OGH 8ObA24/22w

OGH8ObA24/22w25.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Karl Reiff (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johannes Graf (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. K* A*, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei * O*, vertreten durch Jaeger Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG in Linz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 11. Februar 2022, GZ 11 Ra 4/22w‑32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00024.22W.0525.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsansicht, dass der Kläger die Kündigungsgründe des § 53 Abs 2 Z 1 und 6 OÖ LVBG verwirklicht habe, nicht darauf gestützt, dass er „besorgte und kritische Äußerungen“ getätigt hat, sondern dass er (unter anderem) in einem in missionarischem Ton gehaltenen Rundmail an sämtliche Mitarbeiter seines Arbeitsbereichs in einem Landesklinikum angekündigt hat, sich gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers bezüglich der Covid-Zutrittstests zu widersetzen bzw diese nur unter von ihm diktierten Bedingungen befolgen zu wollen. Die Revisionsausführungen über die – von den Vorinstanzen gar nicht in Zweifel gezogene – Freiheit des Klägers, zur Sinnhaftigkeit der Anordnungen eine vom „Mainstream“ abweichende Meinung zu haben und zu äußern, gehen am tatsächlichen Kündigungsgrund vorbei.

[2] 2. Die in der Revision thematisierten Fragen zur Berechtigung eines – hier: eine bettenführende Krankenanstalt betreibenden – Dienstgebers, die Einhaltung der jeweils geltenden Covid-19-NotmaßnahmenVO einschließlich der verordneten Zutrittsvoraussetzungen für die Mitarbeiter durchzusetzen, sind in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt (8 ObA 42/21s; 8 ObA 11/22h; 9 ObA 19/22t).

[3] 3. Die Frage der Auslegung einer Willenserklärung, hier dem Schreiben der Beklagten vom 15. 2. 2021, wonach das Kündigungsschreiben vom 25. 1. 2021 hinsichtlich des Enddatums „geändert“ werde, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und hat im Regelfall keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RIS‑Justiz RS0109021 [T5]). In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass dieses Schreiben die dem Kläger noch im Jänner 2021 zugegangene schriftliche Kündigung vom 25. 1. 2021 nicht einseitig abändern konnte, begegnet keinen Bedenken.

[4] 4. Der anwaltlich vertretene Kläger hat in erster Instanz nur ein Feststellungsbegehren erhoben, mit dem er die Unwirksamkeit der Kündigung in Ermangelung eines Kündigungsgrundes nach dem § 53 NÖ‑LVBG geltend gemacht hat.

[5] Ob mit dem kursorischen Klagsvorbringen, dass die Kündigung „auch grob sozialwidrig“ sei, nur eine vergleichsweise dazu gegebene Unerheblichkeit der Kündigungsgründe unterstrichen werden sollte, oder ob der Kläger damit ausreichend deutlich ein Eventualbegehren im Sinne des § 105 ArbVG erheben wollte, ist eine nicht revisible Frage der Auslegung des Parteienvorbringens im Einzelfall.

[6] Ob bestimmte Umstände in der Person, die die betrieblichen Interessen nachteilig berühren oder als betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen und damit eine Sozialwidrigkeit der Kündigung ausschließen, anzusehen sind, ist immer nur im Einzelfall durch Vornahme einer Abwägung der beeinträchtigten wesentlichen Interessen des Arbeitnehmers mit den Interessen des Betriebes zu untersuchen (RS0051994). Es ist dabei vom konkreten Klagsvorbringen auszugehen, Erkundigungsbeweise sind nicht zu berücksichtigen.

[7] Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auch bei einer Anfechtung nach § 105 ArbVG die Interessen des Dienstgebers am Unterbleiben einer Verunsicherung der Belegschaft die vom Kläger konkret nur vage vorgebrachten Umstände überwogen hätten, hält sich im Rahmen des ihm zuzubilligenden Ermessensspielraums.

Stichworte