OGH 10ObS190/21w

OGH10ObS190/21w28.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dora Camba (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. M*, vertreten durch Dr. Erich Ehn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, Haidingergasse 1, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. September 2021, GZ 8 Rs 68/21 k‑21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 12. Februar 2021, GZ 38 Cgs 140/20m‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00190.21W.0728.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 609,67 EUR (darin 101,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist das mögliche Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 16. März 2018 bis 13. Juli 2020.

[2] Die Klägerin und ihr Gatte J* sind die Eltern der am 16. März 2018 geborenen M*. Die Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin, war vor der Geburt in einer Krankenanstalt in Wien beschäftigt und bezog von 30. Oktober 2017 bis 11. Mai 2018 Wochengeld von 63,23 EUR täglich. Ihr Gatte ist französischer Staatsbürger und seit 1. November 2013 als Bediensteter des Europäischen Patentamts (EPA), eines Organs der Europäischen Patentorganisation (EPO), in der Dienststelle inMünchen tätig. Er ist in das System der sozialen Sicherheit des EPA eingebunden und unterliegt nicht dem System der sozialen Sicherheit in Deutschland.

[3] Die Klägerin bezog für M* von 1. März 2018 bis zumindest 31. März 2021 österreichische Familienbeihilfe. Ihr Gatte erhält vom EPA nach Art 67 des Statuts der Beamten und sonstigen Bediensteten des EPA (künftig: Statut) eine Unterhaltsberechtigtenzulage für M* von 227,44 EUR (348,54 EUR abzüglich der österreichischen Familienbeihilfe von 121,10 EUR) monatlich.

[4] Mit Bescheid vom 23. Juli 2020 sprach die beklagte Österreichische Gesundheitskasse aus, dass der Anspruch der Klägerin auf (pauschales) Kinderbetreuungsgeld (als Konto) für M* in der von ihr beantragten Variante 851 Tage für den Zeitraum von 16. März 2018 bis 13. Juli 2020 zur Gänze ruhe. Die vom EPA dem Ehemann der Klägerin gewährte Familienleistungsei gemäß § 6 Abs 3 KBGG auf das Kinderbetreuungsgeld anzurechnen.

[5] Das Erstgericht gab dem dagegen gerichteten Klagebegehren insofern statt, als es die Beklagte verpflichtete, der Klägerin unter Berücksichtigung des bezogenen Wochengeldes Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 16. März 2018 bis 13. Juli 2020 im gesetzlichen Ausmaß (14,53 EUR täglich) zu zahlen, wobei es im Hinblick auf den Wochengeldbezug von einem Ruhen des Kinderbetreuungsgeldanspruchs bis 11. Mai 2018 ausging. Die Frage, ob die vom Gatten der Klägerin bezogene Unterhaltsberechtigtenzulage auf das Kinderbetreuungsgeld anzurechnensei, sei allein nach den innerstaatlichen Bestimmungen zu beurteilen, weil die VO (EG) 883/2004 mangels ausreichenden Unionsbezugs nicht anwendbar sei. Nach § 6 Abs 3 KBGG ruhe der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, soweit ein Anspruch auf ausländische Familienleistungen bestehe. Zwar sollten nach den Gesetzesmaterialien auch Leistungen internationaler Organisationen davon erfasst werden. Abgesehen davon, dass es schon zur Vermeidung einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung auch hier auf die von der Rechtsprechung im Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 geforderte Gleichartigkeit der Leistung ankommen müsse, habe der Oberste Gerichtshof zu 10 ObS 35/09h ausgesprochen, dass Leistungen von internationalen Organisationen nicht vom Begriff der „ausländischen Familienleistungen“ erfasst seien. Es sei auch kein Grund ersichtlich, Leistungen internationaler Organisationen mit staatlichen Leistungen gleichzusetzen, weil sie sich nicht von Zuwendungen privater Dienstgeber unterscheiden würden. Die Unterhaltsberechtigtenzulage habe nach dem Statut auch nur ergänzenden Charakter zu staatlichen Familienleistungen, was unterlaufen würde, wenn sie nach § 6 Abs 3 KBGG anrechenbar wäre. Insofern sei der Sachverhalt mit jenem in der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache 186/85, Kommission/Belgien vergleichbar. Der Klägerin stehe daher Kinderbetreuungsgeld für 851 Tage (§ 5 Abs 1 KBGG) zu; während des Wochengeldbezugs ruhe ihr Anspruch jedoch.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren (zur Gänze) ab. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 sei nicht eröffnet, weil die Klägerin weder Grenzgängerin noch Angehörige iSd Art 1 lit i der VO (EG) 883/2004 sei. Erklärter Zweck des § 6 Abs 3 KBGG sei es, Doppelleistungen zu verhindern, was nur erreicht werden könne, wenn auch Familienleistungen internationaler Organisationen darunter fallen. Das entspreche auch der einhelligen Lehre. Demgegenüber sei die vom Erstgericht herangezogene Entscheidung 10 ObS 35/09h nicht einschlägig, weil sie zum IAEO-Amtssitzabkommen ergangen sei. Es gebe auch nicht den Ausschlag, dass die Unterhaltsberechtigtenzulage nach Art 67 des Statuts nur ergänzend gewährt werde, weil das Statut eine interne Vorschrift sei und daher die Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) nicht binde. Die Aussagen in der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache 186/85, Kommission/Belgien, in der eine aus der VO (EWG, Euratom, EGKS) 259/68 abgeleitete Bindung an das dort maßgebliche Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen der sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften angenommen worden sei, könnten daher nicht auf den Anlassfall übertragen werden. Angesichts dessen sei nur noch zu prüfen, ob die im Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 für eine Anrechnung erforderliche Gleichartigkeit der Leistungen auch hier gegeben sein müsse. Das sei zu verneinen, weil die ungleiche Behandlung von Leistungen aus Mitgliedstaaten und aus Drittstaaten zulässig sei. Da „nicht nur zeitlich kongruente ausländische Familienleistungen anzurechnen“ seien, ruhe der Anspruch der Klägerin zur Gänze.

[7] Die Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Anwendbarkeit des § 6 Abs 3 KBGG auf Familienleistungen internationaler Organisationen noch nicht befasst habe. Ebenso wenig sei in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt, ob die Leistungen bei Bejahung dieser Frage gleichartig sein müssen und nur zeitlich kongruente Leistungen angerechnet werden dürfen.

[8] Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Stattgebung des Klagebegehrens für den Zeitraum ab 12. Mai 2018 anstrebt.

[9] In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

[11] 1. In den Rechtsmittelschriften ziehen die Parteien die Ansicht der Vorinstanzen, dass die VO (EG) 883/2004 mangels grenzüberschreitender Elemente nicht anwendbar ist, nicht in Zweifel. Unstrittig ist auch, dass Österreich Vertragsstaat des EPÜ und die EPO eine internationale Organisation ist, der Völkerrechtssubjektivität zukommt (Joos/Quarch in Benkard, Europäisches Patentübereinkommen3 [2019]Art 4 Rz 3 ff).

[12] 2. Darauf aufbauend macht die Klägerin in ihrer Revision zu Recht geltend, dass § 6 Abs 3 KBGG auf die hier zu beurteilenden Leistungen des EPA nicht anwendbar ist.

3. § 2 Abs 1 KBGG lautete in der Fassung vor der Novelle BGBl I 2007/76 (künftig: KBGG aF) wie folgt:

Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat ein Elternteil ?...,? sofern

1. für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 ... besteht oder für dieses Kind nur deswegen nicht besteht, weil Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung besteht.

[13] 3.1. Diese Regelung wurde zwar mit der Novelle BGBl I 2007/76 unter Hinweis auf die sich aus dem Unionsrecht (VO [EWG] 1408/71) ergebende Verpflichtung Österreichs, eine Ausgleichszahlung auch dann zu leisten, wenn im vorrangig zuständigen Staat ein Anspruch auf eine gleichartige ausländische Familienbeihilfe besteht, ersatzlos gestrichen (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP  4). In der Entscheidung 10 ObS 35/09h (SSV‑NF 23/22) führte der Oberste Gerichtshof dazu aus, dass § 2 Abs 1 Z 1 zweite Alternative KBGG vor dem Hintergrund des § 4 Abs 1 FLAG zu sehen und der Wortlaut beider Bestimmungen eindeutig ist: Der Begriff „ausländisch“ hat die Bedeutung von „in einem anderen Staat“ und nicht „von einem anderen Völkerrechtssubjekt“.

[14] 3.2. Nach dem (ebenfalls) mit der Novelle BGBl I 2007/76 neu geschaffenen – in der hier relevanten Passage seither unveränderten – § 6 Abs 3 KBGG ruht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach dem ersten Satz dann, wenn ein Anspruch auf „ausländische Familienleistungen“ besteht. Der Gesetzgeber führte dazu aus (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP  5):

Die Praxis hat gezeigt, dass es Fallkonstellationen gibt, in denen Eltern unter Umständen Familienleistungen in mehreren Staaten erhalten können. Für die meisten Fälle kann bereits mit der VO (EWG) Nr. 1408/71 das Auslangen gefunden werden. Viele Staaten haben aber durch nationale Anrechnungs- bzw. Ruhensbestimmungen die Möglichkeit von Doppelleistungen explizit ausgeschlossen. Desgleichen besteht in Österreich für die Familienbeihilfe eine entsprechende Regelung für die der Familienbeihilfe gleichartigen ausländischen Leistungen. Eine Anrechnungsbestimmung soll nun auch im Bereich des KBG verankert werden. Unter vergleichbaren ausländischen Familienleistungen im Sinne des KBGG sind all jene Familienleistungen zu verstehen, die für Kinder unter 3 Jahren gebühren und nicht der Familienbeihilfe ... gleichartig sind. Auch Familienleistungen internationaler Organisationen sind von der Definition erfasst. Für das Ruhen des KBG ist es irrelevant, wie diese Leistungen in den jeweiligen Staaten/Organisationen im Detail ausgestaltet sind oder bezeichnet werden, an welchen Elternteil sie gezahlt werden oder für welches Kind die Leistungen gebühren.“

 

In gleicher Weise führen die Materialien zur Novelle BGBl I 2016/53, mit der in § 6 Abs 3 erster Satz KBGG (nur) die zuvor bestehende Notwendigkeit der Vergleichbarkeit der ausländischen Familienleistung beseitigt wurde, aus (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  9):

Weiters ist nach wie vor irrelevant, welcher Elternteil Anspruch auf die Leistungen hat. Diese Regelung dient der generellen Verhinderung von Doppelleistungen und gilt im Sinne der Gleichbehandlung auch für Ansprüche auf Leistungen aus Drittstaaten oder Leistungen internationaler Organisationen (sofern nicht ohnehin bereits ein Ausschluss aufgrund eines Amtssitzabkommens oder Wiener Übereinkommens vorliegt) etc.

 

[15] 4. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass die Entscheidung 10 ObS 35/09h zu § 2 Abs 1 Z 1 KBGG aF und damit letztlich zur Frage erging, ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe (als Voraussetzung für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld) besteht. Zu beurteilen ist nun, ob das dabei erzielte Auslegungsergebnis auf § 6 Abs 3 KBGG übertragen werden kann.

[16] 4.1. Wie der Begriff „ausländisch“ nach der Wortinterpretation zu verstehen ist, ist durch die Entscheidung zu 10 ObS 35/09h geklärt. Zwar können Worte unter Umständen verschiedene Bedeutungen haben, je nachdem, in welchem Zusammenhang sie verwendet werden (RIS‑Justiz RS0008787 [T1]). Warum das Wort „ausländisch“ in § 6 Abs 3 KBGG nur deshalb eine andere Bedeutung als in § 2 Abs 1 Z 1 KBGG aF oder § 4 Abs 1 FLAG haben soll, weil es darin um Kinderbetreuungsgeld und nicht um Familienbeihilfe geht, ist indes nicht zu sehen. Denn der Begriff „ausländisch“ stellt auf die Herkunft und nicht auf die Art der Leistung ab. Zudem knüpft der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ausdrücklich an den Anspruch auf Familienbeihilfe und deren Gewährung an (§ 2 Abs 1 Z 1 KBGG), sodass schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen innerhalb der Rechtsordnung ein Gleichklang mit § 4 Abs 1 FLAG anzustreben ist. Nicht umsonst verweisen die Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl I 2007/76 auf die entsprechende Regelung für die Familienbeihilfe, nehmen also selbst Bezug auf die Anrechnungsregelung in § 4 Abs 1 FLAG, die in dieser Form auch für das Kinderbetreuungsgeld gesetzlich verankert werden sollte.

[17] 4.2. Auch die objektiv-teleologische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach herrschender Ansicht stellt § 6 Abs 3 KBGG eine international umfassend ausgestaltete Antikumulierungsregel dar (RS0125752; 10 ObS 6/10w SSV‑NF 24/9; Schober in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG3 § 6 Rz 5 ua). Ihr Zweck liegt zunächst darin,den gleichzeitigen Bezug von (Familien-)Leistungen aus mehreren Mitgliedstaaten der EU und der weiteren „Geltungsstaaten“ zu unterbinden, um eine Besserstellung dieser Personen gegenüber Personen mit Leistungsansprüchen aus nur einem Mitgliedstaat zu vermeiden (10 ObS 146/16t SSV‑NF 31/2 [zu § 6 Abs 3 erster Satz KBGG idF BGBl I 2007/76]). Kann ein Anspruch in mehreren Staaten entstehen, kann es zu einer unnötigen Überkompensation von Familienlasten kommen, weil jeder in Betracht kommende Staat die Anspruchsvoraussetzungen für sich regelt. Im Verhältnis von Staaten zu internationalen Organisationen ist das in dieser Form aber nicht der Fall, weil es letztlich eine Frage der völkerrechtlichen Vereinbarung zwischen den internationalen Organisationen und den Sitzstaaten ist, ob und in welchem Ausmaß die Mitarbeiter internationaler Organisationen in die Sozialsysteme der Sitzstaaten einbezogen werden. Zu nicht beeinflussbaren Doppelleistungen und damit einhergehenden ungewollten Belastungen des inländischen Sozialsystems kann es in dieser Hinsicht nicht kommen. Wenn sich daher die Vertragsstaaten – wie hier nach Art 18 des Vorrechteprotokolls zum EPÜ (BGBl 1979/350) – dafür entscheiden, die internationale Organisation und ihre Mitarbeiter aus ihren Sozialsystemen auszunehmen, liegt das außerhalb des von § 6 Abs 3 erster Satz KBGG intendierten Schutzbereichs. Für eine den (klaren) Wortlaut ausdehnende Auslegung gibt der Zweck der Bestimmung somit keinen Anlass.

[18] 4.3. Eine planwidrige Lücke, die eine Analogie rechtfertigen könnte, ist nicht zu sehen. § 6 Abs 3 KBGG geht selbst davon aus, dass nicht jede Leistung, die Familienlasten ausgleichen soll (zB Leistungen des Dienstgebers), auf das Kinderbetreuungsgeld anzurechnen ist.

[19] Soweit die Gesetzesmaterialien(ErläutRV 229 BlgNR 23. GP  5) ausführen, Familienleistungen internationaler Organisationen seien von § 6 Abs 3 KBGG erfasst, ist das nicht von ausschlaggebender Bedeutung, weil dies im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden hat und kein Grund ersichtlich ist, dass eine planwidrige Gesetzeslücke entstanden ist.

[20] Aus diesem Grund lässt sich für die Auslegung des § 6 Abs 3 Satz 1 KBGG auch aus dem Schrifttum nichts gewinnen, weil darin bloß die Gesetzesmaterialien wiedergegeben werden, aber keine eigenen Stellungnahmen dazu erfolgen (Schober in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG3 § 6 Rz 5; Ehrenhöfer KBGG und FamZeitbG3 [2017] § 6 Rz 23; Weißenböck in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG [2017] 100; Ehmer ua, KBGG2 [2009] 115).

[21] 4.4. Zusammenfassend ist die vom EPA (an den Gatten der Klägerin) gewährte Unterhaltsberechtigtenzulage nicht als „ausländische Familienleistung“ im Sinn des § 6 Abs 3 KBGG zu qualifizieren, die zum Ruhen des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld führen kann. Da § 6 Abs 3 KBGG nicht anzuwenden ist, kommt es auf die weiteren vom Berufungsgericht formulierten Zulassungsfragen nicht mehr an.

[22] 5. Der Revision ist daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

[23] Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG, wobei der Kostenersatzanspruch der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens umfasst. Nach § 77 Abs 2 ASGG beträgt die Bemessungsgrundlage auch in dritter Instanz nur 3.600 EUR. Pauschalgebühren sind in Sozialrechtssachen nicht zu entrichten (§ 80 ASGG).

Stichworte