European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00010.22K.0531.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 4. Jänner 2019 in * * E* dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, nämlich des Verbrechens der Bestechlichkeit nach § 12 dritter Fall (US 5), § 304 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, falsch verdächtigte, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch ist, indem er gegenüber den Beamten des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) * K* und * D* im Zuge von Erkundigungen wahrheitswidrig behauptete, E* habe im Jahr 2017 30.000 bis 35.000 Euro Bargeld mit dem Auftrag übernommen, dieses „an eine nicht näher genannte Person“ bei der für das Berufungsverfahren in der Strafsache gegen * Me* zuständigen Oberstaatsanwaltschaft weiterzuleiten, „weil der dort zuständige Sachbearbeiter und somit Amtsträger sich für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts“ nämlich der Stellung und der Unterlassung der Stellung entsprechender Anträge, „einen Vorteil, nämlich den von BI * E* zu überbringenden Geldbetrag, versprechen ließ“ (US 5), um „das zweite Berufungsverfahren von * Me* durch 'die Oberstaatsanwaltschaft in die richtigen Bahnen' zu lenken“, wobei E* „dadurch zur Tatbegehung beitrug, dass er das Geld für den zuständigen, nicht näher genannten Sachbearbeiter übernahm und weiterleitete“.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung am 9. November 2021 gestellten Antrags auf Ladung und Vernehmung der Zeugen Dr. * K* und * Ö* zum Beweis, dass es „diese Geldzahlungen“ zwar gegeben hat, sie aber im Zusammenhang mit der Vermittlung „eines Anwalts bzw. hier einer rechtsfreundlichen Vertretung“ standen (ON 296 S 66 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn das Beweisthemabetraf keine erhebliche, somit nicht eine solche Tatsache, die unmittelbar oder mittelbar der Feststellung entscheidender (also für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage maßgeblicher) Tatsachen (vgl dazu RIS‑Justiz RS0099497) dient (RIS‑Justiz RS0116503).
[5] Die in der Beschwerde enthaltene ergänzende Begründung für den Beweisantrag ist mit Blick auf das sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebende Neuerungsverbot unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
[6] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) richtet sich gegen die Begründung (US 7 f, 11 f) für die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Angaben des Angeklagten (US 5 f), derzufolge der klare Wortlaut der im Amtsvermerk vom 8. Jänner 2019 dokumentierten (und den als glaubhaft bewerteten Wahrnehmungen der Zeugen K* und D* entsprechenden) Angaben des Angeklagten keine andere Interpretation zuließe, als dass E* das Geld mit dem Auftrag entgegengenommen haben soll, dieses an eine nicht näher genannte Person bei der für das Berufungsverfahren gegen Me* zuständigen Oberstaatsanwaltschaft weiterzuleiten, weil sich der dort zuständige Sachbearbeiter den zu überbringenden Geldbetrag hatte versprechen lassen, um auf einen unsachlichen, für Me* und „Kö*“ günstigeren Verfahrensausgang hinzuwirken, und E* das Geld für den zuständigen Sachbearbeiter übernahm und weiterleitete. Indem sie die Erwägungen des Schöffengerichts als „absolut nicht nachvollziehbar“ erachtet, weil diese Ansicht „besorgniserregende Bedenken gegen den Justizapparat begründen“ würde, der gezogene Schluss nicht naheliegend sei und das Erstgericht offen gelassen habe, warum kein anderer Schluss gezogen werden könne, wird eine offenbar unzureichende, also den Kriterien der Logik und Empirie widersprechende Begründung (vgl dazu RIS-Justiz RS0116732) nicht aufgezeigt, sondern die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung kritisiert.
[7] Das Erstgericht hat die Konstatierungen zur inneren Tatseite (US 6) zunächst auf die Umstände gestützt, dass der Angeklagte die von ihm angekündigten Beweise nicht geliefert und die Falschbehauptungen in einem etwa einen Monat nach seiner polizeilichen Befragung geführten (abgehörten) Telefongespräch sinngemäß zugegeben habe (US 16). Das Wissen darüber, wie seine Angaben zu verstehen waren und von den Befragenden auch verstanden wurden, leiteten die Tatrichter wiederum aus den – von der Beschwerde nicht richtig wiedergegebenen – Umständen ab, dass der Angeklagte „trotz mehrfachen Nachfragens“ des K* am 4. Jänner 2019 „nicht über den wahren Sachverhalt aufklärte und seine Angaben entsprechend abänderte“, und bei seiner Zeugenvernehmung im Verfahren gegen E* „keinerlei Anstalten“ machte, „das von ihm nunmehr behauptete Missverständnis aufzuklären“ (erneut US 16 vgl dazu auch US 9 ff). Indem die Beschwerde einzelne Argumente dieser Beweiswürdigung teilweise sinnentstellt herausgreift und anhand eigener Überlegungen in Zweifel zieht, nimmt sie einerseits nicht die Gesamtheit der richterlichen Erwägungen in den Blick (RIS‑Justiz RS0119370) und übt andererseits neuerlich in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik.
[8] Letzteres gilt auch für das Beschwerdevorbringen, man müsse in die „kryptische Äußerung des Angeklagten“ einiges hineininterpretieren, um zum – einer lebensnahen Schlussfolgerung nicht zugänglichen – Ergebnis des Erstgerichts zu kommen, welches auch deshalb in Zweifel zu ziehen sei, weil der Angeklagte den Beamten keine näheren Details mitgeteilt habe und zu keiner Vernehmung als Zeuge bereit gewesen sei.
[9] Dass die Tatrichter die zum Vorsatz des Angeklagten getroffenen Feststellungen (US 6) auch auf – dem Einwand der Rüge zuwider logisch vertretbare – Wahrscheinlichkeitsschlüsse gestützt haben, ist im Übrigen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098362) und als Ergebnis der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 1 StPO) einer Anfechtung aus Z 5 vierter Fall entzogen (RIS‑Justiz RS0098471 [T4]).
[10] Mit der Behauptung, die Feststellungen würden eine Subsumtion nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB nicht tragen, weil sich aus den Angaben des Angeklagten, es seien Geldzahlungen an einen Polizeibeamten geflossen, um ein Verfahren in die richtigen Bahnen zu lenken, noch „kein Verdacht einer konkreten strafbaren Handlung“ ableiten lasse, nimmt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (RIS‑Justiz RS0099810) und übergeht die Konstatierungen zum Bedeutungsinhalt der getätigten Äußerungen (US 5 f).
[11] Die getroffenen Feststellungen (hier insbesondere zum Vorsatz des Angeklagten und zu den aufgrund seiner Behauptungen gegen E* geführten Ermittlungen; US 5 f) vernachlässigt die Beschwerde auch bei ihrer Argumentation, die vom Angeklagten umschriebene „allfällige Tathandlung der Bestechlichkeit“ sei bei vernünftiger ex-ante‑Betrachtung absolut untauglich und zur Begründung eines Anfangsverdachts in Richtung des Verbrechens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Fall StGB nicht geeignet, weil die Annahmen des Erstgerichts „weit hergeholt“ seien, „sinnvollerweise“ der Richtersenat zu bestechen wäre, „um auf das Urteil in einer strafrechtlich relevanten Weise einzuwirken“, und den Staatsanwaltschaften durch das Urteil Beeinflussbarkeit unterstellt werde, weshalb durch die missverstandene Äußerung lediglich der Verdacht des straflosen „Beitragsversuchs“ begründet werden könne (vgl im Übrigen aber RIS‑Justiz RS0096788 [T11, T12], RS0096807).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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