European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0280DS00009.20T.1110.000
Spruch:
Aus Anlass der zurückgezogenen Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird das Disziplinarerkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Der Disziplinarbeschuldigte wird für die ihm zur Last liegenden Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Juni 2020, AZ D 23/19, zu einer Zusatzgeldbuße von 2.000 Euro verurteilt.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung (1./ bis 4./) und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (1./ bis 3./) dadurch begangen zu haben, dass er
1./ als Errichter des zwischen der G***** KG als Käuferin und der A***** GmbH als Verkäuferin abgeschlossenen Kaufvertrags hinsichtlich der 154/1000 Anteile an der Liegenschaft EZ *****, mit denen Wohnungseigentum an der „Raumeinheit II“ verbunden ist, sowie als alleiniger unbeschränkt haftender Gesellschafter der Käuferin nach Durchführung der Selbstberechnung die Grunderwerbsteuer in Höhe von 2.800 Euro nicht an das zuständige Finanzamt abführte, sodass die Verkäuferin mit Bescheid vom 23. Jänner 2019 zu deren Entrichtung verpflichtet wurde;
2./ und 3./ der Verkäuferin den dadurch entstandenen Vermögensnachteil verspätet ersetzte, indem er nach der am 28. Februar 2019 erfolgten Entrichtung der Steuerschuld durch die Verkäuferin am 7. März 2019 den genannten Betrag an das Finanzamt überwies und der Verkäuferin erst am 24. Oktober 2019 eine Verfügungsermächtigung über das daraus resultierende Steuerguthaben zur Verfügung stellte;
4./ die Aufforderungen (§ 23 Abs 2 RAO) des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 12. Februar 2019, vom 15. März 2019 und vom 15. April 2019, sich zur Bezug habenden Beschwerde der Verkäuferin zu äußern, missachtete.
[2] Über den Disziplinarbeschuldigten wurde die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von 3.000 Euro verhängt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung wegen Schuld und Strafe des Disziplinarbeschuldigten, die dieser mit Schriftsatz vom 10. November 2021 (eingelangt beim Obersten Gerichtshof um 10:47 Uhr) zurückzog.
[4] Aus Anlass der ergriffenen Berufung (RIS‑Justiz RS0100246) hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt davon überzeugt, dass der Strafausspruch mit ungerügt gebliebener und sich zum Nachteil des Beschuldigten auswirkender materieller Nichtigkeit (Z 11 erster Fall; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 671) behaftet ist:
[5] Aus dem beigeschafften Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Juni 2020, AZ D 23/19, ergibt sich nämlich, dass der Disziplinarbeschuldigte des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung schuldig erkannt wurde, weil er die Schreiben des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich an ihn, zuletzt vom 1. April 2019, mit welchem er letztmalig aufgefordert wurde, binnen acht Tagen die abverlangte Äußerung zu dem ihm zur Last gelegten Disziplinarvergehen zu erstatten, unbeachtet gelassen hat. Dieses Erkenntnis ist seit 16. Oktober 2020 rechtskräftig.
[6] Da die hier abgeurteilte Tat vor dieser Verurteilung gesetzt wurde, liegen die Voraussetzungen des § 31 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt vor. Auf diese, eine Geldbuße von 1.000 Euro festsetzende Vorstrafe war daher Bedacht zu nehmen (vgl Ratz in WK² § 31 Rz 3; RIS‑Justiz RS0090964, RS0090926).
[7] Den im angefochtenen Erkenntnis angeführten Milderungsgründen der teilweise geständigen Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten und der Wiedergutmachung des ohnedies nur geringen Vermögensschadens stehen jedoch entgegen der Annahme des Disziplinarrats sehr wohl Erschwerungsgründe gegenüber, nämlich eine einschlägige Vorverurteilung und – auch unter Berücksichtigung des Vorerkenntnisses – die Begehung einer Mehrzahl von Vergehen und deren Bewertung sowohl als Berufspflichtenverletzung als auch als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes, sodass eine tat- und schuldangemessene, den Einkommens- und Sorgepflichten des Beschuldigten entsprechende Zusatzgeldbuße von 2.500 Euro zu verhängen wäre. Die nicht von ihm zu vertretende unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (Art 6 Abs 1 MRK, vgl § 34 Abs 2 StGB) war jedoch durch (weitere) Strafreduktion um 500 Euro auszugleichen, woraus die im Spruch genannte Sanktion resultiert.
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