European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0030OB00176.08S.1003.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung
Mit Vergleich vom 2. Oktober 2002 verpflichtete sich die verpflichtete Partei, die von ihr in Bestand genommene Liegenschaft der betreibenden Partei spätestens am 31. März 2005 „geräumt von eigenen bzw. sämtlichen nicht in Bestand gegebenen Fahrnissen" zu übergeben. Der betreibenden Partei wurde am 22. April 2005 zu AZ 11 E 2130/05v des Bezirksgerichts Wiener Neustadt die Räumungsexekution gemäß § 349 EO bewilligt. In der Räumungstagsatzung vom 5. Oktober 2005 wurden die Schlüssel zur Liegenschaft der betreibenden Partei übergeben. Zu einer Entfernung der auf der Liegenschaft befindlichen Fahrnisse der verpflichteten Partei (ua einer großen Menge Plastikmaterials) kam es nicht. Die betreibende Partei wurde mit ihrer Zustimmung vom Gerichtsvollzieher „als Verwahrer (zurzeit ohne Verwertungsmöglichkeit) für die Fahrnisse der verpflichteten Partei bestimmt". Die Plastikmaterialien konnten im Zuge der zwangsweisen Räumung nicht entfernt werden, weil dies wegen ihres Umfangs und der Beschaffenheit einen Zeitaufwand von mehreren Wochen erfordern würde und weil sie überdies fachgerecht entsorgt werden müssen.
In der Folge klagte die betreibende Partei zu AZ 54 C 338/06s des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, gestützt auf Schadenersatzrecht, erfolglos eine Vorauszahlung von 100.000 EUR für die zu erwartenden Kosten der Räumung ein. Das Klagebegehren wurde wegen Verjährung iSd § 1111 ABGB abgewiesen (AZ 38 R 137/07i des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien; OGH AZ 4 Ob 220/07t).
Am 26. November 2007 beantragte die betreibende Partei aufgrund des Vergleichs vom 2. Oktober 2002, nun gestützt auf § 353 EO, die Exekution zur Erwirkung der Entfernung der „Plastikmaterialien einschließlich der damit wirtschaftlich nicht trennbar verbundenen Sachen, die von der verpflichteten Partei in den auf der Liegenschaft EZ ***** gelegenen Lagerhallen Nr 3 und Nr 14 sowie auf den dort gelegenen Freiflächen im Ausmaß von 7.000 Quadratmeter gelagert wurden", die Ermächtigung der betreibenden Partei, diese Materialien durch befugte Unternehmen zu entfernen und entsorgen zu lassen, sowie eine Vorauszahlung der verpflichteten Partei von 100.000 EUR. Nach dem Antragsvorbringen hätten die Materialien im Zuge der zwangsweisen Räumung der Liegenschaft wegen des Umfangs, der Beschaffenheit und des nötigen Zeitaufwands von mehreren Wochen nicht entfernt werden können. Die Plastikmaterialien müssten „fachgerecht entsorgt werden". Eine Sortierung der Plastikabfälle sei unwirtschaftlich. Diese könnten nicht im Wege des Verkaufs verwertet werden. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft habe mit zwei Bescheiden vom 2. Mai 2002 und vom 21. Juli 2003 die Entfernung und ordnungsgemäße Entsorgung und in einem weiteren Bescheid vom 29. April 2005 die ordnungsgemäße Entfernung von auf dem Bestandobjekt lagernden Kunststoffabfällen gemäß § 32 AWG bzw § 73 AWG als im öffentlichen Interesse liegend angeordnet.
Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution mit Stampiglienerledigung.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge und wies den Exekutionsantrag ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz im Wesentlichen Folgendes aus:
Bei einer Räumungsexekution werde die Räumung nur dann vollzogen, wenn der betreibende Gläubiger die zur Öffnung der Räumlichkeiten und zur Wegschaffung der zu entfernenden beweglichen Sachen erforderlichen Arbeitskräfte und Beförderungsmittel bereitstelle. Die nicht den Gegenstand der Exekution bildenden beweglichen Sachen seien durch das Vollstreckungsorgan dem Verpflichteten zu übergeben. In Ermangelung einer zur Übernahme befugten Person seien die Sachen in Verwahrung zu bringen. Diese seien schließlich, wenn der Verpflichtete die Rückforderung der Sachen verzögere oder mit der Berichtigung der Verwahrungskosten säumig sei, auf Rechnung des Verpflichteten zu verkaufen. Die Räumungsexekution führe zur Entfernung von Personen und Sachen des Verpflichteten und zur Übergabe der Liegenschaft an den Betreibenden in diesem Zustand. § 349 EO sei gegenüber den §§ 353 und 354 EO die spezielle Norm. Nur wenn der Verpflichtete eine Liegenschaft in den früheren Zustand zu versetzen bzw Gegenstände aus ihr zu entfernen habe, sei nicht nach § 349 EO, sondern nach § 353 EO vorzugehen. Es sei begrifflich ohne weiteres möglich, zunächst die Exekution auf Übergabe der Liegenschaft gemäß § 349 EO und - falls die Verpflichtung zur Räumung der Liegenschaft von den darauf befindlichen Objekten des Verpflichteten nicht erfüllt werde - nach Ablauf der hiefür vorgesehenen längeren Leistungsfrist zur Erwirkung der Räumung der Liegenschaft von den Objekten des Verpflichteten die Exekution gemäß § 353 EO zu führen. Die Exekution zur Entfernung oder Abtragung eines Bauwerks sei nach § 353 EO durchzuführen. Wenn das Bauwerk aber noch benützt werde oder wenn sich im Bauwerk noch Sachen des Verpflichteten befänden, müsse spätestens gleichzeitig mit der Bewilligung der Exekution nach § 353 EO eine nach § 349 EO erfolgen. Die Räumung einer Liegenschaft von einem Überbau sei gemäß § 353 EO durchzuführen. Im vorliegenden Fall sei strittig, ob die Verpflichtung zur Räumung von eigenen Fahrnissen des Verpflichteten im Zuge der Räumungsexekution nach § 349 EO zu erfolgen habe oder aber nach § 353 EO. Nach dem Exekutionstitel müsse die verpflichtete Partei das Objekt geräumt von eigenen oder nicht in Bestand gegebenen Fahrnissen übergeben. Die Räumungsverpflichtung sei nach § 349 EO zu vollstrecken. Die Klausel „geräumt von eigenen bzw. sämtlichen nicht in Bestand gegebenen Fahrnissen" habe aber keine eigenständige Bedeutung, sondern umschreibe nur die in § 349 Abs 1 EO normierte Entfernung von beweglichen Sachen durch das Vollstreckungsorgan. Damit werde keine eigenständige, von der Räumung der Liegenschaft losgelöste Verpflichtung zur Entfernung der Fahrnisse ausgesprochen. Daraus folge, dass hier nur die Räumungsexekution nach § 349 EO zur Verfügung stehe. Da § 349 EO die speziellere Norm sei, komme § 353 EO nicht zur Anwendung. Die Judikatur zur Räumung einer Liegenschaft von einem Überbau, die nach § 353 EO durchzuführen sei, sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, „weil es sich beim Überbau um eine bewegliche Sache handelt".
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig:
I. Die angefochtene Entscheidung steht mit den folgenden, vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen im Einklang:
1. Die im Gesetz angeführten Exekutionsarten (Exekutionsmittel) sind grundsätzlich nicht disponibel, der betreibende Gläubiger hat kein Wahlrecht (3 Ob 366/97p = SZ 71/28 ua; Höllwerth in Burgstaller/Deixler‑Hübner, EO, § 353 Rz 3). Welche Exekutionsart anzuwenden ist, richtet sich nach dem Inhalt des Exekutionstitels, also nach der Titelschuld (Klicka in Angst, EO², § 353 Rz 2 mwN).
2. Die Räumungsexekution nach § 349 EO ist Spezialnorm gegenüber § 353 EO (3 Ob 45/85 = MietSlg 37.833/30; Höllwerth aaO § 349 Rz 1 und § 353 Rz 5 mwN; generell für alle Exekutionsarten nach den §§ 346 bis 352 gegenüber § 353 EO: Klicka aaO).
3. Bei der Räumungsexekution nach § 349 EO sind auf der Liegenschaft oder im Räumungsobjekt befindliche Sachen des Verpflichteten diesem zu übergeben oder aber zu verwahren. Wenn der Verpflichtete mit der Entfernung säumig ist, kommt es zum Verkaufsverfahren nach § 349 Abs 2 EO (zu allem Klicka aaO § 349 Rz 27 und 34).
Die der Räumung dienenden Handlungen (Entfernung von Personen und Fahrnissen des Verpflichteten) können nicht von der Übergabe der unbeweglichen Sachen an den betreibenden Gläubiger getrennt werden (RIS‑Justiz RS0004430), die Entfernung ist also grundsätzlich im Rahmen der Exekution nach § 349 EO durchzuführen (Höllwerth aaO § 349 Rz 3), es sei denn, der Verpflichtete soll zu mehr als zum bloßen „Wegschaffen" beweglicher Sachen verpflichtet werden, dann müsste ein Exekutionstitel nach § 353 EO erwirkt werden (3 Ob 1513, 1514/86 = MietSlg 38.187). In diesem Sinn ist auch die Judikatur zu verstehen, dass die Räumung einer Liegenschaft von Überbauten nicht nach § 349 EO, sondern nach § 353 EO zu vollstrecken ist (RIS‑Justiz RS0004398; Klicka aaO § 353 Rz 19; Höllwerth aaO § 349 Rz 4, je mwN). Weiters ist § 353 EO anwendbar, wenn der Titel den Verpflichteten nur zur Entfernung von Gegenständen aus der Liegenschaft verpflichtet.
4. Die Räumungsexekution nach § 349 EO ist mit der Einweisung der betreibenden Partei in den Besitz des Mietobjekts auch dann beendet, wenn dort bewegliche Sachen des Verpflichteten zurückbleiben (RIS‑Justiz RS0002120; RS0004453; Klicka aaO § 349 Rz 13 mwN) und ein Verwahrer bestellt wurde, der auch der betreibende Gläubiger sein kann (3 Ob 108/94 = RpflE 1995/38; 4 Ob 220/07t = immolex 2008, 183 = Zak 2008, 239). Nach Beendigung der Räumungsexekution ist (schon begrifflich) eine Aufschiebung der Exekution nicht mehr möglich (RIS‑Justiz RS0001667).
II.1. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass der dem Exekutionstitel neben dem Übergabeanspruch weiters innewohnende Anspruch auf Entfernung der Fahrnisse im Rahmen der Exekutionsführung nach § 349 EO mit der Bestellung der betreibenden Partei zur Verwahrerin bereits erfüllt wurde. Sie selbst kann aufgrund ihrer Verwahrerstellung die Fahrnisse jederzeit von der Liegenschaft entfernen und in ein Zwischenlager verbringen, nicht aber mit demselben Exekutionstitel, der keine Entsorgungsverpflichtung enthält, nochmals Exekution, diesmal nach § 353 EO zu dem offenkundigen Zweck führen, für den Entfernungsaufwand eine Vorauszahlung der verpflichteten Partei erhalten zu können, die sie bei der Exekutionsführung nach § 349 EO und auch nach materiellem Recht im Prozessweg wegen Verjährung nicht erlangen konnte.
2. Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht die von der Revisionsrekurswerberin ins Treffen geführte E SZ 6/123:
In der Entscheidung 2 Ob 217/56 = EvBl 1956/291, wurde ausgesprochen, dass es begrifflich ohne weiters möglich sei, „zunächst die Exekution auf Übergabe der Liegenschaft gemäß § 349 EO, und, falls die Verpflichtung zur Räumung der Liegenschaft von den darauf befindlichen Objekten des Verpflichteten nicht erfüllt wird, nach Ablauf der hiefür vorgesehenen längeren Leistungsfrist zur Erwirkung der Räumung der Liegenschaft von den dem Verpflichteten gehörigen Objekten die Exekution gemäß § 353 EO zu führen". Schon in der Entscheidung SZ 6/123 sei darauf hingewiesen worden, dass zur Durchsetzung einer Judikatobligation auch mehrere Exekutionsarten angewendet werden könnten. Der Entscheidung des 2. Senats lag aber ein Exekutionstitel mit verschiedenen Leistungsfristen zu Grunde. Der zu übergebende Steinbruch war binnen vierzehn Tagen zu übergeben, die Räumung der Liegenschaft von Objekten des Verpflichteten hatte aber binnen drei Monaten zu erfolgen. Die in den zitierten Entscheidungen für zulässig erachtete Exekutionsführung nach § 353 EO war demgemäß im dort zu beurteilenden Exekutionstitel begründet.
Für den Standpunkt der betreibenden Partei können schließlich auch nicht die zur Räumung von Liegenschaften mit Überbauten vertretenen Grundsätze ins Treffen geführt werden:
Überbauten werden als bewegliche Sachen qualifiziert, die deshalb nicht in der Räumungsexekution nach § 349 EO zu den in Abs 2 angeführten „wegzuschaffenden beweglichen Sachen" gezählt werden, weil das Entfernen ein positives und iSd § 353 EO vertretbares Tun des Verpflichteten erfordert (Höllwerth aaO § 349 Rz 4 mwN), das über die bloße Übernahme der Fahrnisse vom Gerichtsvollzieher beim Räumungstermin hinausreicht. Im Zusammenhang damit, dass Überbauten nicht unter § 349 EO fallen, wurde ausgesprochen, dass ihre Entfernung nur nach Erwirkung eines entsprechenden Exekutionstitels nach § 353 EO durchsetzbar sei, dass also ein bloßer auf Räumung der Liegenschaft und auf geräumte Übergabe der Liegenschaft lautender Titel nicht ausreiche (3 Ob 114/87 = MietSlg 39.853). Diese Rechtsauffassung wird insbesondere dort zutreffen, wo für die Entfernung (den Abriss) des Überbaus eine einzuholende behördliche Bewilligung erforderlich ist, sodass schon im Exekutionstitel klargestellt sein muss, dass der betreibende Gläubiger das Recht auf Entfernung des Überbaus hat, damit er mit der Ermächtigung des § 353 Abs 1 EO die erforderlichen Bewilligungen selbst einholen kann (1 Ob 505/94 = SZ 67/126). Schon daraus folgt, dass jedenfalls für die von der betreibenden Partei angestrebte Entsorgung der Fahrnisse eine vom Titel gedeckte Entsorgungsverpflichtung vorliegen müsste. Die Judikatur zu den Überbauten spricht demnach nicht für, sondern gegen den Standpunkt der Revisionsrekurswerberin.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen. Im Exekutionsverfahren ist das Rechtsmittelverfahren in allen Instanzen grundsätzlich einseitig (RIS‑Justiz RS0116198). Umstände für eine ausnahmsweise doch gebotene Zweiseitigkeit sind nicht ersichtlich.
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