European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00098.21D.0712.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist Miteigentümerin einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an einem Geschäftslokal und an zwei Abstellplätzen. In der Garage der Wohnungseigentumsanlage gibt es fix angeordnete Abstellplätze und Palettenparkplätze. Deren Stellflächen auf einem Trapezblech werden über drei Laufschienen, die im Boden verlaufen, horizontal verschoben, um den Zugang und die Zufahrt zu den fix angeordneten Abstellplätzen zu ermöglichen. Alle Abstellplätze sind parifiziert, die Stellplätze der Beklagten sind Palettenstellflächen.
[2] Die in den 90er‑Jahren errichtete Palettenparkanlage hatte immer wieder Störungen des Verschiebesystems, wodurch die Zu‑ und Abfahrt von den fixen Stellplätzen behindert wurde. Reparaturmaßnahmen führten zu keinem dauerhaften Erfolg. Aus diesem Grund ließ die Hausverwaltung die gesamte Anlage einschließlich der Palettenstellplätze zur Erhaltung der Funktionalität der Garage erneuern. Die Kosten dafür betrugen insgesamt 348.757,96 EUR netto, sohin 418.509,65 EUR brutto. Ein Teil von 57.898,80 EUR brutto entfiel auf die Sanierung der Palettenstellflächen selbst.
[3] Die Klägerin begehrte von der Beklagten ausgehend von Gesamtkosten von 310.000 EUR für die Sanierung des Mechanismus der Palettenparkanlage einerseits – auf Basis eines Verteilungsschlüssels nach den Mindestanteilen der Beklagten für das Geschäftslokal und die beiden Abstellplätze – insgesamt 7.158,90 EUR. Andererseits forderte sie unter dem Titel „Weiterverrechnung“ zweimal 2.144 EUR, insgesamt daher 4.288 EUR für die Sanierung der der Beklagten zugewiesenen Palettenstellflächen selbst, die diese allein zu tragen habe.
[4] Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Die Vorschreibung der Klägerin sei nicht nachvollziehbar und auch im Verfahren nicht schlüssig gestellt worden.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Hinsichtlich der Sondervorschreibung von insgesamt 7.158,90 EUR sei (gerade noch) von einem schlüssigen anspruchsbegründenden Vorbringen auszugehen. Unter Zugrundelegung der Miteigentumsanteile nach Grundbuch sei die Aufteilung der Sondervorschreibung nachvollziehbar und auch fällig gestellt worden. In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung sei der Klage im Ausmaß von 7.158,90 EUR sA stattzugeben. In diesem Umfang ist die Berufungsentscheidung in Rechtskraft erwachsen und nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
[6] Zur Weiterverrechnung von 4.288 EUR für die Sanierung der Palettenstellplatzflächen nahm das Berufungsgericht Bezug auf die Judikatur des Fachsenats (RIS ‑Justiz RS0124530; 5 Ob 177/19v) zur Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft bei Parkwippen. Da die Erneuerung der gesamten Anlage (einschließlich der ihren Bestandteil bildenden Stellplätze) zur Erhaltung der Funktionalität der Garage erforderlich sei und ansonsten eine Nutzung sämtlicher parifizierter Stellplätze nicht mehr möglich wäre, liege ein ernster Schaden des Hauses vor, sodass die Erhaltungspflicht der Allgemeinheit zu bejahen sei. Im Weiteren erörterte das Berufungsgericht ausführlich die – von ihm bezweifelte – Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu Parkwippen auf eine Palettenparkanlage und die seiner Auffassung nach fragliche Wohnungseigentumstauglichkeit eines solchen Verschiebesystems. Letztlich hielt das Berufungsgericht – wie schon das Erstgericht – aber das Vorbringen der Klägerin zur Weiterverrechnung von insgesamt 4.288 EUR für unschlüssig. Diese Forderungen seien weder in den der Beklagten übermittelten Rechnungen noch im Verfahren selbst nachvollziehbar aufgeschlüsselt und fällig gestellt worden. Da es sich nach dem Rechtsstandpunkt der Klägerin dabei nicht um Aufwendungen iSd § 32 WEG 2002 handle, seien auch die berechtigten Einwände der Beklagten gegen den insoweit unrichtig angewendeten Verteilungsschlüssel beachtlich.
[7] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Behandlung einer Palettenparkanlage fehle.
[8] Die von der Klägerin gegen den klageabweisenden Teil erhobene und von der Beklagten beantwortete Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig und zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
[9] 1. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision dann jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert 5.000 EUR nicht übersteigt. Mehrere in der Klage geltend gemachte Forderungen bilden einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen (RS0053096). Davon ist hier auszugehen, besteht doch für die geltend gemachten Forderungen, die alle aus der (einheitlichen) Sanierung der Palettenparkanlage resultieren, jedenfalls ein tatsächlicher Zusammenhang. Abzustellen ist bei der Frage der absoluten Revisionsunzulässigkeit daher auf den gesamten Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, dies unabhängig davon, ob es das erstgerichtliche Urteil bestätigte oder abänderte (RS0042994). Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage würde – so sie vorliegt – im Übrigen auch den gesamten Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts betreffen; aus dem Grund sind die in der Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidungen 6 Ob 1532/86 und 6 Ob 1523/89 hier nicht einschlägig. Die Revision der Klägerin ist ungeachtet des Revisionsinteresses von nur 4.288 EUR nicht absolut unzulässig.
[10] 2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist schon dann mängelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RS0043150). Dies hat das Berufungsgericht getan und die von der Klägerin bekämpfte Feststellung – nach ausführlicher Auseinandersetzung mit ihrer Argumentation in der Beweisrüge – als unbedenklich übernommen. Ob die dazu angestellten Überlegungen richtig sind, fällt in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RS0043371 [T12, T15]).
[11] 3. In ihrer Rechtsrüge will die Revisionswerberin – gestützt auf ein Rechtsgutachten – die zu Parkwippen entwickelten Grundsätze im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts auf Palettenparkanlagen anwenden, sodass ein Schaden, der in räumlicher und funktionaler Hinsicht nur die Stellfläche betreffe, nicht in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft falle. Ein drohender ernster Schaden des Hauses liege nicht vor. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Argumentation ist aus folgenden Gründen entbehrlich:
[12] 4.1 Das Berufungsgericht hat die Bestätigung der Klageabweisung im Ausmaß von 4.288 EUR (auch) damit begründet, zu diesem Begehren fehle es an schlüssigem Prozessvorbringen und mangels nachvollziehbarer Aufschlüsselung seien diese Forderungen – obwohl nach Auffassung des Berufungsgerichts auch materiell unberechtigt – nicht fällig gestellt worden. Es handelt sich dabei um eine selbständig tragfähige Hilfsbegründung, die die Klägerin im Rechtsmittel bekämpfen hätte müssen (vgl RS0118709), zumal sich die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts nicht auf diesen prozessualen Begründungsansatz bezog.
[13] 4.2 Die Revision erschöpft sich darin, die Auffassung des Berufungsgerichts als nicht nachvollziehbar zu bezeichnen, bei der Weiterverrechnung von Kosten der Stellflächen handle es sich weder um eine Vorschreibung von Akontozahlungen, noch um Beiträge zu Rücklagen oder Aufwendungen iSd § 32 WEG 2002. Dies versucht die Revisionswerberin mit dem Zitat ihres Prozessvorbringens in erster Instanz und dem Verweis auf das von ihr vorgelegte Rechtsgutachten zu untermauern, während sie eine Auseinandersetzung mit der ausführlichen rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts zur mangelnden Bindungswirkung der diese beiden Rechnungen betreffenden Vorschreibungen vermissen lässt. Zu der von beiden Vorinstanzen ins Treffen geführten Unschlüssigkeit ihres diesbezüglichen Begehrens enthält die Revision gar keine Ausführungen. Es ist hier daher von einer bloß pauschalen Bekämpfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz ohne Auseinandersetzung mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung und/oder Lehre auszugehen, die den Anforderungen an die Rechtsrüge einer Revision nicht entspricht (vgl RS0043654 [T12]; RS0043605).
[14] 4.3 Davon abgesehen ist die Auffassung nicht korrekturbedürftig, das – wenn auch unschlüssig gebliebene – Vorbringen der Klägerin zu diesen beiden Positionen und deren Bezeichnung als „Weiterverrechnung“ lasse ausreichend erkennen, dass es sich dabei eben gerade nicht um Beiträge zur Rücklage oder andere Aufwendungen auf die Liegenschaft iSd § 32 Abs 1 WEG 2002 handelt. Die Argumentation der Klägerin ging (im Gegenteil) dahin, es handle sich um Kosten der Erhaltung der Palettenstellfläche selbst, die die Beklagte als deren Wohnungseigentümerin zu tragen habe. Auch dass die Klägerin – erstmals in der Revision und daher dem im Revisionsverfahren geltenden Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) widersprechend (RS0042025) – versucht, ihren Anspruch insoweit auf Bereicherungsrecht (§ 1042 ABGB) zu stützen, zeigt deutlich, dass es sich selbst nach ihrer eigenen Auffassung dabei eben nicht um Aufwendungen auf die Liegenschaft iSd § 32 Abs 1 WEG 2002 handelt.
[15] 4.4 Letztlich könnte auch die in der Revision geforderte Bindungswirkung einer Vorschreibung nichts daran ändern, dass nach ständiger Judikatur des Fachsenats (5 Ob 187/12d; 5 Ob 144/15k; 5 Ob 158/16w) der beklagten Wohnungseigentümerin bei ihr vorgeschriebenen Beiträgen zur Rücklage der Einwand zugestanden wird, diese Beiträge seien nicht nach dem gesetzlichen Aufteilungsschlüssel vorgeschrieben worden. Gerade diesen Einwand hat die Beklagte hier zu den im Revisionsverfahren noch strittigen Forderungen erhoben.
[16] 5. Damit war die Revision zurückzuweisen.
[17] 6. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihr gemäß §§ 41, 50 ZPO die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen waren.
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