Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Sachbeschluss wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Der Antragsteller ist Mieter der Wohnung top Nr 10 im Haus ***** in *****, die Antragsgegnerin ist alleinige Hauseigentümerin dieser Liegenschaft.
Die Wohnung des Antragstellers verfügt über zwei Wasserentnahmestellen, welche von verschiedenen Versorgungssträngen gespeist werden.
Eine Befundaufnahme durch die gerichtlich bestellte Sachverständige DI Dr. Christa Hametner (Spezialgebiet ua Wasser- und Abwasseranalyse) am 10. 12. 2002 in der Wohnung des Antragstellers ergab hinsichtlich des Bleigehaltes Folgendes:
Ort Vorlaufzeit Leitf. 23° Wassertemp. Bleigehalt
Bad 0 Min 0,27 ms/cm 14,2°C 38, µg/1
Bad 1 Min 0,27 ms/cm 11,2°C 12 µg/1
Bad 6 Min 0,27 ms/cm 11,2°C 19 µg/1
Küche 0 Min 0,26 ms/cm 14,0°C 102 µg/1
Küche 1 Min 0,26 ms/cm 14,0°C 18 µg/1
Küche 6 Min 0,25 ms/cm 9,2°C 11 µg/1
Die Bestimmung des Bleigehalts erfolgte nach SOP (Institut Interner Standardarbeitsanweisung, akkreditiertes Verfahren) 110 013 mittels Graphitrohr-Atomabsorptionsspektrometer (Type Firma Perkin Elmer 3100 ZL, Geräte Nr 697).
Damit wurden im Zeitpunkt der Befundaufnahme und des Zeitpunktes der erstinstanzlichen Entscheidung mit Ausnahme des Anfangbleigehaltes in der Küche (ohne Vorlaufzeit) die damals geltenden gesetzlichen Anforderungen von unter 50 µg/1 eingehalten.
Bei einer Minute Wasservorlaufzeit werden auch bei der Wasserentnahmestelle in der Küche die gesetzlichen Anforderungen eingehalten.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt der Antragsteller, der Bestandgeberin und Antragsgegnerin aufzutragen, im Haus ***** in *****, insbesondere in der von ihm gemieteten Wohnung top Nr 10 die Leitungen für die Trinkwasserzufuhr dergestalt zu verändern, in Stand zu setzen bzw zu adaptieren, dass ein Trinkwasserkonsum für den Antragsteller ohne Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für den Bleigehalt im Trinkwasser (50 µg/Pb1) möglich ist. Weiters möge festgestellt werden, dass es sich bei diesen Arbeiten um privilegierte Arbeiten nach § 3 Abs 3 Z 2 lit b und c MRG handelt. Der Antragsteller führte dazu aus, dass der Bleigehalt des Trinkwassers im gegenständlichen Haus und seiner Wohnung oberhalb des aktuell gültigen Grenzwertes liege, ihm jedoch auf Grund seines Mietvertrages ein Anspruch darauf zukomme, dass das Bestandobjekt in ordnungsgemäßem Zustand übergeben und erhalten werde. Zur ordnungsgemäßen Erhaltung des Bestandobjektes gehöre aber auch, dass die Versorgungsleistungen dergestalt funktionstüchtig seien, dass bei Konsumation des Wassers keine Gefahr für die Gesundheit des Benützers entstehe.
Den Vermieter treffe daher im Rahmen seiner Erhaltungspflicht die Verpflichtung zur Beseitigung des vorliegenden ernsten Schadens des Hauses.
Die Antragsgegnerin begehrte die Abweisung des Antrages, bestritt das Vorliegen eines ernsten Schadens des Hauses und wendete ein, für den Antragsteller sei eine unbelastete Wasserentnahme im Wohnverband möglich, im Übrigen sei es ihm zumutbar, einen Vorlauf vor Wasserentnahme durchzuführen und damit allfällige Überschreitungen im Bleigehalt hintanzuhalten.
Das Erstgericht wies den Antrag ab.
Nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur sei von einem ernsten Schaden des Hauses nur dann auszugehen, wenn eine gravierende potentielle Schädigung der Bausubstanz des Hauses vorliege oder drohe, eine mögliche Gesundheitsgefährdung reiche nicht aus.
§ 3 Abs 1 MRG regle keine konkrete Verpflichtung des Bestandgebers, sondern nur ein Programm als Auslegungsgrundsatz. Besondere Bedeutung komme dabei dem Abstellen auf den jeweiligen ortsüblichen Standard zu, womit eine elastische, sich den jeweiligen zeitlichen und örtlichen Komfortvorstellungen anpassende Obergrenze der Erhaltung normiert werde. Was unter dem Begriff ortsüblicher Standard hinsichtlich der Wasserversorgung einer Wohnung der Kategorie A zu verstehen sei, werde zum einen durch die Übung des Verkehrs bestimmt, zum anderen durch diesbezüglich anzuwendende Vorschriften. Nach der derzeit geltenden Trinkwasserverordnung (BGBl II/304/2001, Anh I Teil B, Chemische Parameter) sei ein Bleigrenzwert von 10 µg/1 vorgesehen, wobei jedoch gemäß § 4 Z 1 und 3 dieser Verordnung dieser Wert erst spätestens ab 1. 12. 2013 einzuhalten sei. Bei zum 1. 12. 2003 (also derzeit) gelte ein Parameterwert für Blei von 50 µg/1 und für den Zeitraum zwischen 1. 12. 2003 und 1. 12. 2013 25 µg/1. Daraus ergebe sich die Ortsüblichkeit derzeit eines Wertes von 50 µg/1, wobei dieser Wert gemäß der entsprechenden Bestimmungen der Trinkwasserverordnung für eine Probe von Wasser für den menschlichen Gebrauch gelte, die mit einem geeigneten Probeentnahmeverfahren an der Wasserentnahmestelle in der Weise entnommen werde, dass sich eine für die durchschnittliche wöchentliche Wasseraufnahme durch Verbraucher repräsentative Probe ergebe.
Es sei daher davon auszugehen, dass derzeit in der Wohnung des Antragstellers nur in der Küche und nur bei einer sofortigen Wasserentnahme ohne Vorlaufzeit der derzeit gültige Grenzwert von 50 µg/1 überschritten wurde. Daneben verfüge die Wohnung des Antragstellers über zumindest eine Wasserentnahmestelle, nämlich jener im Bad, in der auch ohne Vorlaufzeit Trinkwasser mit einem Bleigehalt unter dem gesetzlichen Grenzwert entnommen werden könne. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Antragsgegnerin, die beantragten Arbeiten durchzuführen (§ 3 Abs 2 Z 4 MRG) bestehe nicht.
Eine Unbrauchbarkeit der Wohnung des Antragstellers sei deshalb zu verneinen, weil es jedenfalls geeignetes Trinkwasser in der Wohnung des Antragstellers gebe.
Das habe zur Abweisung des Antrages zu führen.
Einem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge. Es hob den angefochtenen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Dabei erklärte es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Erhaltungspflicht des Vermieters bei durch Blei verunreinigtem Wasser vorliege.
Ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen hielt es das Rekursgericht für erforderlich, vorerst zu prüfen, ob die Bleikonzentration im Wasser auf Bleirohre, welche allgemeine Teile des Hauses seien, zurückzuführen sei, auf Zuleitungsrohre zum Haus oder aber auf Bleirohre, die im Mietobjekt des Antragstellers verlegt seien. Sollte nämlich nur die Zuleitung von der Steigleitung zu den Wasserentnahmestellen im Inneren des Mietobjektes aus Blei sein, wäre eine Erhaltungspflicht der Antragsgegnerin schon deshalb zu verneinen, weil ein ernster Schaden des Hauses nicht gegeben sei. Die Gefährdung der persönlichen Sicherheit des Bestandnehmers sei nämlich für die Frage der Zuordnung der Erhaltungspflicht nach dem MRG nicht maßgeblich (5 Ob 42/02s). Es könne daher dahingestellt bleiben, ob es genüge, dass dem Mieter nur eine von zwei Wasserentnahmestellen zur Entnahme von unbedenklichem Wasser zur Verfügung stehe. Seien die Bleirohre den allgemeinen Teilen des Hauses zuzuordnen, sei allerdings die Erhaltungspflicht des Vermieters zu bejahen, weil es im Sinn des elastischen Erhaltungsbegriffes des § 3 Abs 1 MRG zum ortsüblichen Standard gehöre, dass kein gesundheitsschädliches Wasser an den Wasserentnahmestellen zur Verfügung stehe.
Im Weiteren reichten die Feststellungen nicht zur abschließenden Beurteilung aus, ob das Wasser tatsächlich gesundheitsschädlich sei. Gemäß § 7 Abs 1 lit a iVm § 10 Abs 1 Z 1 LebensmittelG 1975 und § 3 Abs 1 Z 2 und Anh I Teil B TrinkwasserVO (BGBl II Nr 304/2001) sei Wasser dann gesundheitsschädlich, wenn es den Parameterwert für Blei bis 1. 12. 2003 von 50 µg/l und für den Zeitraum zwischen 1. 12. 2003 und 1. 12. 2013 von 25 µg/l überschreite. Dieser Wert gelte für eine Probe von Wasser für den menschlichen Gebrauch, welche mit einem geeigneten Probeentnahmeverfahren an der Wasserentnahmestelle in der Weise entnommen werde, dass sich eine für die durchschnittliche wöchentliche Wasseraufnahme durch Verbraucher repräsentative Probe ergebe.
Es lasse sich den erstgerichtlichen Feststellungen noch nicht entnehmen, unter welchen Umständen die festgestellten Proben entnommen worden seien. Es könne daher nicht beurteilt werden, ob eine repräsentative Probe vorliege. Sollte nämlich auch nur eine repräsentative Probe ergeben, dass das Trinkwasser einen über dem gesetzlichen Grenzwert liegenden Bleigehalt aufweise, wäre das Wasser als gesundheitsschädlich zu qualifizieren.
Es sei jedoch eine endgültige Entscheidung über das Begehren des Antragstellers erst dann möglich, wenn geklärt sei, welche Leitungsrohre zu welcher Bleikonzentration im Wasser führten und welche Parameterwerte für Blei tatsächlich gegeben seien. Damit erweise sich eine Aufhebung des angefochtenen Sachbeschlusses als unumgänglich.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses.
Der Antragsteller beantragt, den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist, wie im Folgenden auszuführen sein wird, auch berechtigt.
Zunächst ist dem verfahrenseinleitenden Antrag klar zu entnehmen, dass der Antragsteller die Durchführung von Erhaltungsarbeiten sowohl an allgemeinen Teilen des Hauses als auch im eigenen Mietgegenstand durchzusetzen sucht. Zutreffend wurde differenziert, dass zum Unterschied von Arbeiten, die zur Erhaltung an allgemeinen Teilen des Hauses erforderlich sind (§ 3 Abs 2 Z 1 MRG), Arbeiten zur Erhaltung der Mietgegenstände bei bestehenden Bestandverhältnissen nur dann der Erhaltungspflicht des Vermieters unterliegen, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses handelt.
Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bedeutet das, dass der zwingende Charakter der Erhaltungspflicht des Vermieters, was den Mietgegenstand selbst betrifft, also nicht allgemeine Teile des Hauses, sich nur auf ernste Schäden des Hauses bezieht, nicht aber auf jene Aufwendungen, die sonst noch notwendig sind, um den Mietgegenstand in brauchbarem Zustand zu erhalten oder zu versetzen. Der Einfluss des Schadens auf die Brauchbarkeit eines Bestandobjektes ist also für sich allein nicht ausschlaggebend (vgl RIS-Justiz RS0112725; RS0102183; RS0069985; RS0067704 u.a.). Das bedeutet, dass Bleileitungen, die die Substanz des Hauses an sich nicht beeinträchtigen und auch keine Gefahr für das Haus selbst darstellen, nicht zwingend der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG unterliegen. Die Gefährdung der persönlichen Sicherheit des Bestandnehmers ist für die Frage der Zuordnung der Erhaltungspflicht nach dem MRG eben nicht maßgeblich. Ob sich aus der Bestimmung des § 1096 ABGB etwas anderes ergibt, ist nicht zu prüfen, wenn der Mieter die Verfahrensart nach § 37 MRG gewählt hat und damit seinen Anspruch ausschließlich auf § 3 MRG iVm § 6 MRG stützt (vgl 5 Ob 42/02s).
Im Weiteren trifft zu, dass der in § 3 Abs 1 MRG verwendete Begriff des "jeweils ortsüblichen Standards" als zeitlich und örtlich flexibler, dynamischer und weitgehend objektiver Standard der Erhaltung verstanden wird (vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht Rz 8 zu § 3 MRG mwN). Unter diesen dynamischen Erhaltungsbegriff fallen etwa auch die bei Änderung baubehördlicher Vorschriften erforderlichen Anpassungen des Zustandes von Anlagen an die geänderten Bestimmungen (WoBl 1991/154 [Call]). Die derzeit bestehenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zur Vorsorge für die Einhaltung der Mindestanforderungen hinsichtlich des Bleigehaltes im Trinkwasser richten sich allerdings an die Wasserversorgungsunternehmer und nicht an die jeweiligen Hauseigentümer (vgl § 3 Wiener WasserversorgungsG; § 3 Abs 1 TrinkwasserVO BGBl II 2001/304; Trinkwasser-InformationsVO vom 21. 9. 1999 BGBl II 1999/352 und § 7 LMG).
Bei der derzeitigen Gesetzeslage kann es allerdings dahingestellt bleiben, ob und welcher Anspruch und welche Verpflichtung dem Hauseigentümer aus diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erwächst. Selbst wenn man nämlich die von den Vorinstanzen festgestellten Grenzwerte, die im maßgeblichen Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung galten, als maßgeblich für die Erhaltung im ortsüblichen Standard ansieht, sind diese, worauf die Revisionsrekurswerberin zutreffend hinweist, in der Wohnung des Antragstellers bei einer Wasserentnahmestelle gar nicht und bei der anderen dann nicht unterschritten, wenn ein Wasservorlauf von nur einer Minute eingehalten wird. Durch einen derart geringfügigen Aufwand kann also der Mangel der Trinkwasserversorgung ausgeschaltet werden. Damit bestand aber im maßgeblichen Zeitpunkt kein Baugebrechen, dass der Erhaltungspflicht des Vermieters im Sinn des § 3 Abs 2 Z 1 MRG unterlegen wäre.
Wie die Sache zu beurteilen ist, wenn eine andere Rechtslage eintritt, muss hier nicht geklärt werden.
Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin war daher Folge zu geben und der verfahrenseinleitende Antrag zur Gänze abzuweisen.
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