OGH 5Ob177/19v

OGH5Ob177/19v16.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. R* K*, 2. J* K*, vertreten durch Mag. Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. H* Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Wien, sowie sämtliche übrigen Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm §§ 20 Abs 3, 34 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Juli 2019, GZ 40 R 344/18m‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127590

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. In diesem Verfahren auf Überprüfung der Abrechnung nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm §§ 20 Abs 3, 34 WEG ist – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – strittig, ob der Austausch der Fahrbleche bei den Stapelparkanlagen iSd § 2 Abs 2 WEG zur ordentlichen Verwaltung zählt und die Erstantragsgegnerin als Verwalterin die dafür aufgelaufenen Kosten daher zu Recht in die Jahresabrechnung aufgenommen hat.

2. Bei Stapelparkanlagen iSd § 2 Abs 2 WEG bildet die technische Vorrichtung zum Erreichen der Stellflächen einen allgemeinen Teil der Liegenschaft, weil der von der Stellfläche zu trennende Wippmechanismus – also alle von den reinen Stellflächen zu unterscheidenden Teile der Anlage – mehr als einem Wohnungseigentumsobjekt dient und keine ausschließliche Benützung zulässt. Die Stellflächen der Parkwippen fallen daher grundsätzlich (soferne nicht die Voraussetzungen nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG vorliegen) in die Erhaltungspflicht des jeweils betroffenen Wohnungseigentümers, während der Wippmechanismus als allgemeiner Teil von der Eigentümergemeinschaft zu erhalten ist (5 Ob 109/10f; 5 Ob 182/08p; RIS‑Justiz RS0117164 [T1, T2]). Von den im § 32 Abs 1 WEG genannten Aufwendungen für die Liegenschaft sind daher grundsätzlich nur jene für den Wippmechanismus (samt den dafür in Anspruch genommenen Räumlichkeiten) umfasst, nicht jedoch jene für die Stellflächen selbst (5 Ob 109/10f; RS0112445 [T6]).

3. Ausgehend von dieser Differenzierung fällt ein Schaden, der – wie hier die festgestellte Anrostung der Fahrbleche – in räumlicher und funktionaler Hinsicht nur die Stellfläche betrifft, nicht in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft; dies entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin auch dann nicht, wenn die Behebung des Schadens den Austausch und damit einen besonderen Aufwand erfordert.

Die Erhaltungspflicht auch für die Stellflächen der Parkwippen träfe nur dann nicht den jeweiligen Wohnungseigentümer, sondern die Eigentümergemeinschaft, wenn die Behebung ernster Schäden iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG anstünde. Im Hinblick auf den ausdrücklichen Verweis auf § 3 MRG ist der Begriff des ernsten Schadens des Hauses im Sinn der Rechtsprechung zu § 3 Abs 2 Z 2 MRG auszulegen. Danach kann nur ein Schaden, der einerseits die ordentliche Benützung des Bestandobjekts unmöglich macht, und andererseits ein außergewöhnliches Ausmaß erreicht, als „ernst“ angesehen werden (RS0102183 [T5, T8]). Der Einfluss des Schadens auf die Brauchbarkeit des Mietobjekts ist aber nicht allein ausschlaggebend (RS0102183 [T6]). Die Behebungspflicht im Inneren des Bestandgegenstands ist dem Vermieter vielmehr nur insoweit zugewiesen, als der Schaden nicht ohne geringen Aufwand jederzeit beseitigt werden kann und es sich andererseits um einen Schaden des Hauses handelt, also um einen Mangel, der Auswirkungen auf den Bauzustand des Gebäudes hat (RS0102183 [T7]). Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedeutet das, dass der zwingende Charakter der Erhaltungspflicht des Vermieters, was den Mietgegenstand selbst betrifft, also nicht allgemeine Teile des Hauses, sich nur auf ernste Schäden des Hauses bezieht, nicht aber auf jene Aufwendungen, die sonst noch notwendig sind, um den Mietgegenstand in brauchbarem Zustand zu erhalten oder zu versetzen (5 Ob 233/04g; RS0112725).

Weshalb mit den hier festgestellten Anrostungen der Stellflächen (Fahrbleche) über den Schaden an dem Kfz‑Abstellplatz als dem Wohnungseigentumsobjekt hinaus ein (drohender) ernster Schaden des Hauses verbunden sein soll, vermag die Revisionsrekurswerberin nicht schlüssig zu erklären. Die von ihr zitierten Fälle der Feuchtigkeitsschäden und der Schimmelbildung lassen sich nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichen, weil die Mängel in diesen Fällen unmittelbar allgemeine Teile betrafen und die Bausubstanz des Hauses angriffen.

4. Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der hier zu beurteilenden Fallgestaltung begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RS0102181; RS0110702; RS0107773). Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung auf den konkreten Sachverhalt anwendbar sind (RS0107773 [T3]), der Streitfall daher bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann und gelöst wurde (RS0042656 [T48]; RS0042742 [T13]; vgl auch RS0118640).

5. Der behauptete Revisionsrekursgrund der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG). Das Rekursgericht hat den Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht verletzt. Entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerberin traf das Rekursgericht keine zusätzlichen Tatsachenfeststellungen; vielmehr ging es von den Feststellungen des Erstgerichts aus und gelangte aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, dass die Rostschäden an den Fahrblechen der Stapelparkanlagen keine ernsten Schäden an der Substanz oder allgemeinen Teilen des Hauses iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG begründen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Rekursgerichts haben dabei offensichtlich keinen Feststellungscharakter.

6. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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