European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0240DS00003.21G.1130.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * im zweiten Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang vgl 24 Ds 4/19a) erneut der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat er dadurch gegen § 9 Abs 1 und § 11 Abs 1 RAO verstoßen, dass er den Auftrag zur Löschung der in EZ *, KG * G*, BG *, auf * Anteilen (B-LNR *) je zugunsten der R* AG einverleibten Höchstbetragspfandrechte in Höhe von 25.000 Euro und 100.000 Euro, der ihm von * R* B* und I* B* vor dem (gemeint; vgl ES 8) 3. November 2014 erteilt worden war, erst im Oktober 2017 durchführte, obwohl das Honorar hierfür bereits am 10. November 2014 beglichen worden war.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der dagegen erhobenen Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) kommt keine Berechtigung zu.
[4] Die als – zufolge gegenteiliger Verfahrensergebnisse – „aktenwidrig“ (Z 5 fünfter Fall; vgl aber RIS‑Justiz RS0099547) bezeichnete Feststellung, * sei vom Ehepaar B* auch mit der Errichtung des Kaufvertrags betreffend die Liegenschaft EZ * KG * G* beauftragt worden (ES 7), ist weder für die Lösung der Schuld- noch der Subsumtionsfrage entscheidend und solcherart kein Gegenstand der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0117499). Gleiches gilt für die kritisierte Urteilspassage, nach der der Disziplinarrat nicht feststellen konnte, ob dem Mandatsverhältnis zwischen dem Beschuldigten und den Ehegatten B* „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ zugrunde gelegt worden waren (ES 10). Dass er grundsätzlich auch auf Basis mündlich erteilter Aufträge tätig werde, hat der Disziplinarbeschuldigte im Übrigen selbst eingeräumt (OZ 30 S 11).
[5] Seine Überzeugung, dass * R* B* dem Disziplinarbeschuldigten zwischen der Unterfertigung des eben angeführten Kaufvertrags (am 16. September 2014; OZ 9 DV 3) und dem 3. November 2014 in eigenem Namen und dem seiner Ehefrau mündlich den Auftrag erteilte, (unter anderem auch) die Löschung der zugunsten der R* AG auf der Liegenschaft EZ * KG * G* intabulierten Pfandrechte zu veranlassen (ES 8), hat der Disziplinarrat aus einer Reihe von Verfahrensergebnissen abgeleitet. Er stützte sich dabei insbesondere auf die Aussage des Disziplinarbeschuldigten zum Inhalt eines in diesem Zeitraum zwischen ihm und * R* B* geführten Telefonats (OZ 30 S 2 f), das Schreiben des Disziplinarbeschuldigten an den Genannten vom 3. November 2014 (OZ 8 DV 4), weiters die mehrfachen – just (auch) auf Veranlassung der entsprechenden Löschung gerichteten – Urgenzen des * B* beim Disziplinarbeschuldigten sowie auf den Umstand, dass * (auch) die bezughabende Löschungsquittung erhalten hatte. Letztere Annahme wurde wiederum mit den Angaben der Zeugin * (OZ 30 S 11 ff), dem Schreiben der R* AG vom 14. Oktober 2014 (OZ 8 DV 2) und der Verwendung genau jener Löschungserklärung bei Einbringung des entsprechenden Grundbuchsgesuchs durch den Disziplinarbeschuldigten im Oktober 2017 begründet (ES 12 ff).
[6] Dass diese Erwägungen den Gesetzen logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen (RIS‑Justiz RS0099413), vermag die Berufung (der Sache nach Z 5 vierter Fall) nicht aufzuzeigen.
[7] Entgegen ihrem weiteren – sinngemäß erhobenen – Vorwurf von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) blieben in der angefochtenen Entscheidung weder die leugnende Verantwortung des Berufungswerbers noch die (nunmehr) entlastenden Depositionen des Zeugen * R* B* in der Disziplinarverhandlung am 11. Februar 2020 (OZ 30 S 15 ff) unberücksichtigt. Vielmehr hat der Disziplinarrat – dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) entsprechend – unmissverständlich dargelegt, aus welchen Gründen er diesen nicht zu folgen vermochte (vgl insbesondere ES 10 f und 14 f). Zu einer darüber hinausgehenden Erörterung sämtlicher Details der Aussagen bestand unter dem Aspekt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes keine Veranlassung (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428). Ebensowenig musste sich der Disziplinarrat gesondert mit den – den kritisierten Sachverhaltsannahmen nicht zuwider laufenden – Angaben der Zeugin I* B* auseinandersetzen, welche bloß konkrete Erinnerungen an den Inhalt bezughabender Gespräche verneinte und ausführte, dass sämtliche Verhandlungen in diesem Zusammenhang von ihrem Ehemann * R* B* geführt wurden (OZ 30 S 18 f). Die – von der Beschwerde substratlos bestrittene – Ermächtigung ihres Ehegatten (auch) mit der Auftragserteilung hinsichtlich der inkriminierten Löschung hat die Genannte damit übrigens – ebenso wie der Zeuge * R* B* – bestätigt (OZ 30 S 17 ff).
[8] Inwieferne ein Schreiben des Rechtsanwalts * aus dem Jahr 2016, in welchem nur die Löschung eines weiteren (nicht unmittelbar mit dem Kaufvertrag in Zusammenhang stehenden) Pfandrechts urgiert wurde, das verfahrensgegenständliche Pfandrecht aber keine Erwähnung fand, den Feststellungen erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte, ist – schon mit Blick auf die selbst verfassten Urgenzen des * B* (OZ 8) – nicht erkennbar und wird auch von der Berufung nicht erklärt.
[9] Indem die Berufung wegen Schuld aus den im angefochtenen Erkenntnis erörterten Aussagen und Urkunden eigene, für den Berufungswerber günstigere Schlüsse zieht und jene des Disziplinarrats sinngemäß als nicht überzeugend kritisiert, vermag sie ebensowenig Bedenken gegen die Richtigkeit der – auf der dargestellten schlüssigen, lebensnahen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung basierenden – entscheidenden Sachverhaltsannahmen des erkennenden Senats zu wecken, wie mit dem mehrfachen Hinweis auf den Zweifelsgrundsatz „in dubio pro reo“. Der– das Wesen einer kassatorischen Berufungsentscheidung verkennende – Vorwurf, der Disziplinarrat habe mit Blick auf das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 2. September 2019, AZ 24 Ds 4/19a, „eine nicht nachvollziehbare und durch nichts gerechtfertigte Beharrungsentscheidung getroffen“, entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung.
[10] Der Disziplinarrat hat – von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) prozessordnungswidrig übergangen (RIS‑Justiz RS0099810) – festgestellt, dass * B* den Disziplinarbeschuldigten zwischen 16. September 2014 und 3. November 2014 sowohl in eigenem Namen als auch dem seiner Ehefrau mit der Veranlassung der hier relevanten Pfandrechtslöschung im Grundbuch beauftragte (vgl erneut ES 8). Aus welchem Grund eine nähere Konkretisierung in zeitlicher Hinsicht oder weitere Feststellungen zu einer diesbezüglichen Ermächtigung des * B* durch I* B* für die Lösung der Schuld‑ oder der Subsumtionsfrage erforderlich sein sollten, legt die Berufung nicht dar (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565).
[11] Gleiches gilt für die Forderung nach einer Konstatierung des Inhalts, dass „* B* kein Schaden entstanden“ sei und dieser „sogar die 'Anzeige' explizit zurückgezogen“ habe.
[12] Soweit die Berufung erneut die Richtigkeit der Feststellungen des Disziplinarrats bestreitet und auf Basis eigener Beweiswürdigung die „Ersatzfeststellung“ begehrt, der Disziplinarbeschuldigte habe sich „unverzüglich nach Kenntnis … über die von * B* noch gewünschte Pfandrechtslöschung … um den Erhalt der notwendigen Löschungsquittung bemüht und die Löschung unverzüglich grundbücherlich durchgeführt“, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810; vgl auch RS0115902; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 593).
[13] Abschließend kritisiert der Berufungswerber die Unterstellung der Tat (auch) unter § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt mangels hinreichender Publizität als rechtsfehlerhaft (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes setzt in der Tat voraus, dass das Fehlverhalten eine gewisse Publizitätswirkung entfaltet hat (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO10 § 1 DSt Rz 12). Nach der Rechtsprechung ist das der Fall, wenn entweder die Tat einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangte oder wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend war, dass selbst mit einer auf wenige Personen beschränkten Kenntnis die Gefahr der Beeinträchtigung verbunden ist (RIS‑Justiz RS0055086, RS0054927, RS0054876).
[14] Die dem Disziplinarbeschuldigten vorgeworfene, insgesamt fast drei Jahre dauernde Untätigkeit stellt – dem (den Nichteintritt eines Schadens [vgl aber RIS‑Justiz RS0091022] und die Zurückziehung der Anzeige durch * B* ins Treffen führenden) Vorbringen des Berufungswerbers zuwider – sehr wohl ein schwerwiegendes Fehlverhalten dar, sodass bereits die auf zumindest einige Personen beschränkte Kenntnis (vgl dazu die entsprechenden [im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen] Konstatierungen auf ES 16 f) die Gefahr einer Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes mit sich brachte.
[15] Der Berufung wegen Schuld war daher ein Erfolg zu versagen.
[16] Ebensowenig kommt der gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufung Berechtigung zu.
[17] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten unter (rechtsrichtiger; § 16 Abs 5 DSt; §§ 31, 40 StGB) Bedachtnahmeauf die Erkenntnisse des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 2. Juli 2018, AZ D 24/17 (Geldbuße 1.000 Euro) und vom 10. April 2019, AZ (richtig:) D 5/17 (Zusatzstrafe Geldbuße 3.000 Euro), nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 850 Euro als Zusatzstrafe und wertete zutreffend das Zusammentreffen von Disziplinarvergehen und den Deliktszeitraum von drei Jahren als erschwerend, als mildernd dagegen den bislang ordentlichen Lebenswandel des Disziplinarbeschuldigten sowie die lange Verfahrensdauer.
[18] Der Berufung zuwider ist bei Disziplinarvergehen, deren Vollendung einen Schadenseintritt nicht erfordert (hier §§ 9 und 11 RAO), der Umstand, dass die Tat keine Folgen nach sich gezogen hat, nicht mildernd (RIS‑Justiz RS0091022). Dass „kein Schaden verursacht worden ist“ und * B* „seine Anzeige sogar explizit zurückgezogen“ habe, schlägt daher nicht zu Gunsten des Beschuldigten aus.
[19] Die lange Verfahrensdauer wurde vom Disziplinarrat ohnehin (unter Berücksichtigung der Bedachtnahmeverurteilungen bereits zum dritten Mal) angemessen berücksichtigt, eine in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene „Einschränkung“ des Milderungsgrundes ist aus dem bloßen Hinweis auf eine mögliche Ursache (die COVID‑19‑Pandemie; ES 17) nicht abzuleiten.
[20] Soweit die (Straf‑)Berufung erneut die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Beschuldigten nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt in Zweifel zieht, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht am Schuldspruch (§ 295 Abs 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt; vgl Ratz, WK-StPO § 295 Rz 15).
[21] Die Wertung des etwa dreijährigen Deliktszeitraums als erschwerend verstößt – entgegen dem Berufungsstandpunkt – nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 33 Abs 2 StGB), weil eine so eklatante Verzögerung keineswegs „im Tatbestandsmerkmal … verspäteter Auftragsdurchführung ... enthalten ist“.
[22] Dem zutreffend angenommenen Erschwerungsgrund des Zusammentreffens von Disziplinarvergehen kommt insoweit erhöhtes Gewicht zu, als unter Berücksichtigung der Bedachtnahmeverurteilungen nicht bloß zwei, sondern insgesamt sechs Vergehen zusammentreffen.
[23] Ausgehend davon kommen mit Blick auf Tatunrecht, Täterschuld und Präventionserwägungen weder ein Absehen von einer Zusatzstrafe noch ein bloßer Verweis in Betracht. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der angeführten Strafbemessungsgründe die verhängte Zusatzstrafe von 850 Euro angemessen.
[24] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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