OGH 10ObS62/21x

OGH10ObS62/21x22.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger und Johannes Püller (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Kersten Bankler, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Mag. Judith Gingerl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, vertreten durch Dr. Eva‑Maria Bachmann‑Lang und Dr. Christian Lang, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2021, GZ 8 Rs 53/20b‑49, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:010OBS00062.21X.0622.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Bezug einer Ausgleichszulage setzt nach § 149 Abs 1 GSVG (ebenso wie nach § 292 Abs 1 ASVG) einen „rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland“ voraus.

[2] 1.1 Die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen zieht nicht in Zweifel, dass die Klägerin, eine 1950 geborene rumänische Staatsangehörige, seit 1. 1. 2015 ein Daueraufenthaltsrecht nach Art 16 Abs 1 der Unionsbürger‑Richtlinie hat und ihr Aufenthalt in Österreich damit rechtmäßig ist. Strittig ist der gewöhnliche Aufenthalt in Österreich als Voraussetzung für die vom Berufungsgericht ab 1. 2. 2016 zuerkannte Ausgleichszulage. In ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte eine Abänderung des Zuspruchs der Ausgleichszulage lediglich für die Zeiträume 1. 5. 2016 bis 31. 5. 2016und 1. 8. 2016 bis 27. 8. 2016 mit dem Hinweis darauf, dass die Klägerin nicht bewiesen habe, in diesen Zeiträumen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt zu haben.

[3] 2.1 Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist nach der sozialrechtlichen Rechtsprechung im Sinn des § 66 Abs 2 JN zu verstehen (RIS‑Justiz RS0106709; 10 Ob 74/14a; 10 ObS 34/11i SSV‑NF 25/43 mwN). Nach dieser Bestimmung sind bei der Beurteilung eines Aufenthalts als gewöhnlicher Aufenthalt dessen Dauer und Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, kann immer nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0106709 [T2]).

[4] 2.2 Ein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht nicht, wenn sich die pensionsberechtigte Person mehr als die Hälfte des Jahres im Ausland aufhält (10 Ob 83/04k SSV‑NF 18/59; 10 Ob 34/11i SSV‑NF 25/43; RS0119112). Dabei ist in der Regel auf den Zeitraum abzustellen, für den die Ausgleichszulage gewährt werden soll (10 Ob 34/11i SSV‑NF 25/43 mwN). Wird der Inlandsaufenthalt durch einen zu lange andauernden Auslandsaufenthalt beendet, so lebt er nach der Rechtsprechung mit der tatsächlichen Rückkehr nach Österreich wieder auf, wenn die Umstände eine Verlegung des Aufenthalts auf Dauer indizieren (10 ObS 197/98p; SSV‑NF 12/91; 10 ObS 28/99m SSV‑NF 13/21 je mwN). Auch dies ist im Einzelfall zu beurteilen (10 ObS 28/99m).

[5] 3.1 Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs:

[6] 3.2 Die Klägerin war nach dem Tod ihres Ehemanns von Jänner 2010 bis Juli 2016 in Österreich, wo auch ihre Tochter lebt, als 24‑Stunden‑Pflegerin erwerbstätig. Von 2010 bis 2014 hielt sie sich aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit regelmäßig jedenfalls sechs Monate (2010 sieben Monate) und lediglich im Jahr 2015 fünf Monate in Österreich auf. Im Dezember 2015 sowie im Jänner, April, Juni und Juli 2016 war sie in Österreich erwerbstätig und aufhältig. Jedenfalls seit 28. 8. 2016 ist sie ständig in Österreich und wohnt bei ihrer Tochter. Im Jahr 2016 hielt sich die Klägerin nach ihrer Rückkehr nach Österreich im Dezember 2015 somit zunächst ununterbrochen zwei Monate hier auf. Die erwerbsbedingten Umstände indizieren ungeachtet der kurzfristigen Unterbrechung des Inlandsaufenthalts von (zunächst) Februar bis März 2016 eine Wiederbegründung des Aufenthalts in Österreich, der im Jahr 2016 insgesamt mehr als neun Monate (seit 28. 8. 2016 ununterbrochen) bestand.

[7] 3.3 In diesem Sinn ist von einem durchgehenden gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich auszugehen, der auch die strittigen Zeiträume von 1. 5. 2016 bis 31. 5. 2016 und von 1. 8. 2016 bis 27. 8. 2016 umfasst. Auslandsaufenthalte in der Dauer von einem Monat oder weniger lassen den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nicht wegfallen (Pfeil in SV‑Komm [233. Lfg] § 292 ASVG Rz 9; Ziegelbauer in Sonntag, GSVG10 [2021] § 149 Rz 7).

[8] 4. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist daher zurückzuweisen.

Stichworte