OGH 8Ob24/22w

OGH8Ob24/22w27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. N* D*, 2. H* D*, beide vertreten durch Mag. Bernd Trappmaier, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagten Parteien 1. F* H*, 2. DI H* B*, 3. M* B*, beide *, 4. Dr. A* B*, 5. A* K*, 6. H* K*, beide *, 7. G* A*, alle vertreten durch Dr. Martin Alt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übergabe, über die Revision der erst‑ bis sechstbeklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2021, GZ 19 R 37/21h‑27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 18. April 2021, GZ 18 C 60/17f‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00024.22W.0927.000

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren AZ 18 C 178/20p des Bezirksgerichts Mödling wird abgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 844,92 EUR (darin 140,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind Eigentümer von an einem Baggersee gelegenen Liegenschaften, die in Parzellen unterteilt und ab dem Jahr 1986 vermietet wurden. Die Beklagten bzw deren Rechtsvorgänger waren Mieter von Parzellen und haben darauf Superädifikate errichtet.

[2] Die Mietverträge, die ab dem Jahr 1986 abgeschlossen wurden, enthalten unter anderem folgende einheitliche Bestimmungen:

„II. Das Bestandverhältnis hat am [...] begonnen und wird für die Zeit bis 31. 12. 2015 [...] abgeschlossen.

[...]

XIII.

1. Wenn die Vermieter nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer das Mietobjekt zu neuen Bedingungen weitervermieten wollen, steht dem/den Mieter(n) das Vormietrecht zu, wobei bei der Bemessung des neuen Mietzinses davon auszugehen ist, dass der neue Mieter die Baulichkeiten auf den Mietobjekten dem alten Mieter um den Schätzwert (Abs 3) käuflich abzulösen hat. Der Inhalt des vorgesehenen neuen Mietvertrages ist dem/den bisherigen Mieter(n) von den Vermietern schriftlich bekanntzugeben, wobei der Mieter die Ausübung seines Vormietrechtes binnen 30 Tagen durch Abfertigung eines an die Vermieter gerichteten Einschreibebriefes ausüben kann.

Tritt kein neuer Mietinteressent auf, ist der bisherige Mieter berechtigt, die Verlängerung des Mietverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen jeweils um ein weiteres Jahr zu begehren. Tut er dies nicht, wird also das Mietverhältnis weder von ihm noch einem neuen Mieter im Sinne des Absatzes eins fortgesetzt, fallen die auf dem vertragsgegenständlichen Grundstücksteil stehenden Baulichkeiten entschädigungslos an die Vermieter.

2. Sollten die Vermieter das Mietverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer nicht mehr zu analogen Bedingungen mit dem/den Mieter(n) fortsetzen wollen, sind sie verpflichtet, die auf dem Mietobjekt befindlichen Baulichkeiten dem/den Mieter(n) um den vollen Schätzwert (Abs 3) käuflich abzulösen. Das Vormietrecht ist in diesem Fall erloschen, ebenso das nur für die Vertragsdauer geltende Vorkaufsrecht.

3. Der Schätzwert ist zum Stichtag der Schätzung von dem Sachverständigen festzustellen, der an erster Stelle in der betreffenden Branchenliste des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien aufscheint. Die Kosten werden je zur Hälfte getragen.“

[3] In den zu AZ 28 C 133/15m (führendes Verfahren) verbundenen Verfahren des Bezirksgerichts Mödling (Vorverfahren) wurden Klagen mehrerer Bestandnehmer, darunter auch der hier Beklagten, auf Feststellung, dass zwischen ihnen und den Grundeigentümern (hier Klägern) ein unbefristetes Mietverhältnis besteht, das den Kündigungsbestimmungen des MRG unterliegt, erhoben. Diese Klagen wurden rechtskräftig abgewiesen (vgl 6 Ob 124/20h, 10 Ob 88/18s).

[4] Im Jahre 2015 wurden angesichts des bevorstehenden Ablaufs der Bestandverträge Verhandlungen über einen Neuabschluss geführt. Jenen Mietern, mit denen keine Einigung erzielt wurde, darunter den Beklagten, teilten die Kläger mit Schreiben vom 2. 12. 2015 mit, dass in diesem Fall das Vertragsverhältnis zum 31. 12. 2015 ende und eine Fortsetzung zu analogen Bedingungen abgelehnt werde.

[5] Die Beklagten benützten die Parzelle über den Endtermin hinaus weiter. Die von den Mietern geleisteten Zahlungen in Höhe der Jahresmiete für 2016 wurde in manchen Fällen von den Klägern rücküberwiesen, in manchen Fällen nicht.

[6] Die Kläger begehren die Übergabe der an die Antragsgegnerin vermieteten Parzelle, „geräumt von eigenen Fahrnissen“ wegen Ablaufs der Befristung.

[7] Die Beklagte wandte die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil in Wahrheit eine Vereinsstreitigkeit vorliege, weiters sei die begehrte Räumungsverpflichtung im Hinblick auf das abzulösende Superädifikat verfehlt. Das Vertragsverhältnis sei schlüssig über den Endtermin hinaus fortgesetzt worden, weil die Bestandgeber die Miete für 2016 vorbehaltslos angenommen hätten. Der Übergabsauftrag sei verfristet. Eine Beendigung könne jedenfalls nur Zug um Zug gegen Zahlung der Ablöse begehrt werden.

[8] Das Erstgericht bejahte die Zulässigkeit des Rechtswegs und erklärte den Übergabeauftrag hinsichtlich der Erst- bis Sechstbeklagten für wirksam, hinsichtlich der Siebtbeklagten für unwirksam. Es verpflichtete die Erst‑ bis Sechstbeklagten zur Räumung des Bestandobjekts von eigenen Fahrnissen und Übergabe an die Kläger. Dem erhobenen Zug‑um‑Zug‑Einwand komme keine Berechtigung zu, weil die Ablöse des Superädifikats weder eine Gegenleistung, noch eine adäquate Nebenleistungspflicht zum Bestandvertrag regle. Das Superädifikat sei vielmehr kein Bestandobjekt. Die Frage der Wirkung einer nicht gehörigen Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens auf das Bestandverhältnis stelle sich nicht, weil die Kläger unverzüglich Fortsetzungsanträge gestellt hätten, im Übrigen wäre das Verfahren auch von Amts wegen fortzusetzen gewesen.

[9] Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit und bestätigte im Übrigen die erstgerichtliche Entscheidung.

[10] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage, ob ein auf der Bestandsfläche verbleibendes Superädifikat als nützlicher Aufwand iSd § 1097 ABGB anzusehen sei, sowie zur Frage, ob ein Übergabeauftrag nur bei gehöriger Verfahrensfortsetzung die stillschweigende Erneuerung eines befristeten Bestandvertrags verhindere, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung ersichtlich sei.

[11] Die Beklagten streben mit ihrer Revision die Abweisung des Übergabebegehrens an, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] I. In ihrer Revision beantragt die Beklagte, das Verfahren nach § 190 ZPO bis zur Beendigung des beim Bezirksgericht Mödling zu AZ 18 C 178/20p anhängigen Verfahrens zu unterbrechen.

[13] In dem genannten Verfahren begehren Mieter von Seeparzellen, darunter ein Teil der hier Beklagten, als Kläger gegenüber den Bestandgebern die Feststellung, dass ihre Mietverhältnisse aufrecht und unbefristet seien sowie den Kündigungsbestimmungen des MRG unterlägen, in eventu, dass die Bestandverhältnisse bis vorerst 31. 12. 2021 aufrecht seien und den Mietern ein Verlängerungsrecht zukomme.

[14] Das Erstgericht hat die Klage zu AZ 18 C 178/20p mit Urteil vom 10. 8. 2021 abgewiesen. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung mit Urteil vom 12. 8. 2022, AZ 19 R 65/21a, bestätigt.

[15] Es ist unter diesen Umständen sowie in Anbetracht des Vorverfahrens (vgl 6 Ob 124/20h) nicht ersichtlich und wird im Unterbrechungsantrag auch nicht dargetan, inwiefern die beantragte Unterbrechung zu einer verfahrensökonomischen Verbesserung im vorliegenden Verfahren führen könnte. Der Unterbrechungsantrag ist daher abzuweisen (vgl auch 6 Ob 29/22s).

[16] II. Die von den Klägern beantwortete Revision der beklagten Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[17] 1. Die Vorinstanzen haben die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ausdrücklich und übereinstimmend, bejaht. Die Unzulässigkeit des Rechtswegs kann in einem solchen Fall in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RIS‑Justiz RS0044536 [T5, T10, T12, T18]; RS0046249 [T1]). Dies gilt auch dann, wenn die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung (hier: wegen behaupteten Verstoßes gegen Art 6 EMRK durch das Erstgericht) nur in den Entscheidungsgründen erfolgte (RS0042917 ua).

[18] 2. Ebensowenig können behauptete Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die das Berufungsgericht geprüft und verneint hat, im Revisionsverfahren neuerlich geltend gemacht werden (RS0042963).

[19] Die in den Revisionen behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich mit den in der Berufung geltend gemachten sekundären Feststellungsmängeln befasst und dargelegt, aufgrund welcher rechtlicher Überlegungen es die begehrten ergänzenden Feststellungen als nicht erforderlich erachtete. Mit diesen Erwägungen des Berufungsurteils setzen sich die Revisionen jedoch nicht weiter auseinander.

[20] 3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt in Revisionsverfahren gegen Urteile des Erstgerichts, die denselben Baggersee und gleichlautende Mietverträge betrafen, zu den in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung genommen (10 Ob 40/21m; 10 Ob 29/21v; 6 Ob 29/22s, vgl auch 9 Ob 72/21k; 5 Ob 189/21m).

[21] Zu den Fragen der Fälligkeit der Ablöse für das auf der Parzelle verbleibende Superädifikat und ihrer Auswirkung auf die Räumungsverpflichtung wurde unter anderem ausgeführt:

„Es entspricht der Rechtsprechung zu § 1097 ABGB, dass der Ersatz von getätigten nützlichen Aufwendungen in der Regel erst begehrt werden kann, wenn das Bestandverhältnis bereits beendet ist, da erst dann feststeht, ob die vom Mieter getätigten Aufwendungen überhaupt noch wirksam und daher dem Bestandgeber zum klaren und überwiegenden Vorteil gereichen (RS0019892). [...] Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die zur Fälligkeit des Ersatzes für nützliche Aufwendungen zu § 1097 ABGB vertretene Wertung auch im vorliegenden Fall zum Tragen kommt, hält sich jedenfalls im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums. [...]

Davon ausgehend waren die Kläger aber weder verpflichtet, gleichzeitig mit der Forderung auf Rückstellung der Liegenschaften einen konkreten Ablösebetrag anzubieten, noch ist die Räumungsverpflichtung nur Zug um Zug gegen Zahlung oder Sicherstellung des Schätzwerts auszusprechen.

[22] Zur behaupteten Verletzung des Eigentumsrechts am Superädifikat und zum Bestimmtheitsgebot nach § 7 EO hat der Oberste Gerichtshof bereits (ua 10 Ob 29/21v; 6 Ob 29/22s) festgehalten:

„Wenn auch ein Überbau teilweise rechtlich wie eine bewegliche Sache zu behandeln ist, ist er keine 'wegschaffbare' bewegliche Sache im Sinn des § 349 Abs 1 EO (3 Ob 176/08s ua). Die Entfernung eines Überbaues kann nur nach Erwirkung eines entsprechenden Exekutionstitels mit einer Exekution nach § 353 EO durchgesetzt werden (RS0004398; 4 Ob 51/15a). Der Auftrag zur Räumung der Liegenschaft umfasst daher schon aus rechtlichen Gründen nicht das Superädifikat, das nach der vertraglichen Vereinbarung auf der Liegenschaft verbleiben kann. Insoweit ist der Exekutionstitel entgegen der Revision nicht zu weit gefasst. (...)

Dass die Eigentumsübertragung am Superädifikat nicht mit der Räumung zusammenfällt, hindert die Erlassung des Übergabsauftrags nicht. (...) Die Beklagten können daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass durch eine Räumung der Liegenschaft ihr Nutzungsrecht am Superädifikat beeinträchtigt wird.

[23] Auch die Frage der Vertragsverlängerung und Verjährung wurde bereits, zuletzt in der Entscheidung 6 Ob 29/22s, behandelt und dazu wie folgt Stellung genommen:

„Zur Auslegung von Punkt XIII. der Verträge stellt sich nicht die Frage der unrichtigen Annahme einer Bindungswirkung, sondern der Vertretbarkeit einer von den Vorinstanzen – wenn auch in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Ausführungen des Obersten Gerichtshofs im Vorverfahren – vorgenommenen Vertragsauslegung. [...] Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt und den verwendeten Begriffen der richtige Inhalt beigemessen wurde, stellt nur dann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar, wenn wegen wesentlicher Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936 [T5]; vgl auch RS0042776; RS0044358). Das ist hier nicht der Fall.

Die Vorinstanzen verstanden Punkt XIII. des Bestandvertrags dahingehend, dass dem Vermieter freistehe, nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer eine Verlängerung des Mietvertrags abzulehnen. Tue er dies, habe er die auf dem Mietobjekt befindlichen Baulichkeiten um den vollen Schätzwert käuflich abzulösen. Dabei gingen sie – wie der Oberste Gerichtshof in der Vorentscheidung – davon aus, dass 'zu analogen Bedingungen' als 'zu den bisherigen Bedingungen' zu verstehen ist. Diese Auslegung, gegen die die Beklagten keine überzeugenden Argumente vorbringen, ist nicht korrekturbedürftig.

Soweit [...] eine stillschweigende Erneuerung der Bestandverträge gemäß §§ 1114 f ABGB, § 569 ZPO behauptet wird, hat bereits das Berufungsgericht auf die Ausführungen zu 10 Ob 88/18s (Punkt 3.10.) hingewiesen, wonach eine solche ausscheidet, wenn – wie hier – im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vor Eintritt des Endtermins Übergabeverfahren eingeleitet wurden. [...]

Die Beklagten behaupten eine Willensübereinstimmung über eine Verlängerung der Bestandverträge, nicht die Verjährung von klageweise geltend gemachten Ansprüchen, die nach § 1497 ABGB zu beurteilen wäre. Der vorliegende Fall entspricht daher der Norm, die die Beklagten angewendet wissen wollen (§ 1497 ABGB), schon nach deren klaren Wortlaut nicht [...].“

[24] Alle diese Erwägungen sind auch im vorliegenden Verfahren maßgeblich. Die Revisionsausführungen zeigen dazu keine neuen Aspekte auf, die zu einer gesonderten Behandlung oder einem Abgehen von der ständigen Rechtsprechung Anlass geben könnten.

[25] Die Revision ist daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[26] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass die Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

Stichworte