OGH 15Os52/22v

OGH15Os52/22v27.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Marko, BA, BA, als Schriftführerin in der Strafsache gegen E* P* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten E* P* und * K* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 23. Februar 2022, GZ 603 Hv 5/21t‑88, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00052.22V.0727.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden E* P* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I./) und * K* des Verbrechens des Mordes nach „§§ 12 dritter Fall; 12 zweiter Fall; 75 StGB“ (II./) schuldig erkannt.

[2] Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben in Wien

I./ E* P* am 20. November 2018 (über Auftrag des M* A*) * T* vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihm mit einem massiven rohrförmigen Werkzeug mehrfach heftig gegen den Kopf schlug, wodurch dieser ein Schädel‑Hirn‑Trauma, einen Schädel‑Berstenbruch, mehrere geradlinig verlaufende Rissquetschwunden sowie eine dreieckige Rissquetschwunde am Kopf erlitt;

II./ * K* im August oder September 2018 „zur Tathandlung des M* A* (E* P* dazu zu bestimmen, * T* zu töten) beigetragen […], indem er, in Kenntnis des Tatplans, die Forderung des E* P* für die Tat in Höhe von 10.000 Euro verbal entgegennahm und in Aussicht stellte, Rechnungen in Gesamthöhe der Forderung an M* A* auszustellen und den Betrag an E* P* zu überweisen, was er auch tat“.

[3] Die Geschworenen haben die jeweils anklagekonform gestellte Hauptfrage bejaht, Eventual- oder Zusatzfragen wurden nicht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Urteil richten sich getrennt ausgeführte, von E* P* auf Z 6, 10a und 11 lit b sowie von * K* auf Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*:

[5] Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) verlangt vom Beschwerdeführer neben der deutlichen und bestimmten Bezeichnung der vermissten Fragestellungen auch jene des Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, vorliegend somit eines diese Fragestellungen indizierenden Tatsachensubstrats (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0117447&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False , RS0119417).

[6] Diesem Erfordernis wird das die Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB, für den Fall deren Verneinung von solchen nach dem „Vorliegen einer schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, Abs 4, 85 Abs 1 und 2 StGB“ vermissende Vorbringen mit dem Hinweis auf bestimmte Passagen der Angaben der Zeugen Y* A* (ON 85 S 30 f und 36), S* A* (ON 85 S 38 bis 40 und 45) und M* A* (ON 87 S 29 f) sowie auf nicht näher bezeichnete (vgl aber RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0117447&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T10]), in der Hauptverhandlung verlesene Aussagen des M* P* (vgl ON 87 S 3 und 39 f) nicht gerecht.

[7] Denn mit den daraus gezogenen Schlussfolgerungen, der Angeklagte habe „* T* 'still gemacht' im Sinne von ruhig gestellt“ und keiner der Zeugen habe einen Mordvorsatz dezidiert behauptet, werden lediglich Umstände dargestellt, die nach Ansicht des Beschwerdeführers gegen das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes sprechen. Weshalb diese Verfahrensergebnisse hingegen nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung indizieren sollten, dass der Angeklagte mit Verletzungsvorsatz, gar in der Variante der Absicht, gehandelt habe, erschließt sich nicht. Solcherart wird das Vorbringen nicht gesetzeskonform ausgeführt (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0100860&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False; Lässig, WK‑StPO § 314 Rz 2) und entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung.

[8] Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit eigenständigen Erwägungen zum jeweiligen Beweiswert der Angaben der oben angeführten Zeugen („strotzen von Widersprüchlichkeiten und seltsamen, nicht zur Tataufklärung beitragenden Angaben“) und mit dem Hinweis auf die Niederschrift der Geschworenen (vgl aber RIS-Justiz RS0115549) keine nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierenden Bedenken (RIS‑Justiz RS0118780, RS0119583) an der Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

[9] Die Rechtsrüge (Z 11 lit b) behauptet einen Verstoß gegen das Verbot wiederholter Strafverfolgung (§ 17 Abs 1 StPO), weil die Geschworenen im Verfahren AZ 603 Hv 2/20z des Landesgerichts für Strafsachen Wien einen auf Tötung des * T* gerichteten Vorsatz des Angeklagten verneint hätten und er (im zweiten Rechtsgang; vgl 14 Os 36/21g) mit Urteil dieses Gerichts (als Schöffengericht) vom 20. August 2021, GZ 86 Hv 29/21w‑192, rechtskräftig der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 87 Abs 1 StGB zum Nachteil des Genannten schuldig erkannt worden sei.

[10] Der Einwand verfehlt die gebotene Bezugnahme auf den im Wahrspruch des hier angefochtenen Urteils festgestellten Sachverhalt (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0101016&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ), nach welchem der Beschwerdeführer am 20. November 2018 * T* durch das Versetzen mehrerer heftiger Schläge mit einem massiven rohrförmigen Werkzeug gegen den Kopf (selbst unmittelbar) zu töten versuchte, während ihm mit jenem Urteil angelastet wurde, (unter Beteiligung eines weiteren Angeklagten) im September 2018 erfolglos versucht zu haben, * B* zu einer absichtlichen schweren Körperverletzung des Opfers zu bestimmen. In der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien zum Vorliegen eines insoweit einheitlichen Tatgeschehens (vgl RIS‑Justiz RS0126577) werden im Übrigen nicht vorgebracht.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*:

[11] Die – die Stellung von Eventualfragen in Richtung der §§ (12 dritter Fall) 87 Abs 1 und 2 erster Fall; in eventu „§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und 4, 85 Abs 1 und 2 StGB“ vermissende – Fragenrüge (Z 6) beschränkt sich darauf, mit den in der Rechtsmittelschrift wiedergegebenen Passagen der Angaben der Zeugen Y* A* (ON 85 S 29 ff und 36), S* A* (ON 85 S 39 ff) und M* A* (ON 87 S 29 ff) Umstände darzustellen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers gegen das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes sprechen. Weshalb diese Verfahrensergebnisse hingegen nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung indizieren sollten, dass der Beschwerdeführer mit Verletzungsvorsatz gehandelt habe, wird nicht klar. Solcherart orientiert sich die Beschwerde nicht am Verfahrensrecht (vgl neuerlich RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0100860&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False; Lässig, WK‑StPO § 314 Rz 2).

[12] Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der von §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO genannten Belehrungen, die eine Einheit bilden, die nur als Ganzes betrachtet richtig oder unrichtig sein kann (RIS‑Justiz RS0125434). Soweit das Vorbringen Darlegungen zum (nicht Gegenstand der Fragestellung gewesenen) Begriff der Körperverletzung vermisst, verfehlt es den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, weil die Rechtsbelehrung gemäß § 321 Abs 2 StPO nur für solche Fragen und nur in Ansehung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes zu erteilen ist, die den Geschworenen tatsächlich gestellt werden (RIS Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0101085&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T1]).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

[14] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§§ 344, 285i StPO). Dieses wird dabei zu berücksichtigen haben (vgl RIS‑Justiz RS0119220), dass das Geschworenengericht in Ansehung des Angeklagten K* rechtlich verfehlt von Tatvollendung (vgl US 4 f, 7 und 10) ausgegangen ist (vgl RIS‑Justiz RS0118120) und damit den auch für diesen Angeklagten maßgebenden Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 13 StGB zu Unrecht nicht in Rechnung gestellt hat (§ 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO; vgl RIS‑Justiz RS0122137).

[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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