OGH 2Nc4/21t

OGH2Nc4/21t25.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger und die Hofrätin Dr. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** d.o.o. *****, Bosnien Herzegowina, vertreten durch W***** Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** S.A., *****, Luxembourg, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 189.617,81 EUR sA, über den Antrag der klagenden Partei auf Ordination gemäß § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020NC00004.21T.0225.000

 

Spruch:

Als örtlich zuständiges Gericht für die Verhandlung und Entscheidung in der Rechtssache wird das Handelsgericht Wien bestimmt.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss vom 20. Jänner 2020 (ON 22) erklärte sich das Handelsgericht Wien im Hinblick auf die konkrete Gerichtsstandsvereinbarung aus dem Jahr 2016, die auf die zuständigen Gerichte und die Gerichtsbarkeit in Österreich Bezug nimmt, ohne ein bestimmtes Gericht zu bezeichnen, für örtlich unzuständig, wobei es die – ebenfalls bestrittene – internationale Zuständigkeit Österreichs in der Begründung bejahte. Diese Entscheidung wurde in der Sache nicht bekämpft und ist daher rechtskräftig.

[2] Für diesen Fall hat die Klägerin eventualiter einen Ordinationsantrag gestellt, zu dessen Entscheidung der Akt dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Für den Fall, dass für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (Z 1) oder der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Z 2) oder die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (Z 3).

[4] 2. Verneint ein österreichisches Gericht seine örtliche Zuständigkeit rechtskräftig, ist der Oberste Gerichtshof insofern daran gebunden, dass er als Ordinationsgericht einzuschreiten hat (RS0046568). Die Frage der internationalen Zuständigkeit hat der Oberste Gerichtshof dabei grundsätzlich im Ordinationsverfahren zu prüfen (3 Nc 3/18y; 3 Nc 3/19z; 6 Nc 2/19z; RS0046568 [T1]).

[5] 3. Nur wenn über die internationale Zuständigkeit Österreichs ebenfalls bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, ist der Oberste Gerichtshof bei der Entscheidung über einen Ordinationsantrag auch daran gebunden (3 Nc 3/18y; 3 Nc 3/19z; 6 Nc 2/19z; RS0046568 [T5]).

[6] 4. Hier hat das Erstgericht mit seinem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss nur seine örtliche Unzuständigkeit ausgesprochen. Seine in der Begründung enthaltenen Ausführungen zur internationalen Zuständigkeit sind bloße obiter dicta, denen jede Relevanz für die Zurückweisung wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit fehlte. Die internationale Zuständigkeit ist daher vom Obersten Gerichtshof zu prüfen.

[7] Da das Ordinationsverfahren einseitig ist (RS0114932), ist von den Klagsbehauptungen auszugehen (8 Nc 48/03f mwN). Danach liegt die inländische Gerichtsbarkeit vor, weil der vertragsautonom auszulegende Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung (Art 25 Abs 1 EuGVVO 2012) eine übereinstimmende Willenserklärung über die Zuständigkeitsbegründung bedeutet (RS0117156), die hier hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit nach dem Vorbringen der Klägerin von den Parteien getroffen wurde. Danach ist auch das Schrifterfordernis (Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO 2012) erfüllt. Allfällige Einwände gegen das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit wären im fortgesetzten (zweiseitigen) Verfahren zu prüfen (vgl 6 Ob 56/01f; Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 155 ff).

[8] 5. Der Umstand, dass lediglich die internationale Zuständigkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges österreichisches Gericht vereinbart wurde, schadet wegen der Ordinationsmöglichkeit gemäß § 28 Abs 1 Z 3 JN nicht (3 Nc 1/07p; 3 Nc 12/10k; 6 Nc 12/11h). Dann ist vielmehr nach der zuletzt genannten Bestimmung ein inländisches Gericht als für die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung örtlich zuständig zu bestimmen (vgl 7 Ob 11/13p).

[9] 6. Da hier nach dem Vorbringen der Klägerin ein unternehmensbezogenes Geschäft iSd § 51 Abs 1 Z 1 JN vorliegt und die größte Nahebeziehung zu Wien besteht, war als örtlich zuständiges Gericht das Handelsgericht Wien zu bestimmen.

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