European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0280DS00004.21H.1110.000
Spruch:
Aus Anlass der zurückgezogenen Berufung wird das angefochtene Erkenntnis – das im Übrigen unberührt bleibt – in der Subsumtion zu 2./ auch dem Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt ersatzlos sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Für die verbleibenden Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (Schuldspruch 1./) und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt (Schuldspruch 2./) wird über den Disziplinarbeschuldigten unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Juni 2020, AZ D 23/19, vom 15. Juni 2020, AZ D 24/19, und vom 25. Mai 2019, AZ D 31/19, eine Zusatzgeldbuße in Höhe von 2.000 Euro verhängt.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (1./ und 2./) sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt (2./) schuldig erkannt, weil er
1./ „seiner Verpflichtung, die ihm von der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich am 22. Mai 2019 und 27. Juni 2019 aufgetragenen Äußerungen abzugeben, nicht nachgekommen ist“, sowie
2./ den Betrag von 30.102,90 Euro erst am 12. November 2019 – sohin erst nach entsprechender Klagseinbringung am 9. April 2019 – an die K***** AG bezahlt hat, obwohl dieser Betrag jedenfalls seit 17. September 2018 zur Zahlung fällig gewesen war.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die gegen diesen Schuldspruch erhobene Berufung des Disziplinarbeschuldigten hat dieser vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
[3] Aus
deren Anlass war jedoch von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO, § 77 Abs 3 DSt; vgl RIS‑Justiz RS0100246), dass die Unterstellung der zu 2./ angeführten Tat auch dem Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt rechtlich verfehlt ist (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Denn eine Berufspflichtenverletzung setzt voraus, dass der Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs, nicht aber in eigener Sache gehandelt hat (RIS‑Justiz RS0054900; RS0054951; RS0118449; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 1 DSt Rz 9). Im Rahmen der seinen eigenen Bereich betreffenden Zahlungspflichten kann er daher eine Berufspflichtenverletzung nicht begehen (RIS‑Justiz RS0054936). Demgemäß wird durch die verspätete Kreditrückzahlung im Zusammenhang mit der Vermietung von Immobilien durch die H***** KG, deren Komplementär der Disziplinarbeschuldigte ist, lediglich das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes, nicht aber jenes der Verletzung von Berufspflichten verwirklicht. Das Erkenntnis war daher in der letztgenannten rechtlichen Beurteilung ersatzlos zu kassieren.
[4] Bei der damit erforderlichen Strafneubemessung war zu berücksichtigen, dass jeweils mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom heutigen Tag zu 28 Ds 9/20t und 28 Ds 10/20i Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Juni 2020, GZ D 24/19‑19, und vom 25. Mai 2020, GZ D 31/18‑17, rechtskräftig wurden, die gemäß § 16 Abs 5 DSt iVm § 31 Abs 1 StGB auf ein rechtskräftiges Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Juni 2020, AZ D 23/19, (Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung; Geldbuße 1.000 Euro) Bedacht nahmen. Zu 28 Ds 10/20i wiederum wurde auch auf das eben zuvor zu 28 Ds 9/20t in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis GZ D 24/19‑19 vom 15. Juni 2020 Bedacht genommen. Jeweils wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes wurde zu 28 Ds 9/20t eine Zusatzgeldbuße von 2.000 Euro verhängt, zu 28 Ds 10/20i wurde von der Verhängung einer Zusatzgeldbuße abgesehen.
[5] Mit Blick auf die diesen nunmehr allesamt rechtskräftigen Schuldsprüchen zu Grunde liegenden Tatzeiten war auf die genannten drei Erkenntnisse (und zwar auch das 28 Ds 10/20i zu Grunde liegende [vgl Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 31 Rz 16a; 10 Os 133/80]) gemäß § 16 Abs 5 zweiter Satz DSt iVm § 31 StGB Bedacht zu nehmen (vgl Ratz in WK2 § 31 Rz 5 f; Fabrizy, StGB12 § 31 Rz 11).
[6] All diesen Schuldsprüchen lag der Vorwurf zu Grunde, Äußerungen zu Aufforderungsschreiben des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich nicht erstattet zu haben. Darüber hinaus wurde ***** zu AZ D 24/19 (28 Ds 9/20t) schuldig erkannt, als Errichter eines Kaufvertrags nach Selbstberechnung die Grunderwerbsteuer in Höhe von 2.800 Euro nicht an das zuständige Finanzamt abgeführt, der Verkäuferin den dadurch entstandenen Vermögensschaden erst verspätet ersetzt und ihr erst rund nach einem halben Jahr eine Verfügungsermächtigung über das daraus resultierende Steuerguthaben zur Verfügung gestellt zu haben. Der Verurteilung zu AZ D 23/19 (28 Ds 10/20i) lag weiters zu Grunde, dass der Disziplinarbeschuldigte eine Verbindlichkeit in Höhe von 347,77 Euro sA erst knapp ein Jahr nach Fälligkeit beglichen hat.
[7] Angesichts des hier in Rede stehenden demgegenüber schwer ins Gewicht fallenden Verstoßes gegen § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt, der als erschwerend zu wertenden einschlägigen Vorstrafe und der Mehrzahl von Disziplinarvergehen sowohl der Berufspflichtenverletzung als auch der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes sowie der als mildernd zu berücksichtigenden teilweise geständigen Verantwortung und Schadensgutmachung ist eine Zusatzgeldbuße in der Höhe von 2.000 Euro als dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Beschuldigten angemessen anzusehen.
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