European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00036.21G.0601.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A***** wird zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im die Angeklagten E***** P***** und M***** P***** betreffenden Umfang (insoweit zur Gänze) sowie der den Schuldsprüchen hinsichtlich dieser Angeklagten (Punkte II und III) zugrunde liegende – im Übrigen gleichfalls unberührt bleibende – Wahrspruch der Geschworenen zu den Eventualfragen 2 und 3 aufgehoben und die Sache insoweit an das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.
Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte E***** P***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten A***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden ***** A***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 75 StGB (I) sowie E***** P***** (zu II) und M***** P***** (zu III) jeweils eines Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben
I/ A***** im September 2018 in W***** ***** B***** bestimmt, ***** T***** zu töten, indem er ihn damit beauftragte und ihm für die Tatausführung 30.000 Euro anbot, wobei es lediglich beim Versuch blieb, weil B***** die Vorbereitungen der Tat abbrach und nach Bosnien zurückkehrte;
II/ E***** P***** im September 2018 in W***** „andere dazu bestimmt“, „***** T***** absichtlich schwer am Körper zu verletzen, und zwar ***** B*****, indem E***** P***** nach Erteilung des dahingehenden Auftrages durch ***** A*****, Kontakt mit seinem Sohn M***** P***** aufnahm und ihn damit beauftragte, jemanden zu finden, der den ehemaligen Schwiegersohn des“ A*****„, ***** T*****, absichtlich schwer am Körper verletzt“, wobei er für die Tatausführung 30.000 Euro anbot;
III/ M***** P***** im September 2018 in Bosnien „andere dazu bestimmt“, „***** T***** absichtlich schwer am Körper zu verletzen, und zwar ***** B*****, indem M***** P***** nach Erteilung des unter Spruchpunkt II/ genannten Auftrages Kontakt mit ***** B***** aufnahm und ihn damit beauftragte, den ehemaligen Schwiegersohn des“ A*****„, ***** T*****, absichtlich schwer am Körper zu verletzen“, wobei er ihm für die Tatausführung 30.000 Euro anbot“ und es lediglich beim Versuch blieb, weil B***** die Vorbereitungen zur Tatausführung abbrach und zurück nach Bosnien reiste.
[3] Dagegen richten sich von den Angeklagten A***** aus Z 4, 10a und 11 lit b sowie E***** P***** aus Z 6, jeweils des § 345 Abs 1 StPO, ergriffene Nichtigkeits ‑ beschwerden.
Rechtliche Beurteilung
[4] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****:
[5] Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert einen faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit (vgl RIS‑Justiz RS0117048), weil die Urteilsverkündung nach 17:00 Uhr stattgefunden habe, das Gerichtsgebäude jedoch – ohne besondere Verfügung einer Verlängerung – „wohl auch an diesem Tag“ für die Öffentlichkeit nur bis 16:00 Uhr zugänglich gewesen sei. Dazu genügt der Hinweis auf die – dem Beschwerdeführer zugestellte, von diesem unwidersprochen gebliebene – (unjournalisierte) Stellungnahme des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 31. März 2021, er habe die Zugänglichkeit des Gerichtsgebäudes dadurch gewährleistet, dass der Wachdienst über seine Veranlassung beauftragt worden sei, die Eingangskontrolle bis nach Ende der Verhandlung vorzunehmen. Die Ausführung dieses Auftrags (bis 18:00 Uhr) wurde durch Urkunden bescheinigt.
[6] Weiters kritisiert die Verfahrensrüge (Z 4), die Angeklagten seien vom Inhalt der Aussage des in ihrer Abwesenheit vernommenen Zeugen ***** H***** nach ihrer Wiedereinführung nicht gemäß § 250 Abs 1 zweiter Satz StPO in Kenntnis gesetzt worden.
[7] Dazu ist vorweg Folgendes klarzustellen: Der Zeuge H*****, Sohn der Lebensgefährtin des Angeklagten E***** P*****, erklärte nach Belehrung über die ihm nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO zukommende Befreiung von der Aussagepflicht zunächst, aussagen zu wollen. Nachdem er einige Angaben getätigt hatte, änderte er jedoch seine Meinung und nahm die Aussagebefreiung in Anspruch (ON 148 S 4 und 6). Die bis dahin abgelegte Aussage kam demnach rechtens im Verfahren vor (RIS‑Justiz RS0117192; Kirchbacher/Keglevic , WK‑StPO § 159 Rz 13; Ratz , ebd. § 281 Rz 223).
[8] Davon ausgehend war die bloße Mitteilung des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs an die wiedereingeführten Angeklagten, der Zeuge H***** habe sich „entschlagen“ (ON 148 S 6), nicht ausreichend und stellte eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 250 Abs 1 zweiter Satz StPO dar. Ein Einfluss dieser Formverletzung auf die Entscheidung der Geschworenen war hier gemäß § 345 Abs 3 StPO jedoch auszuschließen (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 734), weil die von der Rüge ins Treffen geführten Aussageteile keine konkreten, insbesondere den Beschwerdeführer belastenden (vgl RIS‑Justiz RS0098257, RS0098286) Angaben zum Anklagevorwurf enthielten. Zudem wies der Vorsitzende die Geschworenen – wenngleich rechtsirrig (vgl die obigen Ausführungen) – an, „die Angaben des Zeugen H*****, sowohl bei der Polizei als auch heute, in ihrer Entscheidungsfindung nicht zu berücksichtigen“, und verfügte, (unter anderem) diese Aussage aus dem Akt zu entfernen oder „durch Zusammenklammern“ für die Geschworenen bei deren Beratung unlesbar zu machen (ON 148 S 6 und 30).
[9] Entgegen der Tatsachenrüge (Z 10a) ergeben sich aus dieser – den Beschwerdeführer auch keineswegs konkret entlastenden – Zeugenaussage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.
[10] Die Rechtsrüge (Z 11 lit b) macht einen Verstoß gegen das Verbot wiederholter Strafverfolgung (§ 17 Abs 1 StPO) geltend, weil nicht auszuschließen sei, dass der Schuldspruch zu I dieselbe Tat betreffe wie jener zu I/2 des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. Oktober 2019, GZ 607 Hv 2/19b‑177. Dieser umfasste den Vorwurf, der Beschwerdeführer habe „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2018 in W***** unbekannte Täter durch Erteilung eines Tötungsauftrages dazu bestimmt, ***** T***** zu töten, woraufhin diese unbekannten Täter ***** T***** mit einem nicht mehr feststellbaren Gegenstand bzw. einer nicht mehr feststellbaren Waffe mehrfach heftig gegen den Kopf schlugen, wodurch dieser“ (im Wahrspruch näher bezeichnete) „lebensgefährliche Verletzungen“ erlitt (ON 113 S 7). Der Einwand verfehlt die gebotene Bezugnahme auf den im Wahrspruch des angefochtenen Urteils festgestellten Sachverhalt (vgl RIS‑Justiz RS0099810, RS0101016), nach welchem der Beschwerdeführer unter Beteiligung der Mitangeklagten erfolglos versuchte, B***** zur Tatausführung zu bestimmen, während mit jenem Urteil (erfolgreiche) Bestimmung zum Versuch angelastet wurde (vgl zur Unterscheidung Kienapfel/Höpfel/Kert AT 16 36.12 und 36.18). Die spekulative Überlegung, es „wäre denkbar“, dass B***** „aus eigenem“ als einer der „vorerst unbekannten Täter“ versucht habe, T***** zu töten, entfernt sich vom Wahrspruch, demzufolge B***** die Vorbereitungen zur Tatausführung abbrach und zurück nach Bosnien reiste (US 4). Den Urteilsgründen ist überdies zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer „offenbar mehrere Tätergruppen unabhängig voneinander“ beauftragte, T***** zu töten (US 12).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 344 StPO).
[12] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über seine Berufung (§ 285i, § 344 StPO).
[13] Zur amtswegigen Maßnahme:
[14] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von nicht geltend gemachter Nichtigkeit (Z 12) zum Nachteil der Angeklagten E***** P***** und M***** P*****, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 344 StPO).
[15] Fordert das Gesetz nämlich eine besondere Art des Vorsatzes (hier § 5 Abs 2 StGB) für die Erfüllung des Tatbestands, so muss auch der Bestimmungs- oder der Beitragstäter mit dem deliktsspezifischen Vorsatz handeln (RIS‑Justiz RS0103984 T5; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 68 und 104). Demnach ist Voraussetzung einer Strafbarkeit des diesen beiden Angeklagten angelasteten Verhaltens nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 87 Abs 1 StGB in subjektiver Hinsicht, dass sie die Absicht verfolgten, es ihnen also darauf ankam (§ 5 Abs 2 StGB), durch ihre Bestimmungshandlung eine schwere Körperverletzung des Opfers herbeizuführen ( Burgstaller/Fabrizy in WK 2 StGB § 87 Rz 12).
[16] Der dem oben wiedergegebenen Schuldspruch entsprechende Wahrspruch bringt jedoch bloß zum Ausdruck, dass B***** als unmittelbarer Täter T***** absichtlich schwer am Köper hätte verletzen sollen. Zur subjektiven Tatseite der Angeklagten E***** P***** und M***** P***** enthält er hingegen keine Aussage. Die Erwähnung der subjektiven Tatseite darf in der Frage nach den gesetzlichen Merkmalen der strafbaren Handlung aber nur dann unterbleiben, wenn nicht eine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz (§ 7 Abs 1) StGB abweichende Vorsatzform Voraussetzung der Strafbarkeit ist (RIS‑Justiz RS0113270; Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 33).
[17] Damit vermögen die im Wahrspruch (zu den Eventualfragen 2 und 3) getroffenen Feststellungen die Subsumtion nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 87 Abs 1 StGB nicht zu tragen (vgl 14 Os 65/17s).
[18] Die aufgezeigten Rechtsfehler erfordern die Aufhebung des Urteils und des zugrunde liegenden Wahrspruchs im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 344 zweiter Satz StPO).
[19] Da der Nichtigkeitsgrund nur den Teil des Wahrspruchs zu den Eventualfragen 2 und 3, nicht aber jenen zu den (von den Geschworenen verneinten) Hauptfragen 2 und 3 (jeweils nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 75 StGB) betrifft und insoweit eine Sonderung möglich ist, hatte dieser Teil des Wahrspruchs unberührt zu bleiben (§ 349 Abs 2 StPO; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 2; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 349 Rz 1; idS auch 13 Os 80/05x).
[20] Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das – nunmehr sachlich zuständige (§ 31 Abs 3 Z 1 StPO) – Schöffengericht zu verweisen, welches seiner Entscheidung den unberührt gebliebenen Teil des Wahrspruchs zu den Hauptfragen 2 und 3 (demnach die dort getroffenen Negativfeststellungen) mit zugrunde zu legen haben wird (erneut § 349 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0101029; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 16 und 19).
[21] Auf diese Entscheidung war der Angeklagte E***** P***** mit seinen Rechtsmitteln zu verweisen.
[22] Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten A***** beruht auf § 390a StPO. Sie erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (RIS‑Justiz RS0101558).
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