OGH 9Ob83/21b

OGH9Ob83/21b19.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI K*, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt, Mag. Peter Breiteneder, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Rechtsanwalt in Marchtrenk, wegen 36.083 EUR sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. September 2021, GZ 4 R 116/21p‑24, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 8. Juni 2021, GZ 36 Cg 24/20g‑19, Folge gegeben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00083.21B.0519.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts samt der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.941,92 EUR (darin enthalten 490,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.645,14 EUR (darin enthalten 353,19 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger kaufte bei der Beklagten einen Ford Galaxy Titanium, einen Neuwagen, um 36.083 EUR. Die Finanzierung erfolgte über Leasing, wobei die Leasingbank allfällige Ansprüche an den Kläger abgetreten hat.

[2] Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 31. 10. 2019 übergeben. In der Folge bemerkte er, dass die Spaltmaße bei den Türen nicht passten. Dies wurde von der Beklagten Ende November/Anfang Dezember behoben. Am 15. 12. 2019 stellte der Kläger fest, dass beim Innengriff der Fahrertüre Watte aus der Verkleidung heraushing. Am 22. 12. 2019 kam es zu einem massiven Wassereintritt bei der rechten A‑Säule oberhalb des Beifahrersitzes. Das Auto befand sich daraufhin vom 16. bis 20. 1. 2020 neuerlich zur Reparatur bei der Beklagten. Der Watteaustritt wurde behoben, nicht jedoch die Ursache für den Wassereintritt. Zwar wurde Dichtmasse im betroffenen Bereich aufgebracht, dies jedoch nicht ausreichend oder an der falschen Stelle.

[3] Am 28. 1. 2020 und am 3. 2. 2020 kam es neuerlich zu massiven Wassereintritten in diesem Bereich. Am 3. 2. 2020 lief das Wasser die A‑Säule hinunter, tropfte auf den Lautsprecher und den Boden und lief am Dach entlang nach hinten.

[4] Der Kläger hatte zwar am 30. 1. 2020 einen neuerlichen Reparaturtermin für 10. 2. 2020 vereinbart, sagte diesen aber mit Mail vom 6. 2. 2020 ab, weil er und seine Gattin das Vertrauen in das Fahrzeug verloren hatten. Mit Schreiben vom 18. 2. 2020 erklärte er seinen Rücktritt vom Vertrag und begehrte Wandlung, wobei er die grundsätzliche Bereitschaft zum Austausch festhielt. Die Beklagte lehnte dies ab und verwies darauf, Verbesserung geleistet zu haben, der Grund für den neuen Wassereintritt müsse geprüft werden. Es bestehe als primärer Rechtsbehelf nur ein Verbesserungsrecht. Eine Grundlage für eine Rückabwicklung sei daher nicht gegeben.

[5] Die Undichtheit im Bereich der rechten oberen Frontscheibenecke war bereits bei der Übergabe vorhanden. Eine Abdichtung mit Dichtmasse zur Behebung des Mangels entspricht zwar grundsätzlich dem Stand der Technik, das Fahrzeug ist jedoch einer Wasser‑ bzw Dichtheitsprobe zu unterziehen, was von der Beklagten nicht gemacht wurde. Bei Schluss der Verhandlung wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 12.009,6 km auf. Bei linearer Abwertung berechnet sich ein Benutzungsentgelt in Höhe von 1.732 EUR.

[6] Der Kläger begehrt die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus Gewährleistung, Schadenersatz, Verkürzung über die Hälfte und Irrtum. Eine undichte Stelle bei einem Neufahrzeug, an der schon mehrfach Wasser eingetreten sei, stelle einen schweren Mangel dar, der zur Wandlung berechtige. Ein Verbesserungsversuch sei fehlgeschlagen. Der Kläger habe auch das Vertrauen in das Fahrzeug verloren.

[7] Die Beklagte bestreitet und wendet ein, das Fahrzeug sei bei Übergabe mängelfrei gewesen. Bei der Reparatur im Jänner sei zunächst die Reparaturmethode mit dem geringsten Aufwand gewählt worden. Sollte der Schaden noch vorhanden sein, müsse nunmehr die nächstmögliche Reparaturmaßnahme, Austausch bzw Neueinklebung der Windschutzscheibe angedacht werden. Diese Möglichkeit sei der Beklagten jedoch entzogen worden. Die Reparaturen seien nicht auf Basis Gewährleistung sondern auf Basis der vom Hersteller angebotenen gewährten Garantie erfolgt. Eine Einschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Verbesserungsmöglichkeiten bestehe daher nicht. Der Kläger habe jedenfalls ein angemessenes Benutzungsentgelt zu leisten.

[8] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 33.583 EUR sA Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. Das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren 2.500 EUR wies es ab. Rechtlich führte es aus, dass das Fahrzeug bei Übergabe mangelhaft gewesen sei. Der Kläger habe daher Anspruch zunächst auf Verbesserung oder Austausch. Da der Verbesserungsversuch misslungen sei, bestehe das Recht auf Umstieg auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe, darunter Wandlung. Dass die Beklagte Reparaturen „auf Garantiebasis“ vorgenommen habe, ändere nichts an dem dem Kläger gesetzlich zustehenden Gewährleistungsanspruch.

[9] Durch die Wandlung werde der Vertrag ex tunc aufgehoben. Auch der Kläger habe den Vorteil auszugleichen, der ihm durch die Sachnutzung bis zur tatsächlichen Rückstellung des Fahrzeuges entstanden sei. Im konkreten Fall erscheine die Bemessung des Benutzungsentgelts anhand der linearen Abwertung auf Basis der gefahrenen Kilometer sachgerecht. Dies entspreche auch den Geschäftsbedingungen der Beklagten. Da mit der Rückstellung aber erst zu einem späteren Zeitpunkt zu rechnen sei, werde nach § 273 ZPO ein Nutzungsentgelt von 2.500 EUR festgelegt.

[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils Folge, hob das Ersturteil in diesem Umfang auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung zurück an das Erstgericht. Es entspreche der Judikatur, dass der Übernehmer schon bei Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs den Sekundärbehelf Wandlung oder Preisminderung in Anspruch nehmen könne. Dem Übernehmer stehe aber frei, dem Übergeber beliebig viele Verbesserungschancen einzuräumen. An eine entsprechende Wahl sei er gebunden. Der Kläger habe nach Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs einen neuen Verbesserungstermin vereinbart und damit eine neue Verbesserungschance eingeräumt. Von einer anschließend eingetretenen Unzumutbarkeit der weiteren Verbesserung sei nicht auszugehen. Zu dem weiter behaupteten Anfechtungsgrund der laesio enormis liege kein ausreichendes Vorbringen vor. Allerdings habe sich der Kläger auch auf einen gemeinsamen Irrtum gestützt. Da die Voraussetzungen dafür vom Erstgericht nicht geprüft worden seien, sei das Ersturteil aufzuheben.

[11] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde vom Berufungsgericht zur Frage zugelassen, ob ein Übernehmer an eine von ihm dem Übergeber nach dem erstem misslungenen Verbesserungsversuch eingeräumte Verbesserungsmöglichkeit gebunden sei oder Wandlung geltend machen könne.

[12] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[13] Die Beklagte beantragt den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.

[15] 1. Voranzustellen ist, dass das Verbrauchergewährleistungsgesetz nach seinem § 29 Abs 2 auf Verträge über den Kauf von Waren anzuwenden ist, die nach dem 31. 12. 2021 geschlossen werden. Der vorliegend zu beurteilende Kaufvertrag datiert vor diesem Termin. Sämtliche nachfolgenden Ausführungen beziehen sich daher auf die Rechtslage vor Inkrafttreten dieses Gesetzes.

[16] 2. Richtig haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass nach § 9 Abs 1 KSchG Gewährleistungsrechte eines Verbrauchers vor Kenntnis des Mangels nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden können. Die Berufung der Beklagten auf von den allgemeinen Gewährleistungsregeln zu Ungunsten des Klägers abweichende Vereinbarungen einer Garantie ist daher unzulässig.

[17] 3. Eine Sache ist mangelhaft, wenn das Geleistete nicht dem Geschuldeten entspricht. Was geschuldet ist, ergibt sich aus dem konkreten Vertrag (vgl RS0107680). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Mangelfreiheit bzw Mangelhaftigkeit ist der tatsächliche Übergang des Kaufobjekts (RS0018498 [T5]).

[18] 4. Nach § 932 Abs 2 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre.

[19] 5. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Übernehmer schon beim Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs den Sekundärbehelf (Wandlung oder Preisminderung) in Anspruch nehmen kann (RS0018722 [T2]; RS0018702 [T9]; 2 Ob 34/11f; 6 Ob 240/19s mwN). Mehrmalige Verbesserungs‑ bzw Mangelbeseitigungsversuche muss ein Übernehmer nicht hinnehmen (Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 270 mwN), auch dann nicht, wenn vom Übergeber unverzüglich ein weiterer Verbesserungs‑ bzw Austauschversuch angeboten wird und dieser noch innerhalb einer angemessenen Frist läge (vgl P. Bydlinski in KBB6 § 932 Rz 6; Zöchling‑Jud in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 932 Rz 55).

[20] Allerdings hat der Übernehmer die Wahl, er kann dem Übergeber einen zweiten Verbesserungsversuch gewähren oder auf sekundäre Gewährleistungsbehelfe umsteigen. Bei der Ausübung der Wahl handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (RS0017692 [T2]). Hat der Übernehmer eine Wahl getroffen, ist er an sie gebunden (vgl § 906 Abs 1 ABGB).

[21] 6. Nach den Feststellungen war die Undichtheit im Bereich der Frontecke, die zu den Wassereintritten geführt hat, bereits bei Übergabe vorhanden. Der Kläger ist daher grundsätzlich zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen berechtigt, wobei er zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen konnte. Dem hat der Kläger auch entsprochen, indem er nach dem ersten Wassereintritt der Beklagten die Möglichkeit zur Behebung des Mangels gegeben hat. Die Beklagte hat zwar Arbeiten durchgeführt, die Ursache für den Wassereintritt jedoch letztlich nicht behoben. Damit war der Kläger zum Umstieg auf die Sekundärbehelfe, darunter auch Wandlung berechtigt. Richtig sind die Vorinstanzen dabei davon ausgegangen, dass es sich – noch dazu bei einem Neuwagen – um keinen geringfügigen Mangel handelt.

[22] Zu prüfen ist daher, ob der Kläger durch die weitere Terminvereinbarung eine verbindliche Wahl zwischen einem weiteren Verbesserungsversuch oder Wandlung getroffen hat. Im konkreten Einzelfall ist davon auszugehen, dass die Vereinbarung eines Termin für eine mögliche weitere Reparatur noch keine Festlegung des Klägers zwischen Verbesserung und Wandlung darstellte und auch als solche nicht verstanden werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt war weder für den Kläger noch für die Beklagte, deren erster Verbesserungsversuch gescheitert war, absehbar, wieso es zu einem neuerlichen Auftreten des Problems gekommen war und mit welchem Aufwand ein allfälliger Mangel behoben werden könnte. Damit diente aber der Termin zunächst einmal beiden Parteien dazu, sich Klarheit über das Problem zu verschaffen, die weitere Vorgangsweise zu erörtern und damit der „Diagnose“ des Mangels, noch nicht unmittelbar der Reparatur.

[23] Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass es nach der Vereinbarung des Termins zu einem weiteren massiven Wassereintritt gekommen ist, der für den Kläger erst den vollen Umfang der Unzulänglichkeit des ersten Reparaturversuchs erkennen ließ. Damit musste er zum einen davon ausgehen, dass die erste Reparatur keinerlei Auswirkungen gehabt hatte, zum anderen aber auch, dass mit einer Behebung des Mangels ein weit größerer Aufwand als ursprünglich angenommen verbunden sein wird.

[24] Insgesamt kann daher nicht von einer den Kläger bindenden Entscheidung für die Gewährung einer weiteren Verbesserungsmöglichkeit ausgegangen werden. Damit war der Kläger aber auch vor einem zweiten Verbesserungsversuch berechtigt, Wandlung zu begehren.

[25] 7. Richtig hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass bei einer Rückabwicklung von Kaufverträgen über ein KFZ für das angemessene Benützungsentgelt jener Aufwand zu ermitteln ist, den ein Käufer hätte tragen müssen, um sich den Gebrauchsnutzen eines gleichwertigen Gegenstands durch Kauf und Weiterverkauf nach Gebrauch zu verschaffen. Ergibt sich bei Gegenüberstellung dieser Größenordnungen, dass die gebrauchte Sache schon durch den Verlust ihrer Neuheit eine erhöhte Wertminderung erfährt, darf dies nicht zur Gänze zu Lasten des Käufers, der die Wandlung nicht zu vertreten hat, veranschlagt werden (5 Ob 274/09v mwN).

[26] Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht mit Billigung des Berufungsgerichts das Benützungsentgelt ausgehend von einer linearen Abwertung bemessen. Berücksichtigt man, dass das Wandlungsbegehren bereits kurz nach Anschaffung des Neuwagens erfolgte, sowie dass die festgestellten Differenzen zum Händlereinkaufswert bzw zum Wiederbeschaffungswert den Kläger zur Gänze mit dem Wertverlust der erstmaligen Anmeldung belasten würden, bestehen gegen diese Vorgangsweise keine Bedenken. Im Übrigen hat sich auch die Beklagte in ihrer Rekursbeantwortung nicht gegen die Berechnung des Benützungsentgelts durch das Berufungsgericht gewendet.

[27] 8. Es war daher dem Rekurs des Klägers Folge zu geben, der Aufhebungsbeschluss aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden und das Ersturteil wiederherzustellen.

[28] 9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Eine Verbindungsgebühr für die Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs gebührt nicht. Einer Partei kann ein solches Ersuchen nicht verwehrt werden (RS0058452), doch kann eine solche Anregung nur als Teil der Rechtsrüge, nicht jedoch als gesondert zu honorierende Verfahrenshandlung gewertet werden (9 ObA 158/07m; Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.454)

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