OGH 10ObS156/21w

OGH10ObS156/21w19.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Christoph Arnold, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. August 2021, GZ 25 Rs 26/21 s‑18, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:010OBS00156.21W.1019.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Eine pensionsberechtigte Person darf grundsätzlich auf Ansprüche mit Einkommenscharakter verzichten. Ein solcher Verzicht ist jedoch bei der Feststellung der Ausgleichszulage dann unbeachtlich, wenn er offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen (RIS‑Justiz RS0038599; RS0085238 [T7]; 10 ObS 56/20p; 10 ObS 65/21p), indem die Leistungslast vom Schuldner auf die öffentliche Hand abgewälzt werden soll (10 ObS 429/02i SSV‑NF 17/60; RS0038599 [T7]; 10 ObS 65/21p). Ein Rechtsmissbrauch liegt in diesem Zusammenhang bereits dann vor, wenn das unlautere Motiv des Verzichts die lauteren Motive eindeutig überwiegt (RS0038599 [T1]). Nur wenn der Verzicht auf die Geltendmachung von vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüchen in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung durch den dazu Verpflichteten begründet ist, ist er für den Anspruch auf Ausgleichszulage beachtlich (RS0085238). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein Ausgleichszulagenwerber ohne (ausdrücklichen) Verzicht die Geltendmachung gesetzlicher oder vertraglicher Ansprüche unterlässt (RS0038599 [T4, T5]; 10 ObS 56/20p).

[2] 1.2. Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage (RS0110900; RS0038599 [T11]).

[3] 2.1. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zur Unwirksamkeit eines Unterhaltsverzichts im Fall geänderter Verhältnisse sowie die Berechnung seines Unterhaltsanspruchs zieht der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht in Zweifel. Er stellt vielmehr auf das Motiv für den anlässlich der Trennung im Jahr 2010 mündlich wechselseitig vereinbarten Unterhaltsverzicht ab. Die Ehegatten wünschten danach keine rechtliche Auseinandersetzung, sondern ein gütliches Auseinandergehen vor allem im Hinblick auf die beiden gemeinsamen 1988 und 1990 geborenen Kinder. Dieser Hintergrund schließt nach Meinung des Klägers einen – vom Versicherungsträger zu beweisenden – rechtsmissbräuchlichen Unterhaltsverzicht aus.

[4] 2.2. Das Berufungsgericht ist jedoch ohnehin davon ausgegangen, dass der ausdrückliche Unterhaltsverzicht zwar im Jahr 2010 aufgrund der Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Klägers gerechtfertigt gewesen sein könnte, aber nunmehr aufgrund geänderter Verhältnisse (Korridorpension des Klägers von etwa 400 EUR netto im Vergleich zum Einkommen seiner Ehefrau von ca 2400 EUR netto) unwirksam sei. Damit wird dem Kläger sein Verhalten, im zeitlichen Konnex mit dem Pensionsantritt im Juni 2020 auf die Geltendmachung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs zu verzichten, als unlauter vorgeworfen, nicht der 2010 erklärte mündliche Verzicht. Dass es der Ehegattin unmöglich oder unzumutbar wäre, den gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Klägers zu erfüllen, behauptet der Revisionswerber nicht.

[5] 3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.

Stichworte