OGH 9ObA17/22y

OGH9ObA17/22y24.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Sabrina Langer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei P*, vertreten durch MMag. Dr. Florian Striessnig, Rechtsanwalt in Wien, gegen 1.  die beklagte Partei P* GmbH & Co KG, * (AZ 35 Cga 88/19w; Streitwert 3.600 EUR) und 2. A* GmbH & Co KG, * (AZ 35 Cga 87/19y; Streitwert 3.600 EUR), beide beklagten Parteien vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Ausstellung von Dienstzeugnissen, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 1.800 EUR bzw 3.600 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2021, GZ 10 Ra 91/21g‑36, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00017.22Y.0324.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Nach § 39 Abs 1 AngG hat der Arbeitgeber bei Beendigung des Dienstverhältnisses dem Angestellten auf Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und die Art der Dienstleistung auszustellen.

[2] Der Dienstgeber ist daher nur verpflichtet, ein „einfaches“ Dienstzeugnis auszustellen; es besteht kein Anspruch des Dienstnehmers auf ein „qualifiziertes“ Dienstzeugnis mit Werturteilen des Dienstgebers über Leistung und Führung im Dienst (vgl 9 ObA 164/08w mwN; RS0029978 [T3]). Die Hauptfunktion des Dienstzeugnisses besteht in seiner Verwendung als Bewerbungsunterlage im vorvertraglichen Arbeitsverhältnis. Es dient dem Stellenbewerber als Nachweis über zurückliegende Dienstverhältnisse und dem präsumtiven Dienstgeber als Informationsquelle über die Qualifikation des Bewerbers (RS0111190). Das Dienstzeugnis hat daher vollständig und objektiv richtig zu sein; die Formulierung ist allerdings dem Dienstgeber vorbehalten (8 ObA 217/00w ua).

[3] 2.  Das Dienstzeugnis soll dem Dienstnehmer die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes erleichtern (Spenling in KBB6 § 1163 ABGB Rz 1 ua). Es muss die Art der Beschäftigung in der üblichen Weise bezeichnen und sie unter Umständen auch näher schildern, wenn dies für das Fortkommen des Arbeitnehmers von Bedeutung sein kann (9 ObA 185/99t). Dies wurde etwa in einem Fall bejaht, in dem die Erhaltung der Berufsqualifikation den Nachweis einer entsprechenden Tätigkeit erforderte und am Arbeitsmarkt der Nachweis einschlägiger Tätigkeiten entscheidend war (8 ObA 217/02y). Auch kann sich die Verpflichtung zu einer detaillierteren Darstellung daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer zu einem Einsatz in bestimmten (Teil‑)Fachgebieten eingestellt und eingesetzt wurde (vgl 8 ObA 16/05v).

[4] 3. Ob der Inhalt eines konkreten Dienstzeugnisses den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist in der Regel eine Frage des Einzelfalls. Dass daher in Zusammenhang mit einem bestimmten Berufsbild noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.

[5] 4. Im konkreten Fall war der Kläger als Sendetechniker bzw Sendetechniker und Sendeleiter bei den beklagten Fernsehsendern beschäftigt. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass mit dieser Bezeichnung die konkrete Art der Tätigkeit inhaltlich ausreichend beschrieben ist, ohne dass es dazu im Dienstzeugnis einer detaillierteren Beschreibung der einzelnen wahrgenommenen Aufgaben bedürfe. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen des eingeräumten Ermessenspielraums.

[6] 5. Wenn die Revision demgegenüber darauf verweist, dass die „Art der Tätigkeit“ sich nicht auf eine Berufsgruppenbezeichnung beschränken darf, ist das in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Zwar lassen etwa Bezeichnungen wie „GeschäftsführerIn“ oder „SekretärIn“ kaum Rückschlüsse auf die konkret ausgeübte Tätigkeit zu. Anders ist das aber zu beurteilen, wenn mit der allgemeinen Bezeichnung nach dem Verständnis (nicht nur, aber insbesondere) der relevanten Verkehrskreise ein typisches Berufsbild umschrieben wird und die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit dem auch entsprochen hat.

[7] Der Kläger verweist zwar darauf, dass, auch wenn Arbeitskräfte in der Sendeabwicklung eines Fernseh- oder Hörfunksenders Sendetechniker genannt werden sollten, diese Bezeichnung keinen Aufschluss über die verrichtete Art der Dienstleistung und noch weniger über den mitunter davon abweichenden tatsächlichen Aufgabenkreis des Arbeitnehmers zulässt. Er lässt jedoch offen, welche konkreten Leistungen er erbracht hat, die nicht zum branchentypischen Aufgabenkreis des Sendeleiters bzw Sendetechnikers gehören und daher im Dienstzeugnis extra ausgewiesen werden müssten.

[8] 6. Der Kläger hat in erster Instanz geltend gemacht, dass er nach dem berufskundlichen Sachverständigengutachten im Parallelverfahren nur bei einem „entsprechend positiv formulierten Dienstzeugnis“ am Arbeitsmarkt vermittelbar sei.

[9] Grundsätzlich wirkt die aus § 1157 ABGB bzw § 18 AngG abgeleitete Fürsorgepflicht des Arbeitgebers noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort. Aus ihr wird auch die Verpflichtung zur Förderung anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses abgeleitet. Der Arbeitgeber hat daher die Interessen des Arbeitnehmers in gewissem Rahmen weiter zu berücksichtigen. Dessen ungeachtet besteht aber, wie ausgeführt, kein Anspruch auf ein qualifiziertes Dienstzeugnis, im Sinn eines Werturteils des Arbeitgebers über Leistung und Führung im Dienst. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf ein „positives Dienstzeugnis“. Dass aber ein bloß detaillierteres Zeugnis der Vermittelbarkeit des Klägers zuträglich wäre, ergibt sich weder aus den Feststellungen noch aus dem Gutachten, auf das sich der Kläger beruft.

[10] 7. Auch gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, eine Vereinbarung über die Ausstellung eines qualifizierten Dienstzeugnisses sei nicht getroffen worden, bestehen keine Bedenken.

[11] Für den Abschluss einer Vereinbarung bedarf es übereinstimmender Willenserklärung beider Vertragsteile. Die Erklärungen müssen ausreichend bestimmt sein und es muss ein endgültiger Bindungswille zum Ausdruck kommen. Ob sich die Parteien binden wollen, ist – ebenso wie der Inhalt einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung – nach allgemeinen Auslegungsregeln zu beurteilen (RS0038607 [T11], RS0013968). Für das Vorliegen ebenso wie für die Bedeutung einer Erklärung kommt es nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte und gewonnen hat (RS0113932 [T2]).

[12] Allein das Anbot seitens der Zweitbeklagten, der Kläger möge einen Vorschlag für ein Dienstzeugnis schicken, den man sich ansehen werde, samt Übergabe einer Standardvorlage, begründet keine Verpflichtung zur Unterfertigung eines entsprechenden Dienstzeugnisses.

[13] 8. Insgesamt gelingt es dem Kläger daher nicht das Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentlichen Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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