OGH 6Ob56/01f

OGH6Ob56/01f8.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann G*****, vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wegen 400.000 S und Feststellung, aus Anlass des Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 1. Februar 2001, GZ 4 R 11/01t-17, mit dem der Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 29. November 2000, GZ 26 Cg 129/99m-12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 1, 3 Abs 1 und Art 5 Abs 1 EuGVÜ-AuslProt vom 3. 6. 1971 idgF iVm Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist für die Verbrauchereigenschaft im Sinne des § 13 EuGVÜ bei teilweiser Privatbezogenheit der Leistung deren überwiegender privater oder beruflich-gewerblicher Zweck entscheidend und welche Kriterien sind für das Überwiegen des privaten oder beruflich-gewerblichen Zweckes maßgebend?

2. Kommt es für die Bestimmung des Zweckes auf die Umstände an, die aus der Sicht des Vertragspartners des Verbrauchers objektiv erkennbar sind?

3. Ist ein Vertrag, der sowohl der privaten als auch der beruflich-gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, im Zweifel als Verbrauchersache anzusehen?

4. Geht dem Vertragsabschluss eine Werbung im Sinn des Art 13 Z 3 lit a EuGVÜ auch dann voraus, wenn der spätere Vertragspartner des Verbrauchers zwar im Vertragsstaat des Verbrauchers eine Prospektwerbung für seine Produkte durchgeführt, aber das später vom Verbraucher gekaufte Produkt darin nicht beworben hat?

5. Liegt auch dann eine Verbrauchersache im Sinn des Art 13 EuGVÜ vor, wenn der Verkäufer von seinem Staat aus telefonisch an den im anderen Staat wohnenden Käufer ein Angebot gestellt hat, das nicht angenommen wurde, der Käufer aber später aufgrund eines schriftlichen Angebotes das angebotene Produkt kaufte?

6. Hat der Verbraucher gemäß Art 13 Z 3 lit b EuGVÜ die zum Abschluss des Vertrags erforderliche Rechtshandlung auch dann im Staat des Verbrauchers vorgenommen, wenn er ein ihm im Staat seines Vertragspartners gestelltes Angebot in einem von seinem Staat aus geführten Telefonat annimmt?

II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften im Sinne des § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung

I.

1. Sachverhalt und Prozessvorbringen der Parteien:

Der Kläger ist Landwirt und Eigentümer eines in Oberösterreich gelegenen Bauernhofs ("Vierkanthofs"), in dem er 10 bis 12 Räume mit seiner Familie bewohnt. Im Hof sind auch 220 Schweine untergebracht. Weiters wird darin 10 bis 15 % der gesamten Futtermenge gelagert. Der privat genutzte Teil des Hofs beträgt einschließlich jener Räume, die teilweise noch nicht fertig ausgebaut sind, 62 % der Gesamtnutzfläche des Gebäudes unter Zusammenrechnung der Grundfläche des Erdgeschosses und des ersten Stocks. In einem anderen Gebäude befindet sich ein Schweinestall, in dem 320 Schweine gemästet werden. Daneben sind noch Futtersilos und eine große Maschinenhalle vorhanden.

Die Beklagte führt in Deutschland mehrere organisatorisch voneinander getrennte Betriebe. Sie betreibt in P***** an derselben Adresse sowohl einen Baustoffhandel als auch einen Bau- und Gartenmarkt. Die Abteilung Bau- und Gartenmarkt legte Werbeprospekte auf, die auch in Österreich verteilt wurden.

Der Kläger beabsichtigte, seinen Hof neu mit Dachziegeln einzudecken. Er wurde auf die Beklagte durch Werbeprospekte aufmerksam, die der Zeitschrift "Braunauer Rundschau" beigelegt waren. Er erkundigte sich mehrmals telefonisch bei einem Mitarbeiter der Beklagten in P***** nach deren Sortiment an Dachziegeln und nach den Preisen, wobei er sich mit seinem Namen vorstellte und seinen Wohnort nannte, nicht aber mitteilte, dass er Landwirt sei. Nach einiger Zeit meldete sich der angesprochene Mitarbeiter telefonisch beim Kläger und erstattete diesem ein Angebot. Der Kläger wollte die Dachziegeln beim Hersteller besichtigen. Er fuhr zum Betrieb der Beklagten nach P*****. Dort überreichte ihm der Mitarbeiter ein schriftliches Angebot, das mit 23. 7. 1998 datiert war. Bei diesem Gespräch teilte der Kläger dem Mitarbeiter der Beklagten mit, dass er eine Landwirtschaft betreibe und mit den Dachziegeln seinen Hof eindecken wolle; er habe noch andere Nebengebäude, die überwiegend dem landwirtschaftlichen Betrieb dienten. Nicht ausdrücklich erwähnt wurde, ob das einzudeckende Gebäude überwiegend betrieblich oder überwiegend privat genutzt wird.

Am nächsten Tag teilte der Kläger dem Mitarbeiter der Beklagten in einem von Österreich aus geführten Telefonat mit, dass er das Angebot annehme. Der Mitarbeiter faxte daraufhin die Auftragsbestätigung an die Hausbank des Klägers in Österreich.

Der Kläger brachte am 11. 5. 1999 beim Obersten Gerichtshof den Antrag ein, dieser möge ein österreichisches Gericht zur Durchführung des Verfahrens über die Klage bestimmen, wobei er das Landesgericht Steyr vorschlug. Er behauptete in seiner Klage, dass die von der Beklagten gelieferten und zur Dacheindeckung verwendeten Ziegel trotz Zusage einer einheitlichen Farbgebung erhebliche Farbabweichungen aufwiesen, sodass das Dach neu einzudecken sei. Er begehrte aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzes den Rückersatz des Kaufpreises von 258.123 S und die Kosten für die Abdeckung und Neueindeckung des Daches von 141.877 S, insgesamt 400.000 S, und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige weitere Aufwendungen und Kosten.

Zur Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit berief sich der Kläger auf Art 13 f EuGVÜ. Der Ziegelkauf sei ein Verbrauchergeschäft, weil die private Nutzung des damit eingedeckten Bauernhofs dessen landwirtschaftliche Nutzung überwiege. Der Lieferung der Ziegel sei eine Prospektwerbung der Beklagten in Österreich vorausgegangen, die den Kläger veranlasst habe, mit der Beklagten, die ihm vorher unbekannt gewesen sei, in Vertragsverhandlungen zu treten. Er habe die für den Vertragsabschluss relevanten Rechtshandlungen in Österreich gesetzt.

Der Oberste Gerichtshof bestimmte mit Beschluss vom 17. 5. 1999 das Landesgericht Steyr gemäß § 28 JN als örtlich zuständiges Gericht. Der Kläger brachte daraufhin die Klage am 26. 5. 1999 beim Landesgericht Steyr ein.

Die Beklagte erhob den Einwand der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit. Sie bestritt das Vorliegen einer Verbrauchersache nach Art 13 EuGVÜ. Die Dachziegel seien zur Eindeckung der Betriebsstätte des Klägers verwendet worden. Die private Nutzung trete jedenfalls zurück. Das Ausmaß der jeweils genutzten Flächen sei kein Abgrenzungskriterium. Der Beklagten habe ein privater Verwendungszweck nicht bekannt sein können. Die Baustoffabteilung der Beklagten, bei der die Ziegeln bestellt worden seien, habe keine Prospektwerbung durchgeführt. Die Bau- und Gartenmärkte der Beklagten führten keine Dachziegel. Diese seien jedenfalls nicht beworben worden. Die zum Vertragsabschluss führende Rechtshandlung sei nicht in Österreich, sondern in Deutschland vorgenommen worden, weil es sich bei der Annahmeerklärung des telefonischen Angebots des Klägers nach deutschem Recht um eine empfangsbedürftige Willenserklärung gehandelt habe und die Auftragsbestätigung der Beklagten von Deutschland aus gefaxt worden sei. Bei Auseinanderfallen von Angebot und Annahme, nämlich bei telefonischer Bestellung aufgrund des vorher erstellten Angebotes habe der Sitz der Beklagten als Ort des Vertragsabschlusses zu gelten. Im Übrigen wurde das Klagebegehren auch inhaltlich bestritten und Verjährung eingewendet.

2. Die gerichtlichen Entscheidungen im österreichischen Verfahren:

Das Gericht erster Instanz verwarf die Unzuständigkeitseinrede. Bei Prüfung der Zuständigkeit nach Art 13, 14 EuGVÜ entscheide bei teilweiser Privatbezogenheit des Geschäftes der überwiegende private oder beruflich-gewerbliche Zweck. Hiefür seien die Umstände entscheidend, die aus der Sicht des Vertragspartners des Verbrauchers objektiv erkennbar gewesen seien. Im Zweifel sei das Geschäft als Verbrauchergeschäft anzusehen. Die Abgrenzung von privaten zu betrieblichen Handlungen sei bei bäuerlichen Betrieben schwierig. Objektive Anhaltspunkte für das Überwiegen des einen oder anderen Zweckes hätten sich für den Verkäufer nicht ergeben, sodass im Zweifel von einem Verbrauchergeschäft auszugehen sei. Tatsächlich werde der Bauernhof überwiegend privat genützt. Die Dacheindeckung des Hofes diene daher überwiegend den privaten Interessen des Klägers. Nach Art 13 Z 3 lit a EuGVÜ komme es nicht darauf an, ob das letztlich vom Verbraucher konkret erworbene Produkt beworben worden sei. Es genüge, dass Werbemaßnahmen gesetzt worden seien, die auf ein bestimmtes Unternehmen aufmerksam machten. Die Prospektwerbung sei der Beklagten unabhängig davon zuzurechnen, dass der Kläger den Vertrag nicht in der Abteilung Bau- und Gartenmarkt, sondern in einer anderen Abteilung abgeschlossen habe. Zudem sei auch das Erfordernis des "ausdrücklichen Angebots" des Vertragspartners des Verbrauchers erfüllt, weil dem Kläger ein telefonisches Angebot unterbreitet worden sei. Darauf, ob dieses zugleich angenommen werde, komme es nicht an.

Das Oberlandesgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und wies die Klage mangels nationaler Zuständigkeit zurück. Voraussetzung für das Vorliegen einer Verbrauchersache sei, dass der Vertrag von einem Verbraucher, das heißt zu einem Zweck abgeschlossen worden sei, der nicht seiner (frei)beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden könne. Für die Bestimmung des Zweckes sei der innere Wille des Leistungsempfängers ohne Bedeutung. Es komme vielmehr auf die für den Vertragspartner des Verbrauchers objektiv erkennbaren Umstände des Geschäftes an. Nach dem Bericht Giuliano zu Art 5 EVÜ, der weitgehend Art 13 EuGVÜ entspreche, seien die Art 13 f EuGVÜ nur dann anwendbar, wenn der private Vertragszweck den beruflichen überwiege und der private Verwendungszweck dem unternehmerischen Vertragspartner bei Vertragsabschluss bekannt oder erkennbar gewesen sei.

Das hier zu beurteilende Geschäft habe nach den für die Beklagte objektiv erkennbaren Umständen zumindest überwiegend der selbständigen beruflich-gewerblichen Tätigkeit des Landwirtes gedient. Der von einem Landwirt zwecks Eindeckung seines Bauernhofes abgeschlossene Ziegelkauf sei dem ersten Anschein nach dessen landwirtschaftlicher Tätigkeit zuzurechnen. Ein Bauernhof sei - auch wenn er zu allen möglichen Zwecken genutzt werden könne und nicht zwingend einem landwirtschaftlichen Betrieb zugehören müsse - regelmäßig der Mittelpunkt eines landwirtschaftlichen Betriebes, in dem der Bauer wirtschafte und mit seiner Familie wohne. Nur in Ausnahmefällen errichteten oder erhielten Menschen einen Bauernhof nur zu Wohnzwecken. Diese seien aber meist gar keine Landwirte. Bei einem lebenden landwirtschaftlichen Betrieb sei der Hof seinem Wesen nach Wirtschafts- und Wohnstätte; er sei ein typisches Betriebsgebäude, das auch, aber nicht in erster Linie der Wohnversorgung des Betriebsinhabers und seiner Angehörigen diene. Das Wohnen im Bauernhof folge regelmäßig aus der Ausübung der Landwirtschaft und stehe insoferne in einem besonderen Zusammenhang mit dieser; es trete nach der Verkehrsauffassung gegenüber dem Betrieb der Landwirtschaft zurück. Die Aussage des Klägers, er betreibe eine Landwirtschaft und wolle seinen Bauernhof mit Dachziegeln eindecken, habe daher den Verkäufer zunächst zur Annahme eines überwiegend betriebsbezogenen Geschäfts berechtigt. Die Feststellungen über das Ausmaß der privat genutzten Flächen einerseits und der betrieblich genutzten Flächen andererseits stehe einer solchen Auffassung schon deshalb nicht entgegen, weil diese Umstände dem Verkäufer nicht mitgeteilt worden seien. Der Verkäufer habe insgesamt keinen Grund zur Annahme gehabt, der Kläger würde die Ziegel ausschließlich oder zumindest überwiegend für private Zwecke verwenden. Letztlich sei auch der große Umfang des Geschäfts für den Verkäufer ein entscheidender Anhaltspunkt für die Annahme, dass das einzudeckende Gebäude überwiegend betrieblich genutzt werde, habe doch der Kläger die beträchtliche Menge von 24.000 Stück Ziegel gekauft.

3. Das dem Obersten Gerichtshof vorgelegte Rechtsmittel des Klägers und die Rechtsmittelgegenschrift der Beklagten:

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger, den angefochtenen Beschluss "aufzuheben" und dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache aufzutragen. Der Kläger meint, dass es für die Verbrauchereigenschaft im Sinn des Art 13 EuGVÜ darauf ankomme, dass der private Zweck des Geschäftes überwiege, dass diese Voraussetzung hier vorliege und dass den Vertragspartner des Verbrauchers diesbezüglich bei entsprechenden Anhaltspunkten eine Nachforschungs- und Aufklärungspflicht sowie die Gefahr eines allfälligen Irrtums treffe. Der Mitarbeiter der Beklagten habe hier ausreichend Grund gehabt, von einer überwiegend privaten Nutzung des Hofes auszugehen und hätte bei Vorliegen von Zweifeln nachfragen müssen.

Die Beklagte beantragte, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Bei einem lebenden landwirtschaftlichen Betrieb sei jeder Bauernhof von vornherein Betriebsstätte und jeder sich darauf beziehende Liefervertrag kein Verbrauchergeschäft. Die Rechtsposition als Verbraucher müsse ausdrücklich geltend gemacht werden, wenn, wie hier, bei erstem Anschein ein beruflicher oder betrieblicher Zweck anzunehmen sei. Den Vertragspartner des Verbrauchers träfen keine Nachforschungspflichten. Zweifel an der Verbrauchereigenschaft führten zum Wegfall der besonderen Zuständigkeitsregeln.

4. Österreichische Rechtslage:

Inländische Gerichtsbarkeit besteht nach § 27a JN in bürgerlichen Rechtssachen ohne weitere Voraussetzung immer dann, wenn die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes gegeben ist und das Völkerrecht nichts anderes bestimmt.

Gemäß § 28 JN (Jurisdiktionsnorm) hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit des inländischen Gerichtes im Sinn dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind und wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (Abs 1 Z 1) oder wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Abs 1 Z 2) oder wenn die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (Abs 1 Z 3). Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof setzt daher unter anderem voraus, dass die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben ist.

§ 42 Abs 1 JN lautet: "Ist die anhängig gewordene Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit oder doch den ordentlichen Gerichten entzogen, so hat das angerufene Gericht in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens sofort durch Beschluss auszusprechen; dies gilt nicht, wenn das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit nach § 104 JN (Vereinbarung über die Zuständigkeit) geheilt ist. Das Gleiche hat seitens der Gerichte höherer Instanz zu geschehen, wenn der Mangel erst hier offenbar wird."

§ 42 Abs 3 JN lautet: "Ein Ausspruch im Sinne des Abs 1 ... kann nicht erfolgen, wenn demselben in Ansehung des Grundes der Nichtigkeit eine von demselben oder von einem anderen Gerichte gefällte noch bindende Entscheidung entgegensteht."

Ungeachtet der zuletzt zitierten Bestimmung ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 17. 5. 1999 mit der das Landesgericht Steyr als für diese Rechtssache zuständiges Gericht bestimmt wurde, für den vorliegenden Zuständigkeitsstreit nicht bindend:

Im Anwendungsbereich des EuGVÜ in Verbrauchersachen ist es dem Beklagten im späteren Verfahren vor dem vom Obersten Gerichtshof ordinierten Gericht nach der amtswegigen international-europäischen Zuständigkeitsprüfung der Art 19 f EuGVÜ (LGVÜ) - auch im Interesse eines "fairen" Verfahrens im Sinn des Art 6 Abs 1 MRK - zu ermöglichen, das Nichtvorliegen einer "Verbrauchersache" zu behaupten und damit den Mangel der internationalen Zuständigkeit des ordinierten Gerichtes im Sinn des Art 18 Satz 2 EuGVÜ zu rügen. Mit der Zulassung dieser speziellen Möglichkeit der Unzuständigkeitseinrede des Beklagten wird auch verhindert, dass die bei europäischen Verbrauchersachen nach Art 28 Abs 1 EuGVÜ mögliche Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit des österreichischen Gerichts in das spätere Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren im Zweitstaat verlagert wird und gegebenenfalls zur Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des österreichischen Titels führt.

Die internationale österreichische Zuständigkeit ist daher aufgrund der Unzuständigkeitseinrede des Beklagten neuerlich zu prüfen.

Rechtliche Beurteilung

5. Erwägungen des Obersten Gerichtshofs zur Notwendigkeit der Einholung einer Vorabentscheidung:

Infolge der Ratifizierung des 4. Beitrittsabkommens sowohl durch Deutschland als auch durch Österreich, wo es am 1. 12. 1998 in Kraft trat, ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einbringung der Klage das Brüsseler Übereinkommen (EuGVÜ) idF des BGBl III 1998/209 anzuwenden (Art 54 EuGVÜ).

Das Abkommen enthält in seinen Art 13 bis 15 zwingende und unmittelbar anzuwendende Zuständigkeitsbestimmungen. Art 13 EuGVÜ sieht besondere internationale Zuständigkeitsregelungen "für Verbrauchersachen" (Art 14 und 15 EuGVÜ) nur für drei, in Art 13 Abs 1 EuGVÜ taxativ aufgezählte Tatbestandsgruppen vor. Der EuGH hat sich bereits mehrfach zu einer autonomen Auslegung des Verbraucherbegriffes bekannt. Als Verbraucher sieht der EuGH den nicht berufs- oder gewerbsmäßig handelnden Endverbraucher an, der einen Vertrag zur Deckung seines Eigenbedarfs zum privaten Verbrauch abschließt. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird der Ausnahmecharakter der Schutzvorschriften des Abkommens für Verbraucher vom Grundprinzip der Wohnsitzzuständigkeit des Beklagten nach Art 2, 3 EuGVÜ betont; der Begriff des Verbrauchers ist eng auszulegen. Zu den hier nach dem festgestellten Sachverhalt und dem jeweiligen Prozessstandpunkt der Parteien maßgebenden, eingangs formulierten Fragen hat der EuGH jedoch noch nicht Stellung bezogen. Sollte demnach die Verbrauchereigenschaft des Klägers bei Abschluss des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vertrags zu bejahen sein, stellen sich die weiters entscheidungswesentlichen Fragen, ob die in Art 13 Z 3 lit a und b EuGVÜ genannten, den hier vorliegenden Fall der Lieferung beweglicher Sachen einschränkenden besonderen Abschlussmodalitäten eingehalten wurden. Zur Frage, ob sich der Ort des ausdrücklichen Angebotes des Vertragspartners des Verbrauchers wie auch der Ort der Vornahme der zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlung des Verbrauchers (hier: die Annahmeerklärung) bei telefonischen Erklärungen nach dem Aufenthaltsort des die Erklärung Abgebenden richtet, wurde vom EuGH ebenfalls noch nicht beantwortet. Der Text des Art 13 Z 3 lit a lässt sich auch nicht zweifelsfrei dahin interpretieren, dass ein Werbeprospekt, in dem das später gekaufte Produkt gar nicht beworben wurde, als eine dem Vertragsabschluss vorausgehende Werbung anzusehen ist. Der EuGH hat auch diese Auslegungsfrage noch nicht entschieden.

Mangels Bindungswirkung des Ordinationsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 17. 5. 1999 sind diese Fragen für die Gestaltung des weiteren Verfahrens präjudiziell.

II.

Der Aussetzungsausspruch gründet sich auf § 90 Abs 1 GOG.

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