European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00001.21G.0527.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der 17‑jährige Minderjährige lebt beim Vater, dem die alleinige Obsorge zukommt. Die Mutter leistet Geldunterhalt. Eine gemeinsame volljährige Tochter lebt bei der Mutter, die für deren Unterhalt alleine aufkommt.
[2] Das Erstgericht erhöhte auf Antrag des Kinder- und Jugendhilfeträgers (KJHT) die monatliche Geldunterhaltsverpflichtung der Mutter, die ein Durchschnittsnettoeinkommen von über 8.000 EUR im Monat erzielt, gegenüber dem Sohn für den Zeitraum vom 1. 1. 2019 bis 31. 5. 2019 auf 980 EUR, für Juni 2019 auf 1.158 EUR und ab 1. 7. 2019 bis auf weiteres auf 1.178 EUR und wies ein Mehrbegehren ab. Die Erhöhung ergebe sich aus dem 2,5‑fachen Durchschnittsbedarf im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse durch den Eintritt in die Oberstufe des Gymnasiums. Abgewiesen wurde das Begehren der Mutter auf Einzahlung zumindest der Hälfte des Unterhaltsbetrags auf ein von der Jugendwohlfahrt überwachtes Treuhandkonto.
[3] Das von der Mutter angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur vorliegenden Konstellation fehle, nämlich zwei im Haushalt je eines Elternteils lebende unterhaltsberechtigte Kinder, für die der eine geldunterhaltspflichtige Elternteil seit Jahren keinerlei Unterhaltsleistungen erbringe, der andere hingegen solche im Bereich der Luxusgrenze, wobei der dieses Kind betreuende Elternteil nach eigenen Angaben über keinerlei eigene Einkünfte oder Vermögen verfüge, sodass sich die Frage nach einer Verwendung eines Teils des Kindesunterhalts auch zur Deckung des eigenen Unterhaltsbedarfs aufdränge.
[4] Die Mutter macht in ihrem – vom KJHT beantworteten – Revisionsrekurs geltend, bei der Unterhaltsbemessung wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Vater keinen Unterhalt für die gemeinsame Tochter bezahle, was die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mutter beeinträchtige. Da die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung der von der Mutter für den Sohn geleisteten Unterhaltsbeiträge durch den Vater bestehe, wäre im Sinn von § 133 Abs 4 AußStrG dem Antrag auf Einzahlung von Unterhaltsbeträgen auf ein Treuhandkonto stattzugeben gewesen.
Rechtliche Beurteilung
[5] Damit zeigt die Mutter jedoch, ungeachtet des– den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts, keine erheblichen Rechtsfragen iSv § 62 Abs 1 AußStrG auf. Dass Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RS0122015 [T4]; RS0102181; RS0110702). Der Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
[6] 1.1. Grundsätzlich rechtfertigt die bloße Tatsache, dass der betreuende Elternteil im Haushalt tätig ist und über kein eigenes Einkommen verfügt, nicht die Kürzung des (prozentuell errechneten bzw im Zusammenhang mit dem Regelbedarf bemessenen) Geldunterhalts. Bescheidenere Verhältnisse des betreuenden Elternteils sind nur im Extremfall von Bedeutung, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Kind und dem Elternteil, in dessen Haushalt es aufwächst, vermieden werden soll (vgl 6 Ob 2098/96i; RS0102050). Dies wurde im Anlassfall aber weder schlüssig behauptet, noch festgestellt.
[7] 1.2. In der Entscheidung 2 Ob 2132/96k (= RS0108003) wurde ausgesprochen, dass die Einkommenslosigkeit jenes Elternteils, der das Kind betreut, bei der Bemessung des vom anderen Elternteil zu leistenden Unterhalts nicht zu berücksichtigen sei. Es sei nicht einzusehen, warum dieser Elternteil deshalb entlastet werden müsste, weil der das Kind betreuende Elternteil über die Betreuung hinaus zu Unterhaltsleistungen nicht imstande sei. Die gegenteilige Ansicht würde ganz offensichtlich nicht dem Wohl der Kinder dienen und sei daher abzulehnen. Im Übrigen könnte die Gefahr, dass die vom Unterhaltsverpflichteten geleisteten Unterhaltsbeträge zum Teil zur Deckung der Bedürfnisse des betreuenden Elternteils verwendet werden, durch die Bemessung eines geringeren Unterhalts nicht beseitigt oder verringert werden. Auch ein geringerer Unterhalt würde nämlich die gesetzwidrige Verwendung der Unterhaltsbeträge nicht ausschließen und könnte sich auch unter diesem Gesichtspunkt zum Nachteil der Kinder auswirken, weil dann eben auch für die Deckung der Bedürfnisse der Kinder nur ein geringerer Betrag zur Verfügung stünde.
[8] 1.3. Der Einwand, die Unterhaltszahlungen würden nicht ausschließlich zur Alimentierung des Berechtigten verwendet werden, ist bei der Unterhaltsfestsetzung unbeachtlich (RS0047377).
[9] 1.4. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Nichtberücksichtigung der Einkommens- und Lebensverhältnisse des Vaters bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs des Sohnes gegenüber der Mutter hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung und begründet daher keine grobe Fehlbeurteilung, sodass eine erhebliche Rechtsfrage zu diesem Punkt nicht aufgezeigt wird.
[10] 2.1. Gemäß § 133 Abs 3 AußStrG hat das Gericht die Verwaltung auch nicht nennenswerten Vermögens zu überwachen, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Wohl der vertretenen Person erforderlich ist. Nach Abs 4 leg cit kann das Gericht zu diesem Zweck ua Aufträge erteilen und einstweilige Vorkehrungen treffen.
[11] 2.2. Die Vermögensverwaltung durch die Eltern ist nur dann gerichtlich zu überwachen, wenn das Wohl des Kindes etwa durch missbräuchliche Verwendung des Vermögens durch die Eltern gefährdet erscheint (RS0008461). Das Gericht ist nicht „Oberaufseher“ oder „oberste Zweckmäßigkeitsinstanz“ im vermögensrechtlichen Bereich der Eltern‑Kind‑Beziehung, sondern hat sich grundsätzlich auf eine maßvolle Gebarungskontrolle primär zur Abwehr akuter Gefahren zu beschränken (4 Ob 25/17f).
[12] 2.3. Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Vater die für den Sohn gewidmeten Unterhaltsbeiträge der Mutter missbräuchlich verwenden würde bzw dass eine drohende Gefahr für das Wohl des Minderjährigen gegeben wäre. Die Abweisung des auf Treuhandkontozahlung gerichteten Antrags der Mutter durch die Vorinstanzen hält sich daher im Rahmen der zitierten Rechtsprechung.
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