OGH 4Ob39/21w

OGH4Ob39/21w29.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi sowie MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers G* F*, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin N* GmbH, *, vertreten durch die Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. Dezember 2020, GZ 2 R 141/20y‑49, womit der Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 29. September 2020, GZ 27 Nc 13/19w‑45, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00039.21W.0329.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, welche im Umfang der Aussprüche, dass (Spruchpunkt 1.) die zu leistende Gesamtentschädigung mit einem Pauschalbetrag von 52.678,69 EUR (inklusive 6.060,38 EUR USt) festgesetzt wird, dass (Spruchpunkt 2.) der Betrag von 2.487,88 EUR (52.678,69 EUR abzüglich des bereits hinterlegten Betrags von 50.190,81 EUR) binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung zur Zahlung fällig ist (§ 33 EisbEG), sowie (Spruchpunkt 3.) dass ein Mehrbegehren, die Gesamtentschädigung mit weiteren 180.568,33‬ EUR festzusetzen, abgewiesen wird, unangefochten als Teilbeschluss unberührt bleiben, werden im Übrigen, nämlich in Ansehung der Abweisung eines Mehrbegehrens, die Gesamtentschädigung mit weiteren 75.395,37 EUR festzusetzen, sowie im Kostenpunkt aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekurses des Antragstellers sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Auf vier – mit allen gängigen land- und forstwirtschaftlichen Maschinen gut bewirtschaftbar erschlossenen – Grundstücken des Antragstellers mit einer Gesamtfläche von 160.618 m², davon 1.870 m² an Baufläche, 151.333 m² an landwirtschaftlich genutzter Fläche, 3.923 m² Wald und 3.545 m² an sonstiger Fläche, wurde der Antragsgegnerin für die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung einer 110‑kV‑Leitungsanlage, des Bestandes und des Betriebes der fertiggestellten Leitungsanlage, der jederzeitigen Überprüfung, Instandhaltung und Erneuerung der Leitungsanlage, der Entfernung der diese Arbeiten sowie den sicheren Bestand der Leitungsanlage hindernden oder gefährdeten Bäume, Sträucher oder Äste, des jederzeitigen Betretens und Befahrens der oben genannten Grundstücke, der erforderlichen Arbeiten und Vorkehrungen sowie die Unterlassung sämtlicher Handlungen, die eine Beschädigung oder Störung der Leitungsanlage zur Folge haben könnten, eingeräumt.

[2] Hinsichtlich des Schutzstreifens für die antragsgegenständliche Dienstbarkeit besteht bei den vier Grundstücken insgesamt ein Flächenbedarf von 13.119 m² (= 8,17 % der Fläche aller Grundstücke) bei einer Überspannung in der Länge von 532 lfm, im Einzelnen ein Flächenbedarf von 7.591 m² (= 10,04 % dieses Grundstücks) bei einer Überspannung von 319 lfm, 5.425 m² (= 6,81 % dieses Grundstücks) bei einer Überspannung von 210 lfm, 97 m² (= 5,43 % dieses Grundstücks) bei einer Überspannung von 3 lfm sowie 6 m² (= 0,17 % dieses Grundstücks). Auf zwei Grundstücken wird je ein Mast mit einem Flächenbedarf von je 2,5 x 2,5 m errichtet.

[3] Aufgrund der verfahrensgegenständlich eingeräumten Zwangsdienstbarkeit ergeben sich im konkreten Fall Entschädigungspositionen für Überspannung samt Schutzstreifen, Masten, Telekommunikationskabel, Arrondierungsschaden und Waldschäden.

[4] Die Überspannung eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung hat keinen negativen Einfluss auf den Ertrag. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn Masten vorhanden sind oder sich bei Waldgrundstücken Randschäden ergeben, ansonsten bleibt der Ertragswert unverändert. Typischerweise werden bei einem Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, auf denen sich Schutzstreifen wegen errichteter Hochspannungsleitungen befinden, (dennoch) immer ganze Grundstücke oder Betriebe und nicht die jeweiligen Schutzstreifen (gesondert) verkauft.

[5] Bei der Entschädigungsberechnung für überspannte Grundstücke nach der Differenzmethode wird ausschließlich die aufgrund der Dienstbarkeit in Anspruch genommene Fläche des Schutzstreifens entschädigt. Der Differenzmethode liegt gedanklich der Vergleich ein und desselben Grundstücks vor und nach der Überspannung zu Grunde. „Es wäre zwar die gesamte Vergleichbarkeit gegeben, doch tritt ein solcher Geschäftsfall nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit in der Praxis auf.“ In diesem Fall ist als angemessener Basiswert für die Entschädigung ein solcher von 5 % des Verkehrswerts bezogen auf das jeweilige Gesamtgrundstück heranzuziehen. An Hand dessen sind im Einzelnen Über- und Unterschreitungen zu prüfen.

[6] Bei der Berechnung nach der Schätzpreismethode wird eine prozentuelle Entschädigung im Verhältnis zur jeweiligen Gesamtfläche vorgenommen. Diese Methode basiert auf der Befragung von Experten. Eine in den 1980er‑Jahren durchgeführte Expertenbefragung hat ergeben, dass die Fachleute eine wesentlich stärkere Reaktion auf oberirdische als auf unterirdische Leitungen zeigen, obwohl die unterirdische Leitung die landwirtschaftliche Nutzung stärker beeinträchtigt. Die Experten sehen eine stark unterschiedliche Verkehrswertminderung in Abhängigkeit von der Art der Beanspruchung.

[7] Bei Anwendung der Differenzmethode ergibt sich für die überspannten Grundstücke eine Netto-Entschädigungssumme von 53.288,33 EUR, bei Anwendung der Schätzpreismethode von 26.154,29 EUR.

[8] Bei der Berechnung der Entschädigung für die Masten wird nach einer Methode ausschließlich die jeweilige Wirtschaftserschwernis aufgrund der in der verfahrensgegenständlichen Dienstbarkeit tatsächlich in Anspruch genommenen Grundfläche für die Masten entschädigt. Nach dieser Methode ergibt sich hier eine Netto-Entschädigungssumme von 19.092,90 EUR. Bei Anwendung der Differenzmethode werden für ganze Masten als Mindestentschädigung 5 % vom Grundstückswert angesetzt. Es wird überprüft, ob dieser Wert durch die Aufwandsentschädigung erreicht wird. „Bei Nichterreichen wird die Entschädigung entsprechend korrigiert.“ Nach dieser Methode errechnet sich eine Netto-Entschädigungssumme von 58.680,43 EUR.

[9] Da der vorliegende land- und forstwirtschaftliche Betrieb des Antragstellers vollkommen arrondiert ist, durch den Gesamtkomplex Straßen verlaufen und bereits eine Stromleitung, wenn auch kleiner dimensioniert, vorhanden ist, entsteht durch die Dienstbarkeit kein zusätzlicher Arrondierungsschaden.

[10] Die Netto-Entschädigungssumme für Telekommunikationskabel beträgt bei einer gesamten Kabellänge von 532 lfm und einer Entschädigung pro Laufmeter von 2,57 EUR insgesamt 1.367,24 EUR.

[11] Die Netto-Entschädigungssummen in Bezug auf den auf den Grundstücken teilweise befindlichen Wald betragen 311,40 EUR für Hiebsunreife und 32,48 EUR für Randschäden; andererseits beträgt die durch die Dienstbarkeit bewirkte Ersparnis an Holzerntekosten 340 EUR.

[12] Dem Antragsteller wurde bescheidmäßig für die Überspannung sowie für zwei Maststandorte eine Entschädigung von 50.190,81 EUR (inkl 13 % USt) zuerkannt.

[13] Der Antragsteller begehrte vom Erstgericht die Neufestsetzung der Entschädigung mit pauschal 308.642,39 EUR.

[14] Die Antragsgegnerin beantragte, dem Antrag auf Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung in der beantragten Höhe nicht Folge zu geben, sondern die Entschädigung maximal in der Höhe von 50.190,81 EUR inklusive 13 % USt festzusetzen.

[15] Das Erstgericht setzte die Gesamtentschädigung mit 128.074,06 EUR (inkl 13 % USt) fest, nämlich zusammengefasst 53.288,33 EUR für die Wertminderung der auf einer Länge von 532 lfm mit Leitungen überspannten Grundstücke, 58.680,43 EUR für die Wertminderung aufgrund der Inanspruchnahme des Grundes durch zwei Masten (jeweils nach der Differenzmethode), sowie 1.367,24 EUR Entschädigung für Telekommunikationskabel, 311,40 EUR Ersatz für Hiebsunreife, 32,48 EUR für Randschäden, jedoch abzüglich 340 EUR Ersparnis an Holzerntekosten, insgesamt 113.339,88 EUR zuzüglich 13 % USt. Das Mehrbegehren, die Gesamtentschädigung mit weiteren 180.568,33 EUR festzusetzen, wies das Erstgericht ab.

[16] „Projektschäden“ seien dann ersatzfähig, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen der Enteignung und den Projektfolgen gegeben sei; dies sei dann der Fall, wenn das Enteignungsobjekt ohne die Enteignung nicht oder nicht in der vorgenommenen Art realisierbar gewesen wäre. Schäden durch das Enteignungsobjekt, die auch ohne Enteignung eingetreten wären, – die der Liegenschaftseigentümer auch dann zu tragen hätte, wenn das Projekt an der Grundgrenze ausgeführt worden wäre, weil diese nicht durch die Enteignung verursacht worden seien – seien demnach nicht zu ersetzen. Diese Projektschadensproblematik stelle sich auch hier bei den Positionen Überspannung samt Schutzstreifen und Masten. Während die Berechnung nach der Schätzpreismethode lediglich eine Entschädigung für die projektbedingte Beeinträchtigung des tatsächlich durch die eingeräumte Zwangsservitut herangezogenen Schutzstreifens ergebe, berücksichtige die Differenzmethode auch eine durch die Leitungsanlage bewirkte Reduktion des Verkehrswerts, unter den hier gegebenen Umständen begrenzt mit 5 %, bezogen auf das betroffene Gesamtgrundstück; Letzteres gelte auch für die Berechnung der Entschädigung betreffend die vorhandenen Masten „unter Berücksichtigung dessen, dass feststellungsgemäß diesbezüglich die Entschädigungsberechnung aufgrund der mastbedingten Wirtschaftserschwernis durchgeführt wurde“. Die Entschädigungsberechnung unter Heranziehung der Differenzmethode betreffend den insofern festgestellten 5%‑igen Basiswert, bezogen auf das Gesamtgrundstück, fuße in diesem Fall darauf, dass die gegenständliche Leitungsanlage die betroffenen Grundstücke jeweils „geflissentlich“ durchschneide und deswegen ein Wertverlust, bezogen auf die gesamten betroffenen Grundstücke, eintrete. Eben dieser Wertverlust würde nicht eintreten, wenn die betroffenen Grundstücke durch die Leitung nicht durchschnitten, sondern diese unmittelbar an der Grundgrenze auf einem Nachbargrundstück errichtet würden. Damit handle es sich jedoch bei dieser Wertminderung um kausale und damit ersatzfähige Projektschäden. Die Positionen Überspannung samt Schutzstreifen bzw Masten seien unter Berücksichtigung der Differenzmethode bei Heranziehung eines 5%‑igen Basiswerts, bezogen auf das Gesamtgrundstück, mit den insofern festgestellten Beträgen von 53.288,33 EUR bzw 58.680,43 EUR zu entschädigen.

[17] Über Rekurs (nur) der Antragsgegnerin änderte das Rekursgericht diesen Beschluss dahin ab, dass es die zu leistende Gesamtentschädigung mit einem Pauschalbetrag von 52.678,69 EUR (inklusive 6.060,38 EUR 13%-ige USt) festsetzte (Spruchpunkt 1.), den Betrag von 2.487,88 EUR (52.678,69 EUR abzüglich des bereits hinterlegten Betrags von 50.190,81 EUR) als nach § 33 EisbEG binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung zur Zahlung fällig erkannte (Spruchpunkt 2.) und das Mehrbegehren, die Gesamtentschädigung mit weiteren 306.154,51 EUR (erkennbar gemeint: 255.963,70 EUR) festzusetzen, abwies (Spruchpunkt 3.).

[18] Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, dass die Entschädigung unter Anwendung der Schätzpreismethode zu entschädigen sei. Dies vermeide, dass es bei bloßer Eintragung einer Dienstbarkeit zu einer Entschädigung weit über dem Verkehrswert der betroffenen Grundfläche komme. Als durch die Enteignung verursacht und damit als entgeltrelevant seien nur solche Nachteile anzusehen, die sich aus dieser ergäben. Nachteile, die sich aus dem Eigentumsrecht des enteignenden Unternehmens ergäben, dessen Nachbarschaft weniger angenehm sei als die eines anderen und aus dessen Dispositionen über den enteigneten Grund, seien nicht zu berücksichtigende Projektschäden. Persönliche Nachteile des Grundeigentümers oder solche in Bezug auf seine Restliegenschaft, die durch die Errichtung und den Betrieb der Straßenanlage auf dem enteigneten Grundstück bewirkt würden, insbesondere Wertminderungen der Restliegenschaft durch Immissionen aus dem enteigneten Grundstücksteil, die in Zukunft zu erwarten seien oder welche bereits wirksam geworden seien, seien im Rahmen der Enteignungsentschädigung nicht zu vergüten. Hier bedeute die Überspannung der Grundstücke mit einer 110 kV-Leitung zwar eine Wertminderung für die Restliegenschaft; diese ergebe sich im Wesentlichen aus der Sichtbarkeit der Leitung, sei aber nicht anders zu beurteilen als jene Wertminderung, die durch Immissionen aus dem enteigneten Grundstücksteil entstehe und nicht zu vergüten sei. Dieses Ergebnis entspreche auch der vom deutschen BGH angewandten sogenannten Parallelverschiebung, bei der der Enteignete eine Entschädigung dann nicht verlangen könne, wenn er von der Immission in gleicher Weise betroffen werde wie andere Grundeigentümer, denen nicht ein Grundstücksteil für die Errichtung einer Straße enteignet worden sei und die deshalb die Wertminderung des Grundstücks entschädigungslos hinnehmen müssten. Auch der Antragsteller hätte die Existenz der Leitung am Nachbargrundstück entschädigungslos hinnehmen müssen, weil die visuelle Beeinträchtigung auch bei einer Leitungsführung am Nachbargrundstück entstehe und die Nachbarn mit ihren Liegenschaften in gleicher oder ähnlicher Weise von dieser Beeinträchtigung betroffen seien.

[19] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Judikatur zur Entschädigung von Projektschäden in Zusammenhang mit der zwangsweisen Begründung von Servituten nicht völlig einheitlich sei.

[20] Der Antragsteller beantragt mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs erkennbar, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[21] Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[22] Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[23] Der Rechtsmittelwerber führt zusammengefasst ins Treffen, bei der Ermittlung der Entschädigung sei nicht nur auf den Wert des abzutretenden Grundstücks, sondern auch auf die Verminderung des Werts, die der zurückbleibende Teil des Grundbesitzes erleide, Rücksicht zu nehmen, wenn – wie hier – nur ein Teil eines Grundbesitzes enteignet werde; es seien alle enteignungskausalen Nachteile und daher auch Projektschäden am Vermögen, soweit diese durch die Enteignung verursacht seien, zu ersetzen. Zur Berechnung des Ersatzes aller vermögensrechtlichen Nachteile, sei nur die Differenzwertmethode zielführend.

[24] 1. Vorauszuschicken ist, dass Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens nur noch das Begehren auf Festsetzung der Gesamtentschädigung mit weiteren 75.395,37 EUR (inkl 13 % USt) ist, um welchen Betrag das Rekursgericht (inkl USt) dem Antragsteller weniger als das Erstgericht (128.074,06 EUR abzüglich 52.678,69 EUR) zusprach. Die Festsetzung der Entschädigung im Umfang von 52.678,69 EUR (darin die Positionen 1.367,24 EUR für Telekommunikationskabel, 311,40 EUR für Hiebsunreife und 32,48 EUR für Randschäden, sowie der Abzug von 340 EUR Ersparnis an Holzerntekosten) und die Abweisung eines Festsetzungsmehrbegehrens von 180.568,33 EUR blieben in zweiter Instanz unangefochten. Im Einzelnen reduzierte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Zuspruch nur in den Punkten Überspannung auf 26.154,29 EUR netto (um 27.134,04 EUR weniger als das Erstgericht) und im Punkt Masten auf 19.092,90 EUR netto (um 39.587,53 EUR weniger als das Erstgericht).

[25] 2.1. Nach § 21 Abs 2 oöStarkstromwegeG hat der Leitungsberechtigte den Grundeigentümer und die am Grundstück dinglich Berechtigten für alle mit dem Bau, der Erhaltung, dem Betrieb, der Änderung und der Beseitigung der elektrischen Leitungsanlagen unmittelbar verbundenen Beschränkungen ihrer zum Zeitpunkt der Bewilligung bestehenden Rechte angemessen zu entschädigen. Für das Verfahren gilt § 19 Abs 1 lit a bis lit d oöStarkstromwegeG sinngemäß, wonach auf das Enteignungsverfahren und die behördliche Ermittlung der Entschädigung die Bestimmungen des EisbEG anzuwenden sind.

[26] 2.2. Das Wesen der Enteignungsentschädigung besteht in der Ersatzleistung für das dem Enteigneten durch besonderen Hoheitsakt abgenötigte Sonderopfer am Vermögen, wobei nur der positive Schaden zu ersetzen ist (RS0030513). Nach ständiger Rechtsprechung sind enteignungsbedingte Vermögensnachteile, bezogen auf den Zeitpunkt der Aufhebung des durch Bescheid enteigneten Rechts, unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Enteigneten, jedoch unter Heranziehung eines objektiven Wertermittlungsmaßstabs festzustellen (6 Ob 161/10k mwN). Gegenstand der – in den eine Enteignung vorsehenden Gesetzen geregelten – Enteignungsentschädigung ist daher immer nur der durch die Enteignung verursachte vermögensrechtliche Nachteil (§ 4 Abs 1 EisbEG). Dem Enteigneten soll nicht weniger, aber auch nicht mehr als der Unterschied zwischen seiner Vermögenslage vor und nach der Enteignung ausgeglichen werden. Schäden des Eigentümers durch das Enteignungsprojekt, die auch dann eingetreten wären, wenn diesem nichts enteignet worden wäre, sind demnach nicht zu ersetzen (vgl RS0058497; RS0010844 [T9]).

[27] Ein durch die Dienstbarkeit der Duldung einer Starkstromleitung Belasteter hat Anspruch auf Ersatz all jener Vermögensnachteile, die er infolge der ihm auferlegten Beeinträchtigungen und Pflichten erleidet, nicht jedoch für Nachteile, die keine unmittelbare Folge der ihn belastenden Dienstbarkeit sind, sondern allein aus der Existenz der Leitungsanlage entstehen. Hätte der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage die Enteignung eines Streifens der Liegenschaft des Antragstellers im Sinn des Eigentumsentzugs erfordert, dann hätte der Antragsteller auch nur Anspruch auf Ersatz des Werts des enteigneten Grundstücksteils sowie einer allfälligen Entwertung des Restgrundes, nicht aber auf Ersatz der Nachteile, die durch die Bauführung auf dem enteigneten Grundstück und den Bestand der Leitung eintritt. Wird zur gelinderen Form der Enteignung, nämlich bloß zur Einräumung einer Dienstbarkeit gegriffen, dann kann dem dadurch Belasteten nicht mehr Ersatzanspruch zugesprochen werden als im Fall des völligen Eigentumsentzugs (4 Ob 544/95). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof auch unlängst zu einer vergleichbaren Fallkonstellation ausgesprochen, dass die Wertminderung, die aufgrund einer weithin sichtbaren Freileitung wegen der von potenziellen Käufern erwarteten Preisreduktion eintritt, im Sinne der „Parallelverschiebungstheorie“ auch dann bestünde, wenn die Freileitung nicht auf dem Grundstück des Antragstellers, sondern unmittelbar an der Grundgrenze errichtet worden wäre. Diesfalls bestünde die Position allgemeine Wertminderung nicht zu Recht, weil Schäden des Eigentümers durch das Enteignungsprojekt, die auch dann eingetreten wären, wenn diesem nichts enteignet worden wäre, nicht zu ersetzen sind (6 Ob 108/20f).

[28] Die weitaus überwiegende Rechtsprechung verneint die Einbeziehung von Projektschäden in die Berechnung der Entschädigung. Bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung ist demnach nur auf jene Nachteile Bedacht zu nehmen, die sich unmittelbar aus dem Entzug des Eigentumsrechts durch den Enteignungsakt ergeben; nicht zu entschädigen sind dagegen mittelbare Folgen und Nachteile, die auf angrenzenden Grundstücken entstehen, von denen keine Teile enteignet wurden (eingehend 7 Ob 39/13f mwN und ausführlicher Auseinandersetzung mit der Lehre).

[29] Gemäß § 6 EisbEG ist aber im Fall teilweiser Enteignung bei der Ermittlung des Entschädigungsbetrags auch auf die Wertminderung der dem Enteigneten verbleibenden Teile seines Grundbesitzes Bedacht zu nehmen. Dies gilt nach gefestigter Rechtsprechung auch dann, wenn – wie hier – nicht eine Liegenschaft enteignet, sondern nur im Enteignungswege über einen Teil derselben eine Dienstbarkeit begründet wird (RS0057972; 3 Ob 204/15v mwN).

[30] 2.3. Die Ermittlung des Verkehrswerts gehört grundsätzlich ebenso dem Tatsachenbereich an (RS0043704 [T1, T2, T5]; RS0043122 [insb T4, T6, T8, T11]; vgl auch RS0109006 [T2, T3, T5, T6]) wie die Anwendung der von einem Sachverständigen zur Gewinnung des maßgeblichen Sachverhalts herangezogenen Erfahrungsgrundsätze (vgl RS0118604); die Auswahl der Berechnungsmethode obliegt grundsätzlich dem Sachverständigen (vgl RS0119439). Das Ergebnis der Anwendung einer an sich geeigneten Methode ist daher vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar, es sei denn es wurde gegen zwingende Denkgesetze verstoßen oder die gewählte Methode basiert auf abstrakten Überlegungen ohne entsprechende Datenermittlungen (vgl 4 Ob 102/17d mwN).

[31] 3.1. Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass die Wertminderung, die aufgrund der Freileitung wegen der von potenziellen Käufern erwarteten Preisreduktion eintrete, im Sinne der „Parallelverschiebungstheorie“ auch dann bestünde, wenn die Freileitung nicht auf dem Grundstück des Antragstellers, sondern unmittelbar an der Grundgrenze errichtet worden wäre. Diesfalls bestünde die Position Wertminderung nicht zu Recht, weil die Schäden des Eigentümers durch das Enteignungsprojekt, die auch dann eingetreten wären, wenn diesem nichts enteignet worden wäre, nicht zu ersetzen sind (RS0058497).

[32] 3.2. Nun steht aber dieser entscheidungswesentliche Umstand, den das Rekursgericht als gegeben annahm, gerade nicht fest. Zwar wurden Berechnungsgrundsätze der Differenz- und der Schätzpreismethode ansatzweise dargelegt, jedoch ist daraus nicht ableitbar, ob und welche Wertminderungen nur aufgrund der konkreten Enteignung eintreten, die auch dann bestünden, wenn die Leitung und Masten nicht auf den Grundstücken des Antragstellers, sondern an der Grundgrenze errichtet worden wären (vgl 6 Ob 108/20f); auch ist in Ansehung der Masten nicht ableitbar, ob und inwieweit über eine Wirtschaftserschwernis aufgrund der in der Dienstbarkeit tatsächlich in Anspruch genommenen Grundfläche und über den Umstand der auch hier bestehenden Überspannung hinaus eine konkrete Wertminderung der betroffenen Grundstücke im genannten Sinne entsteht. Im konkreten Fall ist damit die Auswahl einer bestimmten Methode nicht ins Belieben des Sachverständigen oder des Gerichts gestellt, und es ist mit der Benennung möglicher Methoden nicht getan, sondern es ist der Schaden anhand jener Methoden zu ermitteln (und es sind dementsprechende Feststellungen zu treffen), welche die Beurteilung der dargelegten entscheidungsrelevanten Fragen erlauben.

[33] 4.1. Zusammengefasst lässt sich aus den unvollständigen Feststellungen des Erstgerichts zu den Positionen Wertminderung aufgrund Überspannung und Masten die konkrete Ersatzfähigkeit dieser Positionen – und damit die Berechtigung des über den unangefochten gebliebenen Teilbeschluss hinausgehenden Begehrensteils – nicht beurteilen. Soweit der Revisionsrekurs erkennbar rechtliche Feststellungsmängel geltend macht, ist er damit im Recht: Die Sache ist insoweit nicht spruchreif, die angefochtenen Entscheidungen sind in diesem Umfang aufzuheben und die Rechtssache ist andas Erstgericht zurückzuverweisen, welches nach Verfahrensergänzung klare, widerspruchsfreie und ausreichend konkrete Feststellungen zu den nach dem oben Gesagten entscheidungswesentlichen Fragen zu treffen und danach neuerlich über diese Position abzusprechen haben wird.

[34] 4.2. Da sich die Sachverhaltsfeststellungen als ergänzungsbedürftig erwiesen haben, muss auf eben solche Umstände abzielende, jedoch unter dem Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit dargelegten Erörterungen des Revisionsrekurses nicht mehr eingegangen werden.

[35] 4.3. Soweit der Revisionsrekurs mit Arrondierungsfolgen argumentieren will, übergeht dies den Umstand, dass Schäden an der Arrondierung auch ohne Überlegungen im Sinne der „Parallelverschiebungstheorie“ und trotz „Durchschneidung“ des arrondierten Betriebs des Antragstellers durch die Leitung hier – unangefochten – nicht zustehen. Diese nicht mehr verfahrensgegenständlichen Fragen bedürfen daher keiner weiteren Erörterung.

[36] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf § 44 EisbEG. Die Kosten des Revisionsrekurses wurden nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten des Antragstellers hervorgerufen. Daraus folgt, dass die dem Antragsteller im Revisionsrekursverfahren entstandenen Kosten weitere Verfahrenskosten bilden, über deren Ersatz erst mit der Endentscheidung ausgesprochen werden kann (vgl 6 Ob 108/20f mwN). Die Antragsgegnerin hat dagegen für ihre Revisionsrekursbeantwortung ohnehin (zutreffend) keine Kosten verzeichnet.

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