OGH 5Nc12/22t

OGH5Nc12/22t20.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Erich Hierz, LL.M., Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei E* AG, *, vertreten durch Salleck + Partner Rechtsanwälte in Erlangen, wegen 8.113 EUR sA, über den Antrag der klagenden Partei auf Ordination gemäß § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050NC00012.22T.0520.000

 

Spruch:

Als örtlich zuständiges Gericht für die Verhandlung und Entscheidung in der Rechtssache wird das Bezirksgericht Graz‑Ost bestimmt.

 

Begründung:

[1] Mit rechtskräftigem Beschluss vom 25. Jänner 2022, AZ 207 C 564/21h, wies das Bezirksgericht Graz‑Ost die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit zurück. In der Bestellung und dem Werkvertrag der Streitteile sei zwar die Geltung der allgemeinen Liefer‑ und Montagebedingungen des Fachverbands der Maschinen‑ und Stahlbauindustrie Österreichs vereinbart und die Gerichtsstandvereinbarung dieser Liefer‑ und Montagebedingungen dadurch Vertragsinhalt geworden. Nach deren Punkt 18 lit a sei Gerichtsstand für alle sich mittelbar oder unmittelbar aus dem Vertrag ergebenden Streitigkeiten das für den Sitz des Auftragnehmers örtlich zuständige österreichische Gericht. Da die Klägerin als Auftragnehmerin keinen Sitz in Österreich habe, sei aber die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts Graz‑Ost nicht bestimmbar.

[2] Nun stellt die Klägerin einen Ordinationsantrag, dem sie die Bestellung, den Werkvertrag, den Entwurf der Mahnklage und diese Entscheidung des Bezirksgerichts Graz‑Ost beilegte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Ordinationsantrag ist berechtigt.

[4] 1. Wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (Z 1) oder der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Z 2) oder die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (Z 3).

[5] 2. Verneint ein österreichisches Gericht seine örtliche Zuständigkeit rechtskräftig, ist der Oberste Gerichtshof insofern daran gebunden, dass er als Ordinationsgericht einzuschreiten hat (RIS‑Justiz RS0046568). Die Frage der internationalen Zuständigkeit hat der Oberste Gerichtshof dabei grundsätzlich im Ordinationsverfahren zu prüfen (2 Nc 4/21t).

[6] 3. Wenn über die internationale Zuständigkeit Österreichs bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, ist der Oberste Gerichtshof bei der Entscheidung über einen Ordinationsantrag auch daran gebunden (RS0046568 [T5]; 2 Nc 4/21t).

[7] 4. Das Erstgericht hat mit seinem mittlerweile in Rechtskraft erwachsenen Beschluss die Klage mangels örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen. Aus der Begründung seiner Entscheidung geht hervor, dass es die internationale Zuständigkeit für gegeben ansah. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es die internationale Zuständigkeit damit noch nicht implizit bejahte (vgl RS0114196), wäre im einseitigen Ordinationsverfahren (vgl RS0114932) von den Klagebehauptungen auszugehen (2 Nc 4/21t). Danach haben die Parteien in der im Ordinationsverfahren vorgelegten Bestellung und im Werkvertrag schriftlich die Geltung der allgemeinen Liefer‑ und Montagebedingungen des Fachverbands der Maschinen‑ und Stahlbauindustrie Österreichs vereinbart, die auf den für den Sitz des Auftragnehmers örtlich zuständigen österreichischen Gerichte verweisen. Der vertragsautonom auszulegende Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung (Art 25 Abs 1 EuGVVO 2012) verlangt eine übereinstimmende Willenserklärung über die Zuständigkeitsbegründung (RS0117156), die nach dem Klagevorbringen hier in schriftlicher Form vorliegt.

[8] 5. Der Umstand, dass zwar die internationale Zuständigkeit, aber im Hinblick auf den fehlenden Sitz der Klägerin im Inland nicht ein konkret örtlich zuständiges österreichisches Gericht vereinbart wurde, schadet wegen der Ordinationsmöglichkeit nach § 28 Abs 1 Z 3 JN nicht (6 Nc 12/11h; 2 Nc 4/21t). Vielmehr ist nach dieser Bestimmung ein inländisches Gericht als für die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung örtlich zuständig zu bestimmen (2 Nc 4/21t).

[9] 6. Im Hinblick darauf, dass es mit der Rechtssache bereits befasst war, war als zuständiges Gericht das Bezirksgericht Graz‑Ost zu bestimmen.

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