OGH 5Ob151/21y

OGH5Ob151/21y28.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. D*, 2. D*, ebenda, beide vertreten durch die BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin G* KG, *, vertreten durch die Doschek Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 iVm § 6 Abs 2 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Mai 2021, GZ 39 R 88/21m‑13, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 5. März 2021, GZ 5 Msch 16/20g‑9, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133150

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern binnen 14 Tagen deren mit 460,40 EUR (darin 76,73 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Antragsteller sind Hauptmieter einer Wohnung im Haus der Antragsgegnerin. Die Schlichtungsstelle trug der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 14. 8. 2019 aufgrund des Antrags der Antragsteller unter anderem auf, binnen zwei Tagen zur Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der Heizung im Stiegenhaus bzw zur Beseitigung des Mangels die unter Putz vorhandene Heizungsvor‑ und ‑rücklaufleitung im Stiegenhaus auf Dichtheit und Funktion zu prüfen, anschließend drei Heizkörper ordnungsgemäß zu montieren, zu befüllen und zu entlüften und – sollten im Zug der Dichtheitsüberprüfung Schäden bzw Undichtheiten in der Heizungsrohrung auftreten – diese ebenfalls zu beheben.

[2] Unter anderem (weitere aufgetragene Erhaltungsarbeiten sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens) zur Durchführung dieser Erhaltungsarbeiten beantragten die Antragsteller die Zwangsverwaltung der Liegenschaft und Bestellung eines Zwangsverwalters iSd § 6 Abs 2 MRG.

[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Antragsteller hätten außer Streit gestellt, dass Elektroradiatoren montiert worden seien, die Antragsgegnerin habe daher mit der Wiederherstellung einer Heizung im Stiegenhaus bereits begonnen, diese Arbeiten würden in den nächsten Wochen beendet werden.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge und bewilligte die Zwangsverwaltung der Liegenschaft zur Prüfung der unter Putz vorhandenen Heizungsvor‑ und ‑rücklaufleitungen im Stiegenhaus auf Dichtheit und Funktion zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Heizung im Stiegenhaus bzw zur Beseitigung des Mangels und anschließenden ordnungsgemäßen Montage, Befüllung und Entlüftung der drei Heizkörper, sofern im Zug der Dichtheitsüberprüfung Schäden bzw Undichtheiten in der Heizungsrohrung auftreten, auch zur Behebung dieser.

[5] Der in Rechtskraft erwachsene Auftrag zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten nach § 6 Abs 1 MRG sei ein Exekutionstitel, der nach fruchtlosem Ablauf der zur Vornahme der Arbeiten bestimmten Frist jeden Mieter des Hauses als betreibende Partei zum Antrag berechtige, für die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten einen Verwalter zu bestellen. Die Bewilligung setze nur voraus, dass trotz Verstreichens der gesetzten Frist die Durchführung der Arbeiten unterblieben sei und der Antrag im Exekutionstitel Deckung finde. Als solcher müsse der Auftrag – analog § 7 Abs 1 EO – die Art und den Umfang der Erhaltungsarbeit so bestimmt umschreiben, dass er Grundlage für eine Vollstreckung sein könne. Auszulegen sei der Exekutionstitel streng anhand des Wortlauts, der hier eindeutig sei und konkret bezeichnete Arbeiten auftrage und nicht bloß die Erfüllung eines Zwecks wie die „Beheizung des Stiegenhauses“. Sämtliche Einwände gegen die Erhaltungspflicht an sich seien im Vollstreckungsverfahren nicht mehr zu prüfen. Hätte die Antragsgegnerin ihrer Erhaltungspflicht auf andere Weise nachkommen wollen, hätte sie gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle das Gericht anrufen müssen. Der dem Vermieter an sich zukommende Spielraum bei der Durchführung notwendiger Erhaltungsarbeiten verbleibe ihm bei Erlassung eines konkreten Auftrags nicht mehr.

[6] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, Rechtsprechung fehle zu der Frage, ob ein Mieter nach einem Sachbeschluss, mit dem der Vermieter zur Durchführung bestimmter Erhaltungsarbeiten beauftragt wurde, andere den Erhaltungszweck allenfalls erfüllende Maßnahmen als die im Exekutionstitel aufgetragenen Arbeiten zulassen müsse.

[7] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, in dem sie die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt, hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt.

[8] Die Antragsteller beantragen in der Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als verspätet, hilfsweise mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs ist rechtzeitig, allerdings ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig, er kann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

1. Nach gesicherter Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0105702) ist immer dann, wenn das MRG eine besondere Art der Durchsetzung eines Titels vorsieht, nicht die EO, sondern das Verfahren nach § 37 MRG – mit allen sich daraus ergebenden Besonderheiten – anzuwenden. Dies gilt insbesondere für die Bestellung eines (Zwangs‑)Verwalters nach § 6 Abs 2 MRG, sodass die Entscheidung darüber mit Sachbeschluss zu ergehen hat und für die Anfechtung der Abweisung eines Sachantrags gemäß § 37 Abs 3 Z 15 MRG eine (Revisions-)Rekursfrist von vier Wochen zur Verfügung steht. Das Rekursgericht hat daher zutreffend mittels Sachbeschluss entschieden, der der Antragsgegnerin am 16. 6. 2021 zugestellt wurde. Der am 9. 7. 2021 im Elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Revisionsrekurs ist rechtzeitig.

[10] 2. Unterlässt der Vermieter durchzuführende Erhaltungs‑ oder Verbesserungsarbeiten, so hat ihm das Gericht (die Gemeinde, § 39) auf Antrag die Vornahme der Arbeiten binnen angemessener, ein Jahr nicht übersteigender Frist aufzutragen (§ 6 Abs 1 MRG). Der in Rechtskraft erwachsene Auftrag ist ein Exekutionstitel, der nach fruchtlosem Ablauf der zur Vornahme der Arbeiten bestimmten Frist jeden Mieter des Hauses und die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als betreibende Partei zum Antrag berechtigt, zum Zweck der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, der Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals für das Haus einen Verwalter zu bestellen (§ 6 Abs 2 erster Satz MRG). Nach der Rechtsprechung ist hiezu das Gericht anzurufen (RS0069286, RS0126924).

[11] 3. Aus dieser unmissverständlichen Gesetzeslage ergibt sich, dass der Auftrag gemäß § 6 Abs 1 MRG – analog § 7 Abs 1 EO – die Art und den Umfang der Erhaltungsarbeit so bestimmt umschreiben muss, dass er Grundlage für eine Vollstreckung nach § 6 Abs 2 MRG sein kann. Wenn auch an den Antrag des Mieters auf Durchführung dieser Arbeiten in Bezug auf die Bestimmtheit des Begehrens keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind, muss nach der Rechtsprechung des Fachsenats (5 Ob 247/12b) ein Antragsteller nach Vorliegen eines Sachverständigengutachtens gegebenenfalls deshalb zur Präzisierung seines Begehrens angeleitet werden.

[12] 4. Die Zwangsverwaltung gemäß § 6 Abs 2 MRG ist eine Fortsetzung des Titelverfahrens, sodass über die Bewilligung im Titelverfahren zu entscheiden ist (RS0130151), im Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG sind auch allfällige Einstellungsgründe zu prüfen (RS0069303 [T1]). Das Gericht hat sich demnach im kontradiktorischen Verfahren mit der Notwendigkeit der Verwalterbestellung etwa im Hinblick auf bereits begonnene Erhaltungsarbeiten auseinanderzusetzen (5 Ob 74/07d). Anders als bei der Exekutionsbewilligung nach § 7 EO ist vor Bestellung des Verwalters nach § 6 Abs 2 MRG zur Vollstreckung eines Titels nach § 6 Abs 1 MRG zu prüfen, ob die Durchführung der beauftragten Arbeiten tatsächlich unterblieben ist (5 Ob 11/09t; RS0116300). All dies ändert aber nichts daran, dass das Verfahren nur der Durchsetzung des Auftrags nach § 6 Abs 1 MRG dient und der darauf abzielende Antrag daher nicht als selbständiges Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG anzusehen ist (vgl RS0069286). § 6 Abs 2 MRG ist eindeutig zu entnehmen, dass die Bestellung eines Verwalters zur Vollstreckung eines Titels nach § 6 Abs 1 MRG nur voraussetzt, das trotz Verstreichens der gesetzten Frist die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten unterblieben ist und der Antrag im Exekutionstitel Deckung findet. Nur wenn sich herausstellt, dass mit der alsbaldigen Schaffung einer Sachlage zu rechnen ist, bei der die bewilligte Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 3 Z 3 MRG einzustellen sein werde, könnte der Exekutionsantrag ungeachtet der bereits abgelaufenen Leistungsfrist abgewiesen werden (RS0116301).

[13] 5. Umfangreiche Rechtsprechung liegt zur Beurteilung des Umfangs des Gegenstands eines Exekutionstitels vor: Der Spruch ist maßgebend und die Exekution hat sich streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten (vgl RS0000207; RS0000205). Das Gericht ist an den Spruch von Bescheiden gebunden, es hat keine inhaltliche Prüfung stattzufinden (vgl RS0036981). Diese für das Exekutionsverfahren nach der EO entwickelte Rechtsprechung ist grundsätzlich auch im Vollstreckungsverfahren gemäß § 6 Abs 2 MRG anzuwenden, wie der Fachsenat bereits ausgesprochen hat (5 Ob 11/09t; 5 Ob 228/20w). Nur dann, wenn die Auslegung des Spruchs nach dem gewöhnlichen Wortsinn zu keinem Ergebnis führen sollte, wäre auch die der Entscheidung beigegebene Begründung heranzuziehen (RS0000296 [T6]; RS0000300 [T6, T16, T20]). Überlegungen dazu, ob der im Titelverfahren gewährte Leistungsanspruch materiell berechtigt war oder nicht, sind im Exekutionsverfahren hingegen grundsätzlich nicht anzustellen (3 Ob 193/18f).

[14] 6. Die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage ist auf Basis der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 6 MRG im Zusammenhang mit diesen in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen zu beantworten, woran sich ohnedies auch das Rekursgericht orientierte. Eine erhebliche Rechtsfrage ist daher zu verneinen (RS0042656). Der Umstand allein, dass ein exakt vergleichbarer Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurde, reicht für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht aus (RS0102181). Aus der zitierten Rechtsprechung zur Bestimmtheit des Auftrags nach § 6 Abs 1 MRG und des Begehrens des Mieters abzuleiten, dass der Auftrag an den Vermieter zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten die konkreten Maßnahmen umschreiben und die Bestimmtheit eines Exekutionstitels aufweisen muss, ist nicht korrekturbedürftig. Dass der konkrete Inhalt und Umfang der durchzuführenden Erhaltungsarbeiten nur im Titelverfahren zu klären und im Durchsetzungsverfahren nach § 6 Abs 2 MRG nicht neuerlich zu prüfen ist, zeigt der Wortlaut von § 6 Abs 2 MRG. Daraus zu schließen, dass der Vermieter konkrete Einwände gegen Inhalt und Umfang der vom Mieter begehrten Erhaltungsarbeiten im Titelverfahren nach § 6 Abs 1 MRG bei der dafür zuständigen Behörde zu erheben hat, während ihm im Durchsetzungsverfahren nur der Einwand bleibt, die aufgetragenen Arbeiten schon durchgeführt oder zumindest damit bereits begonnen zu haben, sodass mit der baldigen Einstellung der bewilligten Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 3 Z 3 MRG zu rechnen ist, entspricht dem Gesetzeswortlaut und ist nicht zu beanstanden.

[15] 7. Selbst eine – hier nicht festgestellte – Unwirtschaftlichkeit der Sanierungsmaßnahme wäre nach der Judikatur des Fachsenats kein Grund für die Abweisung des Antrags nach § 6 Abs 2 MRG oder Einstellungsgrund nach § 6 Abs 3 MRG (5 Ob 39/21b). Umso weniger kann es dem Vermieter frei stehen, erst im Durchsetzungsverfahren nach § 6 Abs 2 MRG einzuwenden, andere als im Exekutionstitel genannte Erhaltungsarbeiten seien ökonomischer.

[16] 8. Der dem Vermieter im Rahmen seiner Erhaltungspflicht nach § 3 MRG an sich zukommende Ermessensspielraum wird nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Rekursgerichts daher durch den eine konkrete Erhaltungsmaßnahme anordnenden Exekutionstitel iSd § 6 Abs 1 MRG eingeschränkt. Auch die Vollstreckung iSd § 6 Abs 2 MRG hat sich streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten (5 Ob 11/09t). Wie ein singulärer Exekutionstitel aufzufassen ist, ist grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage (RS0000207 [T14]). Wenn das Rekursgericht aus dem festgestellten Wortlaut des Exekutionstitels ableitete, hier seien der Vermieterin – im Gegensatz zu dem in MietSlg 41.204 wiedergegebenen Fall – nicht die Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der Heizung im Stiegenhaus an sich, sondern konkrete Erhaltungsmaßnahmen (Ersatz fehlender Heizkörper) aufgetragen worden, begegnet dies keinen Bedenken.

[17] 9. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

[18] 10. Die Antragsteller haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass es der Billigkeit entspricht, ihnen die tarifgemäß verzeichneten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen (§ 37 Abs 3 Z 17 MRG).

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