European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00014.22B.0324.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.552,07 EUR (darin 258,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Erstbeklagte erwarb 2013 das Alleineigentum an einer Liegenschaft und verkaufte nach und nach Anteile daran unter gleichzeitiger Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum weiter. Aktuell ist die Erstbeklagte zu 670/2409‑Anteilen Miteigentümerin. Wohnungseigentum wurde noch nicht begründet. Die Zweitbeklagte ist die Komplementärin der Erstbeklagten.
[2] Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Erstbeklagte ihr von der Klägerin vorgeschriebene Wohnbeiträge (Betriebskostenakonti und Beiträge zur Rücklage) für den Zeitraum Jänner 2020 bis April 2021 von insgesamt 20.430,12 EUR nicht bezahlt hat. Die Beklagten begründen dies damit, die Vorschreibungen entsprächen nicht dem vereinbarten Verteilungsschlüssel, der die Erstbeklagte als Miteigentümerin des weder bewohn- noch vermietbaren Rohdachbodens davon befreie, Betriebskostenakonti und Rücklagenbeiträge zu zahlen. Gegenüber einer allenfalls zu Recht bestehenden Klageforderung wenden sie aufrechnungsweise von der Erstbeklagten geleistete Betriebskostenzahlungen für Oktober und November 2020 sowie Jänner 2021 von 1.656,76 EUR ein.
[3] Das Erstgericht gab der Klage statt.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe eines zu fällenden dreigliedrigen Urteilsspruchs. Der Einwand vertragswidriger Vorschreibung von Bewirtschaftungskosten hindere die Fälligkeit der Akontoforderungen nicht. Betreffend Beiträge zur Rücklage sei der Einwand vertragswidriger Vorschreibung unberechtigt, weil diese § 32 Abs 1 WEG entsprochen habe. Ein abweichender Aufteilungsschlüssel sei nicht vereinbart worden.
[5] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage, ob für die Liegenschaft auf Basis des Vorbringens der Beklagten gemäß § 32 Abs 2 WEG ein abweichender Aufteilungsschlüssel vereinbart worden sei, für Folgeprozesse über künftige Abrechnungsperioden bedeutsam sei.
[6] Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Parteien, mit der sie eine Abänderung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung anstreben.
[7] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie kann keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[9] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat sich mit dem behaupteten Verfahrensmangel erster Instanz wegen Begründungsmangels und der „unrichtigen“ Unterlassung des Beweisverfahrens inhaltlich befasst und zu den über die Nichtigkeitsrüge hinausreichenden Teilen des Rechtsmittels die Auffassung vertreten, diese seien der Rechtsrüge zuzuordnen, weil die Beklagten inhaltlich nur das Fehlen von Feststellungen und die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung relevieren. Tatsächlich ist die Feststellungsgrundlage nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RIS‑Justiz RS0053317). Kann die Frage nach der Berechtigung des Anspruchs der Klägerin aufgrund des unstrittigen Sachverhalts und des wechselseitigen Vorbringens abschließend beurteilt werden, bedarf es keiner weiteren Feststellungen. Da dies hier der Fall ist, waren weitere Ausführungen des Berufungsgerichts nicht erforderlich (§ 510 Abs 3 ZPO).
[10] 2.1. Nach dem gemäß § 37 Abs 5 WEG 2002 auch hier anzuwendenden § 32 Abs 1 WEG 2002 sind die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern (hier: Wohnungseigentumsbewerbern) nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen. Besteht ein vor Wohnungseigentumsbegründung über ein wohnungseigentumstaugliches Objekt geschlossener Hauptmiet‑ oder Nutzungsvertrag (§ 1 Abs 1 MRG, § 13 WGG) nach diesem Zeitpunkt weiter, so sind – soweit nichts anderes rechtswirksam vereinbart ist – nur die Beiträge zur Rücklage sowie die Kosten für die Erhaltung und Verbesserung nach der Regelung des ersten Satzes, die übrigen Aufwendungen jedoch nach dem Aufteilungsschlüssel zu tragen, der für das vor Wohnungseigentumsbegründung eingegangene Hauptmiet‑ oder Nutzungsverhältnis maßgeblich ist.
[11] 2.2. Dieser Beitragspflicht der Wohnungseigentümer steht naturgemäß ein entsprechender Anspruch der Eigentümergemeinschaft gegenüber. Die Festsetzung der monatlichen Akontozahlungen einschließlich der Beiträge zur Rücklage in angemessener Höhe und auch die Modalitäten der Einhebung gehören zum Aufgabenbereich des Verwalters (5 Ob 158/19z; 5 Ob 162/19p). Solange die Mehrheit der Miteigentümer dem Verwalter keine (abweichende) bindende Weisung erteilt, sind die vom Verwalter vorgeschriebenen Beiträge für die Mit‑ und Wohnungseigentümer bindend (5 Ob 162/19p; 5 Ob 126/19v; RS0083581). Akontozahlungen können auch dann noch eingehoben werden, wenn die Aufwendungen, für die sie vorgeschrieben wurden, bereits abgerechnet sind, jedoch strittig ist, ob die Abrechnung ordnungsgemäß, vollständig oder richtig ist. Solange der Abrechnungssaldo nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist, besteht weiterhin die Pflicht jedes einzelnen Wohnungseigentümers, die im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung vorgeschriebenen Akontozahlungen zu leisten (RS0112884). Der Einwand vertragswidriger Vorschreibung von Bewirtschaftungskosten hindert die Fälligkeit der Akontoforderungen nicht, weil auch solche Fragen der Richtigkeit und Vertragsgemäßheit in der Regel erst nach Abführung eines Rechtsstreits geklärt werden können, was zu einer empfindlichen Einschränkung der für die Abdeckung der laufenden Verbindlichkeiten notwendigen Liquidität der Eigentümergemeinschaft führte (RS0109647 [T4]).
[12] 2.3. Der Bedeutung der Liquiditätssicherung zur laufenden Bewirtschaftung trägt die Rechtsprechung auch dadurch Rechnung, dass sie die Aufrechnung gegen Bewirtschaftungskostenvorschreibungen in der Regel als unzulässig erachtet (RS0109647 [T3]; 5 Ob 158/19z), weil es dem Zweck des Wohnungseigentumsvertrags entspricht, einen schlüssigen Verzicht der Wohnungseigentümer darauf anzunehmen, gegen Akontovorschreibungen zur Abdeckung der in § 32 Abs 1 WEG genannten Ausgaben mit eigenen Ansprüchen gegenüber der Eigentümergemeinschaft aufzurechnen (RS0109647). Diese Auffassung wird auch in der Literatur geteilt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht II23 § 20 WEG Rz 35 mwN; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch 4 § 32 WEG Rz 62).
[13] 2.4. Demgemäß steht dem einzelnen Wohnungseigentümer nach der in der Literatur (vgl E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch 4 § 32 WEG Rz 61) gebilligten Auffassung des Fachsenats (5 Ob 328/99t) auch nicht der Einwand zu, die Bewirtschaftungskosten würden nicht entsprechend dem gültigen Aufteilungsschlüssel vorgeschrieben. Zu 5 Ob 158/16w (krit Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 32 WEG Rz 68) ging der Fachsenat betreffend Rücklagenbeiträge davon aus, dass diese jedenfalls allen Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebots nach dem gültigen Anteilsschlüssel vorzuschreiben seien. Insoweit ist dem beklagten Wohnungseigentümer der Einwand vertragswidriger Vorschreibung nicht verwehrbar.
[14] 2.5. An diesen Rechtsprechungsgrundsätzen haben sich die Vorinstanzen orientiert. Die – nur für die vorgeschriebenen Rücklagenbeiträge relevante – Auslegung der nach den Behauptungen der Beklagten mit allen Wohnungseigentumsbewerbern vereinbarten Kaufvertragsbestimmung, wonach der von der Erstbeklagten auszubauende Rohdachboden für den Zweck der Abrechnung der Betriebskosten und Erhaltung als allgemeiner Teil der Liegenschaft anzusehen ist, solange diese Fläche nicht baulich in einzelne Einheiten integriert wird, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen könnte, wenn in krasser Verkennung der Auslegungsgrundsätze ein aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; 5 Ob 162/19p [zu einer Vereinbarung nach § 32 Abs 1 WEG]). Dass die zu lösende Frage in einer Mehrzahl von Fällen auftritt, kann für sich allein nicht ihre Erheblichkeit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründen (RS0042816). Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf.
[15] 3.1. Dass Bauträger bei Verkauf der einzelnen in Vorbereitung von Wohnungseigentum stehenden Wohnungen im Sinn des § 32 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 5 WEG mit allen Wohnungseigentumsbewerbern (vgl 5 Ob 162/12b; Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 32 WEG Rz 29) mittels gleichartiger Kaufverträge („Summenvereinbarung“) einen von § 32 Abs 1 WEG 2002 abweichenden Aufteilungsschlüssel grundsätzlich vereinbaren könnten, ergibt sich bereits aus dem Gesetz, das insoweit eine klare und eindeutige Regelung trifft, sodass dies keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RS0042656). Die Zulässigkeit von derartigen „Summenvereinbarungen“ hat der Fachsenat zu 5 Ob 142/06b und 5 Ob 230/08x bereits anerkannt; sie wird auch in der Literatur bestätigt E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch 4 § 32 WEG Rz 34).
[16] 3.2. Betreffend die vorgeschriebenen Akonti auf Bewirtschaftungskosten ist nach der zitierten Rechtsprechung den Beklagten der Einwand nicht vertragsgemäßer Vorschreibung und eines unrichtigen Verteilungsschlüssels verwehrt. Dies gilt nicht nur für den von ihnen behaupteten, in den Kaufverträgen angeblich vereinbarten abweichenden Verteilungsschlüssel, sondern auch für die Frage, ob – wozu Feststellungen fehlen – tatsächlich noch Hauptmiet‑ oder Nutzungsverträge über ein wohnungseigentumstaugliches Objekt bestehen, sodass für die Betriebskosten der gesetzliche Aufteilungsschlüssel des § 32 Abs 1 zweiter Satz WEG 2002 anzuwenden wäre. Diese Fragen der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Vorschreibungen können erst im Nachhinein aufgrund Bestreitung der Abrechnung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (§ 52 Abs 1 Z 6 WG 2002) aufgrund eines entsprechenden Antrags der Erstbeklagten geklärt werden, an der Fälligkeit der Vorschreibungen ändert dies nichts (Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 32 WEG Rz 70 mwN).
[17] 3.3. Soweit der Einwand den unrichtigen Verteilungsschlüssel für die Beiträge zur Rücklage betrifft, liegt eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts nicht vor. Dieses leitete aus der behaupteten Formulierung im Kaufvertrag, näher bezeichnete Flächen (darunter der vom Verkäufer oder seinen Rechtsnachfolgern auszubauende Rohdachboden) „stellen für Zwecke der Abrechnung der Betriebskosten und Erhaltung allgemeine Teile der Liegenschaft dar“, ab, dass die auf diese Flächen entfallenden Kosten eben nicht nur von deren Nutzer allein, sondern von allen Miteigentümern nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bestritten werden sollen, was ohnedies dem Grundsatz des § 32 Abs 1 WEG entspreche. Diese Auslegung beruht auf dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung (vgl RS0017915) und ist daher nicht zu beanstanden. Der von den Beklagten daraus gezogene Schluss, die Erstbeklagte müsse aufgrund dieser Vertragsklausel gar keine Beiträge zur Rücklage leisten, ist hingegen daraus in objektiver Hinsicht (vgl hiezu E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 32 WEG Rz 34 mwN) nicht abzuleiten, selbst wenn man mit den Beklagten dies alsVereinbarung im Sinn des § 32 Abs 2 WEG werten wollte. Der schriftlichen Vereinbarung über die Verteilung von Aufwendungen müssten nämlich die von ihr erfassten Aufwendungen und der Abrechnungsmodus zu entnehmen und die vom Formzweck erfassten Abreden in der Urkunde zumindest angedeutet sein (5 Ob 11/14z; E. M. Hausmann aaO). Davon auszugehen, die Wendung „Rohdachböden stellen für Zwecke der Abrechnung der Betriebskosten und Erhaltung allgemeine Teile der Liegenschaft dar“, lasse jedenfalls nicht ausreichend erkennen, dass die Miteigentümerin, der das alleinige Nutzungsrecht daran zukommt, gar nicht zur Rücklagenbildung beitragen soll, ist daher nicht zu beanstanden.
[18] 3.4. Die Frage des Aufrechnungsverzichts kann dahinstehen.Nach dem Prozessvorbringen (ON 10) handelte es sich hier um bezahlte Betriebskosten, daher nicht um unzulässige Vorschreibungen der Eigentümergemeinschaft; diese Betriebskostenakonti hat die Erstbeklagte vielmehr entsprechend der dargestellten Rechtslage bezahlt. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Vorschreibungen (und eines Rückforderungsanspruchs wegen unzulässiger Vorschreibung der Bewirtschaftungskosten) müsstesie in einem wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren klären lassen.
[19] 4. Damit war die Revision zurückzuweisen.
[20] 5. Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Beklagten der Klägerin die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, in der sie auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.
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