European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00068.21S.0914.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde F***** H***** des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 20. April 2020 in W***** sich auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er am Geburtstag Adolf Hitlers auf seinem öffentlich einsehbaren Facebook-Profil „F***** H*****“ ein Foto der „vermeintlichen“ Leibspeise Adolf Hitlers, nämlich von Eiernockerl mit grünem Salat mit dem Kommentar: „Mittagessen heute!, Eiernockerl mit grünem Salat!“ postete.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9 und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach § 3g VerbotsG bejaht.
[5] Die Beschwerde (Z 6) kritisiert, die Formulierung der Hauptfrage sei infolge der Verwendung des Wortes „vermeintlich“ irreführend und in sich widersprüchlich, weil dieses in der Bedeutung von „fälschlich vermutet“ oder (bloß) „scheinbar“ zu verstehen sei. Bei einem solchen Verständnis der Frage handle es sich bei der in Rede stehenden Speise aber gerade nicht um ein Leibgericht des Adolf Hitler, sodass ein entsprechendes Posting an dessen Geburtstag von vornherein keine Verherrlichung oder Glorifizierung des Genannten darstellen könne. Die Fragestellung lasse daher „den Bedeutungsgehalt des inkriminierten Verhaltens“ vermissen.
[6] Dazu sei festgehalten, dass schon die Anklage mit der kritisierten – auch im Anklagetenor gebrauchten – Wendung „vermeintlich“ auf die Überlieferung einer Vorliebe des Adolf Hitler (im Sinn von „angeblich“, „mutmaßlich“, „dem Anschein nach“) Bezug nimmt (ON 5 S 2 f: „Der 20. April ist der Geburtstag von Adolf Hitler. In nationalsozialistischen Kreisen gelten Eiernockerl mit grünem Salat als durchaus bekannte Leibspeise von Adolf Hitler.“). Vor diesem Hintergrund stellt sich das Tatsachensubstrat der Frage im Gesamtkontext gerade nicht im vom Beschwerdeführer behaupteten Sinn dar (vgl 12 Os 21/99).
[7] Unter dem Aspekt des § 312 Abs 1 StPO macht die Beschwerde nicht klar, weshalb die in der Hauptfrage enthaltene Sachverhaltsschilderung zur Abgrenzung der zu beurteilenden Tat von anderen Sachverhalten sowie zur rechtsrichtigen Subsumtion und deren Überprüfbarkeit nicht ausreichen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0119082) und es – unter dem Blickwinkel hinreichender Individualisierung und Konkretisierung – hinsichtlich der nationalsozialistischen Betätigung der Aufnahme weiterer Zusätze in die Hauptfrage bedurft hätte. Der Bedeutungsinhalt eines Verhaltens oder einer Äußerung ist nach ständiger Rechtsprechung eine Tatfrage und als solche – im Rahmen freier Beweiswürdigung – von den Geschworenen zu lösen; allenfalls nötige Klarstellungen sind Sache der Rechtsbelehrung und fallen somit in den Schutzbereich nicht der Z 6, sondern der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO (Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 22; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 31 f; Lässig in WK² VerbotsG § 3g Rz 17; 13 Os 63/18s).
[8] Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 9 StPO liegt vor, wenn die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen – also der Wahrspruch (maW die Feststellungsebene) – undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist, wenn also trotz undeutlicher oder widersprechender Antworten zu entscheidenden Tatsachen den Geschworenen die Verbesserung des solcherart mangelhaften Wahrspruchs nicht aufgetragen wurde oder der Auftrag ohne Erfolg blieb (RIS‑Justiz RS0123182). Der Versuch des Beschwerdeführers, aus der unter Z 6 kritisierten Fragestellung überdies eine Undeutlichkeit und Widersprüchlichkeit im Sinn des § 345 Abs 1 Z 9 StPO abzuleiten, scheitert auch daran, dass sich der herangezogene Nichtigkeitsgrund gerade nicht auf die Fragestellung, sondern auf die Antwort der Geschworenen bezieht (RIS‑Justiz RS0121301).
[9] Der Sache nach zielt das aus Z 6 und Z 9 erstattete Vorbringen auf eine solcherart unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Geschworenen ab.
[10] Weshalb die Rechtsbelehrung aufgrund der (teilweisen) Wiedergabe von Kommentarstellen und der Anführung von Judikaturbeispielen unter dem Gesichtspunkt irreführender Undeutlichkeit unrichtig sein sollte, erklärt die Instruktionsrüge (Z 8) nicht. Indem sie dabei die zutreffenden Ausführungen zur Betätigung im nationalsozialistischen Sinn (S 2 f – „Glorfizierung der Person Adolf Hitlers“, „Gutheißen seiner Lebensaufgabe“; vgl RIS‑Justiz RS0079779) und zur subjektiven Tatseite (S 3 f) vernachlässigt, gelangt sie nicht prozessförmig zur Darstellung.
[11] Soweit der Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, durch die Anführung von Beispielen aus der Rechtsprechung sei es zu einer Beeinflussung der Geschworenen gekommen, wirft er dem Schwurgerichtshof eine verfehlte Instruktion nicht vor, weshalb die Rüge ins Leere geht (RIS‑Justiz RS0116640). Dass die Passage der Rechtsbelehrung über die fehlende Tatbestandsmäßigkeit einer der beispielhaft angeführten Äußerungen unrichtig wäre, wird von der Rüge bloß behauptet, nicht jedoch aus dem Gesetz abgeleitet (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 65; vgl im Übrigen Lässig, in WK² VerbotsG § 3g Rz 6). Inwiefern die verwendeten „Fremdwörter“ und Rechtsbegriffe mit Bezug auf den Empfängerhorizont eines maßgerechten Laienrichters missverständlich und – über die von der Beschwerde ignorierten Belehrungen hinaus – weiter aufzulösen gewesen wären, macht die Rüge nicht klar (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 57, Rz 65).
[12] Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) erachtet den Tatbestand des § 3g VerbotsG nicht erfüllt, zumal „das Posten eines Fotos von Eiernockerln mit grünem Salat per se nicht geeignet ist, eine abstrakte Gefährdungssituation zu schaffen, weil es – entsprechend der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (11 Os 130/93) – keine Glorifizierung Adolf Hitlers beinhaltet“ und das „isolierte Posten eines Fotos seiner ′vermeintlichen′ Leibspeise von seinem Bedeutungsinhalt her – für sich allein betrachtet – absolut ungeeignet [sei], Adolf Hitler zu glorifizieren oder zu verherrlichen“. Dieses Vorbringen orientiert sich nicht an der im Wahrspruch festgestellten Sachverhaltsbasis, wonach der Angeklagte – gerade mit auf Betätigung im nationalsozialistischen Sinn gerichtetem Vorsatz (RIS‑Justiz RS0113270) – das Foto der vermeintlichen Leibspeise Adolf Hitlers an dessen Geburtstag mit dem Kommentar „Mittagessen heute!, Eiernockerl mit grünem Salat!“ postete. Der Nichtigkeitswerber übersieht, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ (einschließlich des Bedeutungsinhalts eines Verhaltens oder einer Äußerung) auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist. Bejahen diese die Schuldfrage, ist davon auszugehen, dass sie eben jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen haben, aufgrund derer das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht. Dessen Bejahung ist daher einer Anfechtung mit Rechtsrüge entzogen (RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK² VerbotsG § 3g Rz 17; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 618).
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit dem Croquis, aber entgegen der dazu erstatteten Äußerung der Verteidigung – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).
[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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