OGH 8Ob52/21m

OGH8Ob52/21m26.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S*****, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Steiner-Satovitsch Rechtsanwälte GesbR in Baden, wegen 5.378,04 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 9. Februar 2021, GZ 58 R 90/20p‑42, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 28. September 2020, GZ 7 C 101/19a‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00052.21M.0526.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung eines offenen Honorars für erbrachte Anwaltsleistungen von zuletzt 5.378,04 EUR sA.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil – soweit ersichtlich – höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, an welchen Maßstäben eine laesio-enormis-Prüfung eines frei vereinbarten Rechtsanwaltshonorars zu erfolgen habe.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[4] 1.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass (auch) anwaltliche Honorarvereinbarungen wegen laesio enormis (§ 934 ABGB) anfechtbar sind (7 Ob 259/10d; 3 Ob 24/20f).

[5] Die Frage, ob laesio enormis vorliegt, betrifft grundsätzlich einen Einzelfall, weshalb ihr in der Regel keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS‑Justiz RS0108169). Gleiches gilt für die Frage, wie ein Vorbringen einer Partei zu beurteilen ist (vgl RS0042828). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zeigt die Revisionswerberin hier nicht auf.

[6] 1.2 Der „gemeine Wert“ im Sinne des § 934 ABGB lässt sich gemäß § 305 ABGB mit jenem Nutzen gleichsetzen, den die Sache mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet. Dies ist in erster Linie der Marktpreis, also das marktübliche Entgelt (RS0113651; RS0018877). Auch für Anwaltsleistungen ist ein Entgelt ermittelbar, welches sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme auf ähnliche Fälle als üblich erweist (vgl RS0052139). Die Behauptung der Beklagten, eine laesio‑enormis‑Prüfung sei in Ermangelung konkreter Bewertungsmaßstäbe nicht möglich, ist daher nicht richtig.

[7] 2.1 Nach den allgemeinen Regeln über die Beweislastverteilung trifft für die Verkürzung den „Verkürzten“ die Beweislast (RS0108170). Zur schlüssigen Geltendmachung der Anfechtung des Vertrags wegen laesio enormis bedarf es daher konkreter Behauptungen und Beweisanbote, die eine nachvollziehbare Bewertung der beiderseitigen Leistungen ermöglichen (9 Ob 26/99k). Die bloße Behauptung, dass Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Missverhältnis stünden bzw dass die Voraussetzungen des § 934 ABGB gegeben seien, reicht nicht aus (RS0016915 [T3]).

[8] 2.2 Das Berufungsgericht hat der Beklagten entgegengehalten, dass sie weder Vorbringen noch Beweisanbote dafür erstattet hat, dass der Marktpreis für die vom Kläger erbrachten Leistungen mehr als 50 % unter dessen Rechnungsbeträgen läge. Allein aus der in § 10 Z 4 lit a RATG normierten Bemessungsgrundlage in Ehesachen lasse sich hier nicht auf das Vorliegen einer Verkürzung über die Hälfte schließen, zumal eine von der Bemessungsgrundlage grundsätzlich unabhängige Stundensatzvereinbarung zulässig sei und die Komplexität eines Scheidungsverfahrens auch von dem zu verteilenden (hier beträchtlichen) Ehevermögen abhänge.

[9] 2.3 Dieser Beurteilung setzt die Revisionswerberin inhaltlich nichts entgegen. Ergänzend ist festzuhalten, dass schon nach § 10 Z 4 RATG der Streitwert der mit Streitigkeiten nach lit a verbundenen vermögensrechtlichen Ansprüche hinzuzurechnen ist (5 Ob 95/18h), sodass der dort genannte Betrag kein absoluter ist. Mit dem bloßen Verweis auf diese Tarifbestimmung und die zwischen den Parteien vereinbarte Bemessungsgrundlage von 100.000 EUR für sämtliche mit der Scheidung im Zusammenhang stehende Verfahren bringt die Beklagte daher noch keine Verkürzung über die Hälfte zur Darstellung.

[10] 3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.

[11] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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