European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00141.21K.1222.000
Spruch:
Revisionsrekurs und Revisionsrekurs-beantwortung werden zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgerichterkannte die Mutter schuldig, dem Minderjährigen ab 1. 1. 2020 monatlich 290 EUR Unterhalt zu zahlen (Spruchpunkt 1), wies das Mehrbegehren auf Leistung eines um 93 EUR monatlich höheren Unterhaltsbeitrags für den Zeitraum ab dem 1. 1. 2020 (rechtskräftig) ab (Spruchpunkt 2) und behielt das Begehren auf Unterhaltsfestsetzung für den Zeitraum 1. 1. 2017 bis 31. 12. 2019 einer gesonderten Beschlussfassung vor (Spruchpunkt 3).
[2] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter gegen Spruchpunkt 3 zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs insoweit für nicht zulässig. Im Umfang der Verpflichtung der Mutter zur Leistung von Unterhalt (Spruchpunkt 1) hob es den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Einen Ausspruch über die (Un‑)Zulässigkeit des Revisionsrekurses traf es insoweit nicht. Über Zulassungsvorstellung der Mutter ließ es allerdings in weiterer Folge den Revisionsrekurs nachträglich zu (Beschluss vom 23. 6. 2021); zur Frage, ob eine Kaufkraftdifferenz von 8,5 % die Bildung eines Mischunterhalts rechtfertige, liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Revisionsrekurs der Mutter ist nicht zulässig.
[4] 1. Vorauszuschicken ist, dass sich das Rechtsmittel der Mutter nicht gegen die Zurückweisung ihres Rekurses gegen Spruchpunkt 3 (Vorbehalt der Entscheidung über den Unterhaltsanspruch für den Zeitraum 1. 12. 2017 bis 31. 12. 2019), sondern ausschließlich gegen den Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts richtet.
[5] 2.1. Nach § 64 Abs 1 AußStrG ist ein Beschluss, mit dem das Rekursgericht einen Beschluss des Gerichts erster Instanz aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig ist.
[6] 2.2. § 64 Abs 1 AußStrG gilt nur für „echte“ Aufhebungsbeschlüsse (RS0111919 [T3]; vgl RS0007218 [T1]). Ein echter Aufhebungsbeschluss liegt vor, wenn eine bestimmte Frage, über die eine selbstständige Entscheidung zu ergehen hat, vom Gericht zweiter Instanz noch nicht abschließend erledigt wird, sondern hierüber eine neuerliche Entscheidung des Erstgerichts ergehen soll (RS0044037 [T15]; vgl RS0044033 [T3]). Hingegen liegt eine in Wahrheit abändernde Entscheidung des Rekursgerichts vor, wenn in der Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses zugleich auch die abschließende Entscheidung über die Unzulässigkeit oder die Unrichtigkeit der Entscheidung der ersten Instanz oder über eine in dieser Entscheidung aufgeworfene und für diese Entscheidung ausschlaggebende Frage liegt, sodass über den bisherigen Entscheidungsgegenstand nicht mehr abzusprechen ist, weil dies inhaltlich bereits durch den Beschluss des Rekursgerichts geschah (RS0044035; RS0007218). Dies trifft etwa auf Beschlüsse zu, mit denen ein Antrag oder ein Rechtsmittel aus formellen Gründen, beispielsweise wegen des Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen, zurückgewiesen (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 64 Rz 4) oder ein solcher Zurückweisungsbeschluss aufgehoben wurde (Rechberger/ Klicka in Rechberger/Klicka, AußStrG³ § 64 Rz 2).
[7] 2.3. Im vorliegenden Fall liegt (im Anfechtungsumfang) ein „echter“ Aufhebungsbeschluss vor, weil das Rekursgericht keine abschließende Entscheidung über den Unterhaltsanspruch des Kindes ab dem 1. 1. 2020 traf, sondern dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung darüber nach Verfahrensergänzung auftrug.
[8] 2.4. Da es den Revisionsrekurs in der angefochtenen Entscheidung nicht nach § 64 Abs 1 AußStrG für zulässig erklärte, ist eine Anfechtung dieses Aufhebungsbeschlusses – unabhängig vom Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (vgl 5 Ob 147/08s) – unzulässig. Soweit sich die Mutter gegen die Begründung des Aufhebungsbeschlusses wendet, ist darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof, wenn er in einem späteren Verfahrensabschnitt zulässigerweise angerufen werden sollte, den Sachverhalt unbeschadet der vom Rekursgericht geäußerten und für das Erstgericht bindenden Rechtsansicht rechtlich beurteilen kann (3 Ob 199/12d).
[9] 2.4. Nach § 64 Abs 2 AußStrG ist § 63 AußStrG nicht anzuwenden. Ein Antrag auf nachträgliche Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof ist demnach nicht zulässig (3 Ob 106/07w; 2 Ob 140/08i). Aufhebungsbeschlüsse des Rekursgerichts, die keinen Zulässigkeitsausspruch enthalten, sind vielmehr absolut unanfechtbar (RS0109580). Daher vermag auch eine – entgegen § 64 Abs 2 AußStrG erfolgte – nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht nichts an der Unanfechtbarkeit des Aufhebungsbeschlusses zu ändern (6 Ob 34/12m; 1 Ob 20/18z).
[10] 3. Da die Rechtsmittelbeantwortung auf die absolute Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hinwies, ist sie als unzulässig zurückzuweisen (1 Ob 101/20i).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)