OGH 2Ob2132/96k

OGH2Ob2132/96k10.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.1. M***** M*****,

2. A*****, und 3. C*****, vertreten durch die Mutter Isabella K*****, alle ***** wegen Unterhalts, infolge Revisionsrekurses des Vaters

Ing.Klaus Peter K*****, vertreten durch Dr.Ernst Chalupsky ua Rechtsanwälte in Wels, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 7.März 1996, GZ 13 R 465/95-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 27.September 1995, GZ P 14/90-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind eheliche Kinder und leben im Haushalt der Mutter, deren Ehe mit dem Vater der Kinder am 4.5.1990 geschieden wurde. Der Vater wurde zuletzt verpflichtet, ab 1.5.1990 für die Erstantragstellerin S 3.800, für die Zweitantragstellerin S 2.700 und für die Drittantragstellerin S 2.200 an Unterhalt im Monat zu leisten. Dieser Unterhaltsfestsetzung lag ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von S 36.298 zugrunde.

Am 21.3.1995 stellte die Kindesmutter in Vertretung der Minderjährigen den Antrag, den vom Vater im Monat zu leistenden Unterhalt wegen gestiegener Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten und eines erhöhten Einkommens des Unterhaltspflichtigen ab 1.4.1995 auf je S 7.600 für die Erst- und Zweitantragstellerin und auf S 6.300 für die Drittantragstellerin zu erhöhen.

Der Vater sprach sich gegen eine Unterhaltserhöhung für die Erstantragstellerin aus und stimmte hinsichtlich der Zweitantragstellerin einer Erhöhung auf S 3.500 und hinsichtlich der Drittantragstellerin auf S 2.700 zu. Er verdiene nur noch monatlich S 30.000 netto (14 x jährlich) und müsse für ein Darlehen, das für den Umbau eines von ihm bewohnten Hauses aufgenommen worden sei, monatlich S 3.399 leisten.

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater ab 1.4.1995 zu leistenden monatlichen Unterhalt für die Erst- und Zweitantragstellerin auf je S 7.000 und für die Drittantragstellerin auf S 5.700 monatlich und wies die darüber hinausgehenden Unterhaltserhöhungsbegehren ab. Es ging von einem monatlichen Durchschnittseinkommen des Vaters von S 41.000 netto aus.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs des Vaters nicht Folge, und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es stellte noch fest, daß die Mutter der Minderjährigen als Hausfrau seit etwa einem Jahr über kein eigenes Einkommen verfügt. Ihr Lebensgefährte, bei dem sie mitversichert ist, verfügt aus der Tätigkeit als Privatdetektiv derzeit nur über ein geringes Einkommen. Die Mutter war zum Zeitpunkt der Ehescheidung Hausfrau.

Rechtlich billigte das Rekursgericht die vom Erstgericht angewendete Prozentsatzkomponente und führte weiters aus, daß die Lebensverhältnisse des Elternteiles, bei dem sich das Kind aufhalte, grundsätzlich nicht mitzuberücksichtigen seien, weshalb das Einkommen der obsorgeberechtigten Mutter für die Unterhaltsbemessung im allgemeinen ohne Bedeutung sei. Bei aufrechter Ehe der Kindeseltern habe das unterhaltsberechtigte Kind auch dann an den durch ein überdurchschnittliches Einkommen des Vaters gehobenen Lebensverhältnissen Anteil, wenn die Mutter als Hausfrau kein eigenes Einkommen beziehe. Es gebe daher keine sachliche Rechtfertigung dafür, daß ein von seinen unterhaltsberechtigten Kindern getrennt lebender Vater nur deshalb von einer seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhaltsleistungspflicht teilweise befreit werde, weil der das Kind betreuende Elternteil über kein oder nur ein geringes Einkommen verfüge. Dem diesfalls gegenüber dem betreuenden Elternteil bestehenden - im vorliegenden Fall aufgrund der eigenen Aussage der Mutter auch begründeten - Verdacht des geldunterhaltspflichtigen Elternteiles, durch den von ihm für die Kinder zu leistenden Unterhalt teilweise die Lebensbedürfnisse des geschiedenen Ehegatten mitzufinanzieren, sei gegebenenfalls durch geeignete Überprüfungsmaßnahmen des Pflegschaftsgerichtes oder des Jugendamtes zu begegnen.

Der zugesprochene Unterhaltsbetrag übersteige auch nicht die Grenze zum Luxusunterhalt und entspreche der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Die Kreditrückzahlung könne bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht in Abzug gebracht werden, weil die Rückzahlung des für den Hausumbau aufgenommenen Kredites alleine der Vermögensbildung des Vaters diene. Schließlich sei das Argument, die Aufwendungen des Vaters im Rahmen des üblichen Besuchsrechtes seien bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, nicht zielführend.

Das Rekursgericht sah den ordentlichen Revisionsrekurs als zulässig an, weil zur Frage, inwieweit bei der Bemessung des Kindesunterhalts ein krasses Mißverhältnis (gemeint: der Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen) zur Lebensführung des betreuenden Elternteils zu berücksichtigen ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater der Kinder gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach § 140 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen (Rummel2 Rz 4 zu § 140). Tragender Grundsatz bei der Unterhaltsbemessung ist der Umstand, daß unterhaltsberechtigte Kinder durch Trennung oder Scheidung der Ehegatten weder besser noch schlechter als bei Fortdauer der Ehe gestellt werden dürfen. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Unterhaltsbemessung sind nämlich die "ehelichen Lebensverhältnisse" (1 Ob 501/93). Der erkennende Senat tritt der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes bei, daß die Einkommenslosigkeit jenes Elternteiles, der das Kind betreut, bei der Bemessung des vom anderen Elternteil zu leistenden Unterhaltes nicht zu berücksichtigen ist.

Für die gegenteilige Auffassung läßt sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt finden, weil die Lebensverhältnisse der Eltern und damit auch des das Kind betreuenden Elternteils nach dem klaren Wortlaut des § 140 Abs 1 ABGB nur für die Beurteilung der Angemessenheit der Bedürfnisse des Kindes maßgebend sind (vgl Schwimann in Schwimann2 Rz 21 zu § 140 mN aus der Rechtsprechung), die Höhe des Unterhalts aber, soweit dadurch diese Bedürfnisse nicht überschritten werden, bloß von der Leistungsfähigkeit (den "Kräften") des geldunterhaltspflichtigen Elternteils abhängt. Es ist nicht einzusehen, warum dieser Elternteil deshalb entlastet werden müßte, weil der das Kind betreuende Elternteil über die Betreuung hinaus zu Unterhaltsleistungen nicht imstande ist. Die gegenteilige Ansicht würde ganz offensichtlich nicht dem Wohl der Kinder dienen und ist daher abzulehnen. Im übrigen könnte die vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführte Gefahr, daß die von ihm geleisteten Unterhaltsbeträge zum Teil zur Deckung der Bedürfnisse der Mutter und ihres Lebensgefährten verwendet werden, durch die Bemessung eines geringeren Unterhalts nicht beseitigt und auch nicht einmal verringert werden. Auch ein geringerer Unterhalt würde nämlich die gesetzwidrige Verwendung der Unterhaltsbeträge nicht ausschließen und könnte sich auch unter diesem Gesichtspunkt zum Nachteil der Kinder auswirken, weil dann eben auch für die Deckung der Bedürfnisse der Kinder nur ein geringerer Betrag zur Verfügung stünde. Aus der vom Revisionsrekurswerber bezogenen Rechtsprechung (8 Ob 1517/90; EF 70.661; LGZ Wien EF 73867 ua) ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen; sie betraf nur die - hier nicht wesentliche - Frage, ob der das Kind betreuende Elternteil über die Betreuung hinaus zu Unterhaltsleistungen verpflichtet ist, weil er über ein entsprechendes Einkommen verfügt. Es kann daher keinen Einfluß auf die Unterhaltsbemessung haben, daß die geschiedene Ehegattin, die während der Ehe kein Einkommen erzielte, auch nach Scheidung der Ehe einkommenslos ist.

Eine Minderung der Unterhaltsbeträge wegen längeren Aufenthalts der Kinder beim Vater kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Revisionsrekurswerber selbst nur Aufenthalte der Kinder im Ausmaß der üblichen Besuchs- bzw Ferienzeit behauptet hat. Der Oberste Gerichtshof hat aber wiederholt ausgesprochen, daß nur bei einem die übliche Dauer solcher Besuche überschreitenden Ausmaß unter Umständen eine Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung in Betracht kommt (3 Ob 1611-1613/94; 10 Ob 2018/96d; 6 Ob 20/97b). Dieser Ausnahmstatbestand wird aber gar nicht behauptet.

Die Frage, ob bei einem überdurchschnittlichen Einkommen des Unterhaltsschuldners die Prozentkomponente nicht zur Gänze auszuschöpfen, sondern ein "Unterhaltsstop" anzunehmen ist, hat das Rekursgericht in Übereinstimmung mit dem Schrifttum und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelöst (siehe die Nachweise bei Schwimann in Schwimann2 Rz 26 zu § 140), zumal der hier auferlegte Unterhalt das Zweifache des Regelbedarfs nicht übersteigt. Dies liegt jedenfalls im Rahmen des Unterhalts, der nach den angeführten Belegstellen bei überdurchschnittlichem Einkommen zuerkannt werden darf.

Schließlich entspricht es auch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß Rückzahlungsraten auf Wohnungskredite die Unterhaltsbemessungsgrundlage grundsätzlich nicht schmälern können (RZ 1991/70; ÖA 1992,21; 3 Ob 548/93; 7 Ob 2085/96k ua). Hier ist überdies zu berücksichtigen, daß der Revisionsrekurswerber in der ehemaligen Ehewohnung, für die der Kredit aufgenommen wurde, weiterhin wohnt. Außergewöhnliche Umstände, die zur Berücksichtigung der Kreditrückzahlungen führen könnten, liegen nicht vor. Sie bestehen entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Meinung nicht deshalb, weil auch die Kinder das Haus zeitweise - offensichtlich im Rahmen des Besuchsrechtes des Revisionsrekurswerbers - benützen und es möglicherweise einmal erben werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte