OGH 28Ds11/21p

OGH28Ds11/21p27.6.2022

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 27. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Strauss und Dr. Wippel als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Ristic, BA, in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Diszplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 19. April 2021, GZ D 4/20, DV 2/20‑11, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, des Kammeranwalts Dr. Winiwarter und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0280DS00011.21P.0627.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Folge gegeben und über den Disziplinarbeschuldigten unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 16. Dezember 2019, AZ D 17/19, eine Zusatzgeldbuße von 1.500 Euro verhängt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch rechtskräftige Freisprüche eines Mitbeschuldigten enthält, wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt (II./b./) schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 3.000 Euro verurteilt.

[2] Danach hat er trotz des Auftrags, einen Unterhaltsherabsetzungsantrag zu stellen, diesen nicht ordnungsgemäß verfasst und einen diesbezüglichen vom Gericht erteilten Verbesserungsauftrag unbearbeitet gelassen, wodurch der unsachgemäße Unterhaltsherabsetzungsantrag mit rechtskräftigem Beschluss abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen das Erkenntnis richtet sich die – keine Nichtigkeitsgründe ausdrücklich bezeichnende (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung des Beschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe.

[4] Indem die Berufung wegen Schuld (der Sache nach Z 9 lit a) behauptet, die rechtsfehlerhafte Einbringung eines Antrags per se sei disziplinarrechtlich nicht relevant, dabei aber übergeht, dass das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Beschuldigten mit Blick auf den rechtskräftigen Beschluss über die Unterhaltsfestsetzung vom 28. Februar 2017 in der Pflegschaftssache der minderjährigen V* F* und der minderjährigen Vi* F*, GZ *, zur Verbesserung seines in dieser Sache eingebrachten Unterhaltsherabsetzungsantrags vom 11. August 2017 durch Anführung jener Umstände, die bei gebotener Anwendung des Anspannungsgrundsatzes die Annahme eines geringeren erzielbaren Einkommens des (von ihm vertretenen) Unterhaltspflichtigen begründeten, sowie zur Vorlage von Einkommensnachweisen (Beilage VH3; vgl insoweit RIS‑Justiz RS0119301) aufforderte, er dem Verbesserungsauftrag jedoch nicht nachkam und der Antrag demnach mit Beschluss vom 21. November 2017 abgewiesen wurde (ES 6), orientiert sie sich nicht am gesamten im Erkenntnis festgestellten Sachverhalt und verfehlt damit den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[5] Weshalb es für die Beurteilung der disziplinären Verantwortlichkeit des Beschuldigten von Bedeutung sein sollte, ob der begehrten Unterhaltsherabsetzung neue oder bloß neu hervorgekommene Umstände, deren Vorliegen der Antragsteller im Übrigen durch Anbieten von Beweisen zu begründen hat (§ 16 Abs 2 AußStrG), zugrunde gelegt worden wären, ist nicht nachvollziehbar.

[6] Aus welchen Gründen der Verbesserungsauftrag in Ansehung der gesetzlich angeordneten Mitwirkungspflicht des Antragstellers bei der Stoffsammlung (§§ 16 Abs 2, 102 Abs 1 AußStrG; RIS‑Justiz RS0047430, RS0047432; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 16 Rz 47; Schneider in Schneider/Verweijen, AußStrG § 16 Rz 41) zu Unrecht ergangen sein sollte, erklärt der Berufungswerber gleichermaßen nicht.

[7] Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur nicht Folge zu geben.

[8] Mit seiner Strafberufung macht der Disziplinarbeschuldigte geltend, dass auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 16. Dezember 2019, AZ D 17/19, in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Obersten Gerichtshofs vom 1. September 2020, AZ 20 Ds 5/20b, Bedacht zu nehmen gewesen wäre. Demnach hat er als rechtsfreundlicher Vertreter seiner Klientin

1. auf deren Anfragen vom 9. März, 25. April, 30. April, 3. Mai, 15. Juni, 27. Juni, 3. Juli, 15. August, 28. August, 22. Oktober, 6. Dezember 2018 und 27. Jänner 2019 nicht in angemessener Frist reagiert und inhaltliche Anfragen über den Verfahrensstand nicht beantwortet,

2. trotz Auftrags im Februar 2018, unverzüglich Exekution zu führen, diese erst im Mai/Anfang Juni 2018, eingebracht.

[9] Deswegen wurde über ihn eine Geldbuße von 9.000 Euro verhängt. Diese Entscheidung wurde am 1. September 2020 rechtskräftig, sodass die hier abgeurteilte Tat vor dieser (in erster Instanz ergangenen; vgl RIS‑Justiz RS0113612) Verurteilung gesetzt wurde. Somit liegen die Voraussetzungen des § 31 StGB iVm § 16 Abs 3 DSt vor. Auf diese Vorstrafe war daher Bedacht zu nehmen.

[10] Im angefochtenen Erkenntnis wurde als mildernd die lange Verfahrensdauer und als erschwerend kein Umstand berücksichtigt. Tatsächlich liegen jedoch sehr wohl Erschwerungsgründe vor, nämlich das Zusammentreffen der Vergehen sowohl der Berufspflichtenverletzung als auch der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes sowie vor allem die zahlreichen im Berufungsurteil des Obersten Gerichtshofs vom 1. September 2020, AZ 20 Ds 5/20b, angeführten Vorstrafen des Disziplinarbeschuldigten. Hinzu kommen die im Bedachtnahmeurteil angeführten Erschwerungsgründe des Zusammentreffens zweier strafbarer Handlungen derselben Art und deren Fortsetzung über längere Zeit sowie der Milderungsgrund des dortigen Geständnisses.

[11] Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der Sorgepflicht für ein Kind war an sich eine Zusatzgeldbuße in der Höhe von 2.000 Euro tat‑ und schuldangemessen. Die nicht vom Disziplinarbeschuldigten zu vertretende unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (Art 6 Abs 1 MRK, vgl § 34 Abs 2 StGB) war jedoch durch (weitere) Strafreduktion um 500 Euro auszugleichen, woraus die im Spruch genannte Sanktion resultiert.

[12] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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