European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133549
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die unverheirateten Eltern der Minderjährigen trennten sich bereits vor ihrer Geburt. Die inzwischen vierjährige Minderjährige lebte von Beginn an bei ihrer allein obsorgeberechtigten Mutter.
[2] Beide Eltern haben eine schwierige Kindheit und Jugend hinter sich, die in psychischen Belastungen nachwirkt. Beide arbeiten mit verschiedenen Hilfsangeboten an ihren eigenen Defiziten, um ihrer Tochter das bestmögliche familiäre Umfeld bieten zu können.
[3] Der Vater war seit Geburt sehr fordernd hinsichtlich der Anzahl und des Ablaufs der Kontakte, sodass sich die Mutter an das Pflegschaftsgericht wandte. Mit dessen Hilfe konnten die Eltern die Kontaktregelung zunächst in Form eines Vergleichs selbst gestalten, wobei sie den Empfehlungen der Familiengerichtshilfe folgten. Sie weiteten das Kontaktrecht des Vaters mehrfach einvernehmlich aus, zuletzt hatte der Vater an einem Nachmittag pro Woche für fünf Stunden und alle 14 Tage zusätzlich einen Wochenendtag mit zehn Stunden Kontakt zur Minderjährigen.
[4] Die Vater‑Tochter‑Beziehung ist sehr gut, das Verhältnis der Eltern zueinander jedoch vor allem zuletzt wieder stark angespannt. Der Vater tritt der Mutter gegenüber kontrollierend und belehrend auf, während er eigene Defizite bei der Erziehung nur eingeschränkt einsieht. Nachdem er mit – letztlich nicht bestätigten – Misshandlungsmeldungen gegen die Mutter zwei Polizeieinsätze ausgelöst hatte (ON 50), die die Minderjährige sehr belasteten, beantragte die Mutter der inzwischen fast Dreijährigen deshalb die Aussetzung der Kontakte zum Vater.
[5] Der Vater beantragte seinerseit zwei Monate später die Durchsetzung seines Kontaktrechts und dessen Ausdehnung auf zwei ganze Tage in der Woche.
[6] Das Erstgericht räumte dem Vater ein Kontaktrecht im Ausmaß von fünf Stunden pro Woche ein, wies die Anträge des Vaters auf Durchsetzung und der Mutter auf vollständige Aussetzung der Kontakte ab und trug beiden Eltern den weiteren Besuch einer Elternberatung sowie dem Vater den weiteren Besuch der Erziehungsberatung auf. Das angespannte Verhältnis sei zum Großteil, aber nicht nur auf das Verhalten des Vaters zurückzuführen und belaste die Minderjährige. Kontakte im vom Vater beantragten Ausmaß entsprächen daher derzeit nicht dem Wohl der Minderjährigen. Die von der Mutter beantragte gänzliche Aussetzung des Kontaktrechts sei jedoch auch nicht indiziert, weil die an sich gute Beziehung zwischen Vater und Tochter aufrechterhalten werden solle und der Vater bereits eine Erziehungsberatung begonnen habe.
[7] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung mit der Maßgabe, dass der Durchsetzungsantrag des Vaters zurückzuweisen sei. Das Erstgericht habe dem Vater das Kontaktrecht in einem Umfang eingeräumt, der das für Kindergartenkinder übliche Maß jedenfalls nicht unterschreite (ON 68).
[8] Der Vater strebt mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs die Einräumung eines Kontaktrechts von 20 Stunden die Woche an. Er zeigt jedoch keine erheblichen Rechtsfragen auf.
Rechtliche Beurteilung
[9] 1. Der Vater meint, dass die Entscheidung der Vorinstanzen von der einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweiche, die eine Kontaktbeschränkung nur bei besonders schwerwiegenden Gründen und Gefährdung des Kindeswohls zulasse.
[10] Die vom Kläger zitierten Entscheidungen beziehen sich jedoch nicht auf eine Einschränkung, sondern auf die gänzliche Unterbindung des Kontakts, die nach der Rechtsprechung nur wegen besonders schwerwiegender Gründe erfolgen darf (RIS‑Justiz RS0047955).
[11] Inwieweit ein einmal eingeräumtes Kontaktrecht beschränkt werden soll, hat das Pflegschaftsgericht dagegen nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände im Einzelfall zu entscheiden (RS0097114; vgl auch RS0047958[T1], RS0087024[T9], RS0048060; RS0115719[T15]; RS0007101[T20]). Oberstes Prinzip dabei ist immer das Wohl des Kindes (RS0047958; RS0087024), sodass im Konfliktfall das Interesse eines Elternteils gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzutreten hat (RS0048062).
[12] Im Allgemeinen sind nach der Rechtsprechung bei Kindern im Kindergartenalter häufigere, jedoch kürzere Kontakte zu bevorzugen, wobei zur Vermeidung einer Entfremdung in der Regel zwei Besuche pro Monat als erforderlich angesehen werden (vgl RS0047735[T11]; 6 Ob 108/05h;2 Ob 71/10w;6 Ob 182/16g). Die von den Vorinstanzen festgelegten wöchentlichen Kontakte des Vaters im Ausmaß von je fünf Stunden entsprechen dieser Judikaturzum alters- und bedürfnisentsprechenden Kontaktrecht.
[13] 2. Soweit der Vater argumentiert, dass eine Gefährdung des Kindeswohls nicht erwiesen sei, entfernt er sich unzulässigerweise von den Feststellungen (RS0043603). Seine Zusammenfassung des Sachverhalts betont punktuell die für ihn günstigen Feststellungen, wie jene des sehr guten Vater‑Tochter‑Verhältnisses; dagegen blendet der Vater für ihn ungünstige Teile aus: Etwa dass nicht nur Spannungen zwischen den Eltern bestehen, sondern dass das kontrollierende und belehrende Verhalten des Vaters von der Mutter schon als „Psychoterror“ empfunden werde und sich inzwischen auch belastend auf die Minderjährige auswirke oder dass dem Vater die Einsicht für die eigenen, teils erheblichen Erziehungsdefizite (etwa im Bereich der Strukturgebung, Grenzsetzung und Lenkung) fehle.
[14] Eine korrekturbedürftige Rechtsansicht der Vorinstanzen kann so nicht aufgezeigt werden.
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