstens derart förmlich behandelt und (etwa auch durch die Verlesungen der notariellen Beurkundungen) erledigt würde, daß das Ende der Generalversammlung nicht schon nach wenigen Minuten erreicht wäre. Durch die festgestellte Vorgangsweise verstießen die erschienenen Gesellschafter aber gegen ihre Gesellschafterverpflichtung zu treugemäßem Vorgehen und zur Gleichbehandlung gegenüber der Klägerin, sodaß sie zur Anfechtung der in der Generalversammlung der Beklagten vom 14.November 1986 gefaßten vorliegenden Beschlüsse berechtigt wäre.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im klageabweisenden Sinn abzuändern, in eventu, es aufzuheben und die Rechtssache an eine der Vorinstanzen zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Klägerin begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 41 Abs 1 Z 1 GmbHG kann die Nichtigerklärung eines Beschlusses der Gesellschafter mittels Klage verlangt werden, wenn der Beschluß nach dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag als nicht zustandegekommen anzusehen ist. Diese Voraussetzung ist aus nachstehenden Gründen erfüllt:
Aus dem Protokoll über die Durchführung der Generalversammlung geht hervor, daß wesentliche Teile derselben, nämlich die in den ersten drei Seiten des Protokolls beurkundeten Vorgänge, bereits vor dem Zeitpunkt, zu dem sie angeordnet war, durchgeführt wurden, und daß gleichsam auf einen Augenblick konzentriert um 14.01 Uhr die Beschlußfassung in der Weise erfolgte, daß die bereits vorher vorbereiteten und protokollierten Beschlüsse als gefaßt festgestellt wurden und demgemäß der die Beurkundung durchführende Notarsubstitut nur noch den Beschlußtext verlas. Schon daraus folgt, daß die Generalversammlung in Wahrheit nicht um 14.00 Uhr, für welchen Zeitpunkt die Klägerin zur Generalversammlung geladen war, eröffnet und sodann die protokollierten Vorgänge, wie sie zur ordnungsgemäßen Durchführung einer Generalversammlung gehören, durchgeführt wurden, sondern praktisch schon zu dem Zeitpunkt, zu dem die Generalversammlung beginnen sollte, ihr Ende erreicht war. Nur so war es möglich, daß beim Erscheinen der Klägerin - laut Protokoll um 14.09 Uhr - die Generalversammlung bereits wieder geschlossen war (ohne daß der genaue Zeitpunkt des Schlusses der Generalversammlung aus dem Protokoll entnommen werden könnte). Eine solche Vorgangsweise bei Abwicklung der Generalversammlung widerspricht nicht nur der vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die herrschende Lehre und Rechtsprechung zutreffend angenommenen Treuepflicht der die Generalversammlung durchführenden Gesellschafter gegen die Klägerin als ihre Mitgesellschafterin, sondern widerspricht auch den gesetzlichen Bestimmungen über die Durchführung der Generalversammlung selbst, welche eben nur dann wirksame Beschlüsse fassen kann, wenn sie tatsächlich zu dem Zeitpunkt stattfindet, das heißt beginnt, zu dem sie einberufen war. Es genügt eben nicht, daß bei früherem Beginn der Generalversammlung als zur angesetzten Zeit lediglich die Feststellung der Fassung eines bestimmten Beschlusses knapp nach der festgesetzten Zeit erfolgt und sodann die Generalversammlung sogleich wieder geschlossen wird. Hätten aber die bei der Generalversammlung anwesenden Gesellschafter die vom Gesetz vorgesehene Vorgangsweise eingehalten, so wäre die einige Minuten nach 14.00 Uhr - dem Zeitpunkt des festgesetzten Beginnes der Generalversammlung - erschienene Klägerin noch zu einem Zeitpunkt anwesend gewesen, zu dem die Beschlußfassung noch nicht hätte erfolgt sein können. Der von der Klägerin bekämpfte Generalversammlungsbeschluß konnte eben gerade deswegen nur ohne ihre Teilnahme gefaßt werden, weil Teile der Generalversammlung bereits vor dem festgesetzten Zeitpunkt durchgeführt wurden. Gerade unter diesen Umständen wären die Gesellschafter aber verpflichtet gewesen, die noch während ihres Beisammenseins erschienene Klägerin einer jetzt rite durchzuführenden Generalversammlung beizuziehen und abermals Beschluß zu fassen. Dies hätte nicht nur der bereits vom Berufungsgericht zutreffend angeführten Treuepflicht der Gesellschafter untereinander entsprochen, sondern wäre auch von den gesetzlichen Vorschriften über die Durchführung einer Generalversammlung selbst gefordert gewesen, weil nur dadurch der durch den vorzeitigen Beginn der Generalversammlung erfolgte Ausschluß der Klägerin von der Beratung und Beschlußfassung hätte verhindert werden können.
Die angefochtene Entscheidung war daher zu bestätigen, ohne daß auf die anderen von den Streitteilen aufgeworfenen Probleme noch einzugehen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)